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Robert Halver zur Bankenkrise
Ist der konsequente Kampf gegen die Inflation ein unbezahlbarer Luxus?
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Robert Halver zur Bankenkrise Ist der konsequente Kampf gegen die Inflation ein unbezahlbarer Luxus?

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Und heute sind die Wechselwirkungen mit der Real- und Finanzwirtschaft noch größer. Zunächst erhöht sich die staatliche und private Verschuldung immer weiter. Die westliche Welt und vor allem ihre Führungsnation sind auf Kredit gebaut. Der Schulden-Wolkenkratzer bricht in sich zusammen und die Büchse der Pandora wird geöffnet, wenn seine Statik mit großem Zins-Gerät ins Wanken kommt.

Überhaupt kann kein Staat die umfangreichen Ausgabenprogramme für Infrastruktur, Digitalisierung, Energiewende und Wehrfähigkeit mehr mit eigenen Bordmitteln stemmen. Und dass Deutschland hier viele Jahre geschlunzt hat, fällt uns jetzt besonders heftig auf die Füße.

 

 

Ohnehin ist die konjunkturelle Erholung nach Corona und noch laufendem Ukraine-Krieg unsicher wie das April-Wetter. Kommen wir jemals zum letzten deutschen Wirtschafts-Wunderjahr 2019 zurück? Das schier endlose deutsche Märchen der Globalisierung und der nur eingebildeten Umzingelung von Freunden hat Risse bekommen, durch die man mittlerweile schauen kann.

Günstiger Rohstoff- und Energieimport, Veredelung zu industriellen Spitzenprodukten in der Industrie und Export nach China liefen so gut, dass die deutsche Wirtschaftspolitik behäbig wurde und sich in den Jahren der Niedrigzinsen immer höhere Sozialleistungen erlaubte. Und die militärische Trittbrettfahrerei ist auch vorbei. Der große Bruder jenseits des Atlantiks will nicht mehr ohne Weiteres Schutzpatron für Europa sein. 

Finanz-, Konjunktur- und Systemstabilität gehen vor Preisstabilität

Im Zweifel für den Angeklagten: Vor diesem wenig erbaulichen Hintergrund wird sich die internationale Geldpolitik primär um die Verhinderung einer neuen Banken-, Wirtschafts- und Systemkrise kümmern. Inflationsbekämpfung spielt dabei die zweite Geige. Die zuletzt gefallenen Anleiherenditen signalisieren diese Erwartung bereits. Und zum Glück kommen die Teuerungsraten – wenn auch nur langsam – zurück.

Diese Entwicklung werden die Notenbanken mit grandiosem Marketing ausschlachten und propagieren, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Dabei ist völlig klar, dass ein Inflationsziel von zwei Prozent noch sehr lange nicht erreicht wird, wenn überhaupt. Die sich mittlerweile häufenden Zweitrundeneffekte wie die hohen Tarifabschlüsse, die die Unternehmen, aber auch der Staat in Preisen und Gebühren weitergeben werden, sprechen dagegen. 

Und wenn die EU zum Beispiel bei der Zwangsgebäudesanierung Ernst macht, wird die Inflation zu unserem Leben gehören wie das Gute-Nacht-Gebet vor dem Schlafengehen. Die Nachfrage nach Dämmmaterialien und anderem wird explodieren und die Preise gleich mit. Der Staat wird zwar Zuschüsse gewähren. Aber wer soll diese neuen Schulden bezahlen, wenn nicht die EZB. Und warum sollte sie den Vorsprung der Inflation über den Kreditzins aufheben? Irgendwie muss der Staat sich doch entschulden. Staatswirtschaft ist immer teuer, da der Staat verfressener als jeder Hund ist.  

Kontinuierlich fallende Inflation nur eine lange Ausnahme

Ich glaube ohnehin, dass die 40 Jahre im Trend gefallene Inflation eine, wenn auch lange Ausnahme von der historischen Regel war. So hat die Internationalisierung der Weltwirtschaft zu deflationären Produktionsverlagerungen geführt. Der Höhepunkt dabei war das kostenseitig unschlagbare Asien, das Inflation zu einem Begriff machte, den man im Lexikon nachschlagen musste.

Grafik 2: Entwicklung der deutschen Inflationsrate

Deutsche Inflationsrate

Es ist sehr zu vermuten, dass diese Zeiten schon wegen zunehmender internationaler Verspannungen und einer Begrenzung der Abhängigkeit von China vorbei sind. Die Neigung nimmt stark zu, mit preistreibender Subventionierung wieder zuhause zu produzieren.     

Wie will man sich da noch den Luxus der konsequenten Inflationsbekämpfung erlauben? Die Inflation wird ziemlich auf der Strecke bleiben. Früher oder später wird das Inflationsziel „an den Zeitgeist“ angepasst. Die 4 Prozent sind die besseren 2 Prozent.

Bei diesem Inflationsszenario kommt mir ein Song der Kölsch-Rockband BAP in den Sinn: „Verdamp lang her“, auf hochdeutsch verdammt lang her. Es ist tatsächlich verdammt lange her, dass Inflation geldpolitisch konsequent bekämpft wurde.

Und für die Zinssparer hält der Song auch eine Zeile parat: „Nit resigniert, nur reichlich desillusioniert.“ Zinssparen, dass nach Inflation Spaß macht, ist eine Desillusion.

 


Robert Halver Foto: Baader Bank

Über den Autor:
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse der Baader Bank in Frankfurt und ist damit für die Einschätzung der internationalen Finanzmärkte zuständig. Der erfahrene Kapitalmarkt- und Börsenkommentator ist durch seine regelmäßigen Medienauftritte bei Fernsehsendern und Radiostationen einem breiten Anleger- und Finanzpublikum bekannt.

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