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Robert Halver zum russischen Angriff auf die Ukraine Krieg und Aktienmarkt

Russische Panzer in der Nähe von Armyansk im Norden der Krim
Russische Panzer in der Nähe von Armyansk im Norden der Krim: Russische Bodentruppen sind in die Ukraine eingedrungen. | Foto: Imago Images / SNA
Robert Halver
Foto: Imago / Eventpress

Ich bin kein Freund von einfachen Börsenweisheiten wie „Politische Börsen haben kurze Beine“ oder „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“. Denn in puncto Dauer, Intensität und Folgen geopolitischer Konflikte – gerade auch im aktuellen Fall der Ukraine – bieten sie Anlegern keine konkreten Handlungsanweisungen. Zum Versuch einer Einschätzung der (finanz-)wirtschaftlichen Folgen muss man ans Eingemachte gehen.

Aus dem Ukraine-Konflikt ist jetzt ein Krieg geworden, der nicht irgendwo in der Welt, sondern in Europa stattfindet. Und neben sicherheits- kommen wirtschaftspolitische Risiken hinzu. Es geht um Europas Energieversorgung zu tragbaren Preisen.

Zunächst geht man an der Börse nicht von einem großen Krieg unter Einbeziehung der Nato aus. Amerika ist kriegsmüde und will für ein Nicht-Nato-Land nicht die Büchse der Pandora öffnen. Und einige Armeen in Europa sind gar nicht verteidigungsfähig. Leider hat dies das Schicksal der Ukraine besiegelt. Putin will das Land als souveränen Staat ausschalten und eine russenfreundliche Regierung installieren.

Jetzt muss der Westen eine geschlossene Haltung zeigen. Zum Glück heißt der amerikanische Präsident nicht mehr Trump, der in den vergangenen Tagen zweifelsfrei bewiesen hat, dass er für dieses Amt nicht qualifiziert ist.


Der Westen darf sich vom russischen Bären nicht wie ein vertrottelter Ochse durch die geopolitische Manege führen lassen. Jetzt muss es Breitseiten an Sanktionen geben. Alles andere wäre Beruhigungspolitik, die bereits in der Vergangenheit Autokraten nur noch mutiger machte. Tatsächlich nagt der geopolitische Bedeutungsverlust Russlands seit Zerfall der Sowjetunion 1991 arg am Ego des Machtmenschen Putin, der beim Kreuzworträtsel auf die Frage „Weltmacht mit drei Buchstaben“ ohne Zögern „Ich“ einträgt. Will er sich also als Nationalheld präsentieren, um 2024 die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, die ihm die Macht auf Lebenszeit bis 2036 – wie einem Papst oder dem chinesischen Staatspräsidenten Xi – sichern würde?

Russland muss vom internationalen Finanztransaktionsnetzwerk Swift abgeklemmt, die Rohstoffimporte müssen massiv heruntergefahren und der Technologietransfer auf null gesetzt werden. Das wird aber vor allem auch Europa wirtschaftlich sehr wehtun. Wegen Energieverknappung oder gar -ausfall bei weiter steigenden Preisen droht das schlimmste Konjunkturszenario einer Stagflation.

Ist Putin noch zu retten?

Die russische Wirtschaft ist kein starker Bär, eher ein schüchterner Teddy. Was nutzt aller russischer Rohstoffreichtum, wenn er nicht zu Geld gemacht werden kann. Es ist der größte Exportschlager. Sonst gibt es da nicht viel. 2019, vor der Corona-Krise, hat Russland knapp 210 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa geliefert, die aktuell einen Marktwert von zirka 170 Milliarden Euro hätten. Welchen Sinn macht es für eine Henne auf Eiern zu sitzen, um diese auszubrüten, wenn sie gar nicht befruchtet sind? Übrigens wie will man einen Krieg finanzieren? Nichts ist teurer.

