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Robert Halver zu den Ergebnissen der Europawahl Europa braucht eine Kernsanierung

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Doch es nutzt nichts. Die Zeit der abwartenden, selbstgefälligen und lauwarmen Politik ist vorbei. Die europäischen Hausaufgaben müssen gemacht werden. Sich weiter wegducken vergrößert ansonsten die bestehende EU-Malaise nur noch mehr. 

Klimaschutz und Sozialleistungen sind ohne Zweifel wichtig. Doch darf man sie nicht nur ideologisch betrachten und ihnen aus Angst vor abwandernden Wählern ohne Nachzudenken hinterherlaufen. Zur Ehrlichkeit gehört es festzustellen, dass die virtuelle Welt von Internet und Smartphones nicht weniger CO2 schädlich ist als das Fliegen.

Überhaupt steht Ökologie in einem Wechselverhältnis mit Ökonomie. Es gibt sie nicht zum Nulltarif. Sie kostet Geld und Arbeitsplätze z.B. in der Autoindustrie oder in der Energiewirtschaft. Und Arbeitslosigkeit ist nun einmal der Stoff aus dem in vielen EU-Ländern die Europa-Feindlichkeit gemacht wird.

Grundsätzlich könnte sich die EU um die Schaffung neuer moderner Arbeitsplätze bemühen. Mit Blick auf die real existierende Reformfeindlichkeit, Innovationsrenitenz und mutlose Bedenkenträgerei vieler EU-Politiker fällt der Glaube daran aber schwer. Europa muss die alten liebgewonnenen Zöpfe abschneiden und den Pfründensumpf austrocknen. Überdimensionierte Subventionen in die old economy müssen zugunsten von Zukunftsinvestitionen in Verkehrswege, Bildung, Forschung und Digitalisierung verschoben werden.

Ohne wirtschaftlichen Fleiß, kein sozialer Preis

Politiker sollten ihrer Bevölkerung nicht weiter vorgaukeln, dass Sozialleistungen vom Himmel fallen. Sie müssen irdisch durch eine moderne, wettbewerbsfähige Volkswirtschaft erwirtschaftet werden. Und wenn Unternehmen in Europa wegen Vernachlässigung der Standortqualität in den Sack hauen und Europa Richtung Asien und USA entschwinden, nehmen sie leider auch die Arbeitsplätze mit.  Überhaupt, etwas mehr Marktwirtschaft in einem mittlerweile viel zu rigiden und bürokratischen Europa wäre auch zu begrüßen.

In diesem Zusammenhang müssen auch Staatsschulden aus ihrer moralischen Schmuddelecke geholt werden. Natürlich stehen z.B. Italiener nicht im Verdacht, stabile Finanzen und Haushaltsdisziplin erfunden zu haben. Und wenn Rom jetzt verlangt, die EZB solle unreflektiert als Garant für alle nationalen Staatsschulden auftreten, muss man ihnen auf die Finger hauen. Denn das wäre der freie Mittagstisch für die italienische Regierung, sozusagen Frei-Pizza für alle und immer. Es würden munter populistische Wahlgeschenke finanziert, um die Wiederwahl zu sichern. Und was Italien darf, wollen andere Länder dann auch dürfen.

In der Schuldenfrage geht es darum, wofür sie gemacht werden

Schulden zur Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur sind genauso fruchtbar wie die Schulden eines Unternehmens, das expandiert oder Kredite für Immobilien zur Altersvorsorge. Diese „guten“ Staatsschulden sollten nicht verteufelt werden, sondern bei Schuldenkriterien nicht angerechnet und insofern auch nicht sanktioniert werden. Auch Amerika und China verschulden sich hoch, um ihre Wettbewerbsfähigkeit im globalen digitalen Konkurrenzkampf zu steigern.

Überhaupt, wie soll ein Land wie Italien alternativ jemals wieder auf einen grünen (Oliven-)Zweig kommen, wenn seine Volkswirtschaft mehr und mehr zum Industriemuseum wird? Und werden Italiener bei der nächsten Wahl zu feurigen Europa-Liebhabern, wenn sie stempeln gehen müssen oder die italienische Jugend mit Europa nur Perspektivlosigkeit verbindet?

Nicht zuletzt muss die EU gegenüber den USA und China geschlossen auftreten. Sie sind unsere wirtschaftlichen Konkurrenten, teilweise sogar Feinde, die uns ohne Gegenwehr emotionslos ausnehmen wie eine gefüllte Gans an Weihnachten.

Zum Schluss, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU gehört unter die Guillotine. Ansonsten diskutiert man sich in Brüssel zu Tode, macht nur Minimalkompromisse, die Europa in einer sich mit Lichtgeschwindigkeit entwickelnden Welt nur im Schritttempo bewegen.

Die EU sollte den Schuss gehört haben. Die nächsten fünf Jahre sind entscheidend. Wenn bis 2024 nicht an Haupt und Gliedern reformiert wurde, darf sich niemand beklagen, wenn dann die Aasgeier aus Ost und West über ein sklerotisiertes Europa herfallen. Die Uhr tickt.

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