Unabhängig davon neigt sich die aktuelle Heizperiode ihrem Ende entgegen. Deutsche Haushalte verbrauchen 70 Prozent ihrer jährlichen Gasmenge von November bis März. Das gibt der Politik immerhin acht Monate Zeit nach Alternativen zu schauen. Schon nach den Ölkrisen in den 70er-Jahren machte Energienot erfinderisch. So könnte eine Wiederbelebung des Atom-Deals den Iran zurück an den Ölmarkt bringen. Amerika könnte seiner Fracking-Industrie wieder Leben einhauchen und Flüssiggas nach Europa exportieren. Das braucht seine Zeit, da Deutschland keine entsprechenden Terminals hat. Mindestens zwischenzeitlich würde in Europa auch Atomstrom der Not und nicht nur der Taxonomie gehorchend wieder hoffähig. Und nicht zuletzt würde die Energiewende an Fahrt gewinnen.

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Schließlich braucht die marode russische Infrastruktur ausländisches Know-How und Geld wie die Bienen die Blüten. Und der Billig-Rubel macht Importe ohnehin teuer beziehungsweise unerschwinglich.

Ja, Europa wird Schmerzen aushalten müssen. Längerfristig spielt die Zeit jedoch gegen Russland. Bis 2036 könnten harte Jahre auf Putin zukommen. Nationalstolz der aggressiven Art macht nicht satt.

Selbst der Bündnisvertrag zwischen Moskau und Peking ist kein Trumpf für Putin. Zwar erfreut Peking sich an der Konfrontation Russlands mit dem Westen, allein schon, um von seinen Machenschaften abzulenken. China will aber keinen gleichberechtigten, sondern einen nützlichen Partner für seine egoistischen Motive. Tatsächlich sollte Putin fürchten, dass Russland China in den Schoß fällt, wenn es zunächst gezwungen wäre, sein im Westen „unverkäufliches“ Erdgas ins energiehungrige China zu verkaufen, um irgendwie an Geld zu kommen. Gerne würde der Panda auch in die Bresche fehlenden westlichen Geldes springen, um Russlands marode Standortbedingungen zu verbessern. Am Ende wäre Putin ein Vasall Chinas, das als Exportnation keine Hemmungen hat, mit seinem größten Konkurrenten Amerika, aber auch größten Handelspartner Geschäfte zu machen. Vor diesem Hintergrund hat China übrigens auch kein Interesse an einer wegen des Ukraine-Konflikts einbrechenden Weltwirtschaft.

Da der Herrgott Hirn fair verteilt hat, sollte eigentlich die Vernunft obsiegen. Da aber Aussetzer offensichtlich nicht ausgeschlossen sind, muss der demokratische Westen zusammenhalten wie Musketiere.

Und was machen die Anleger?

Ich würde auf diesem Niveau nicht mehr verkaufen, den gesunkenen Bestand nicht mehr veräußern. Es ist sinnvoller, das Depot jetzt abzusichern. Dazu eignen sich Teilschutzzertifikate beziehungsweise Put-Optionen zur vollständigen Absicherung. Die benötigte Anzahl Puts lässt sich einfach berechnen: Depotwert geteilt durch Indexstand mal Bezugsverhältnis.


Da wir nicht wissen, wie lange der Ukraine-Konflikt anhält, müssen Anleger je nach Nachrichtenlage vorerst auch hohe Kursschwankungen aushalten. Hier ist man mit regelmäßigen Aktiensparplänen gut bedient. So können wir uns bei schwächeren Kursen immerhin damit trösten, dass es mehr Aktienanteile für das gleiche Geld gibt.

Neuengagements sollten auf Robustheit und intaktes Geschäftsmodell abgeklopft werden. Defensive Aktien mit ihren hohen Dividendenrenditen bieten sicherlich Substanz. Übrigens, trotz Ukraine-Krise gibt es einen fundamentalen Lichtblick. Corona lässt als Belastungsfaktor immer mehr nach, was die Weltwirtschaft und konjunktursensible Aktien stützt.

Überhaupt, angesichts der Wirtschaftsrisiken wird die Geldpolitik nicht wirklich restriktiv. Konjunkturstabilisierung geht vor Inflationsbekämpfung. Und wenn es sein muss, werden die EZB oder die Fed auch weitere staatliche Ausgabenprogramme finanzieren.

Leider kann im Moment tatsächlich nur der Versuch einer Einschätzung der weiteren geopolitischen Lage vorgenommen werden. Aber wie auch immer: Wladimir, Du kriegst uns nicht klein, am Ende verlierst Du!

Über den Autor: Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in Frankfurt am Main.

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