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Robert Halvers Kolumne „Denk ich an GroKo in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht“

Wie bei der Papstwahl wird auch in Berlin früher oder später weißer Rauch aufsteigen. Angela Merkels GroKo 2.0 wird schon deshalb kommen, weil alle Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD nach ihren hundsmiserablen Wahlergebnissen, dem Scheitern von Jamaika und der Wankelmütigkeit Pro- oder No-GroKo angeschlagen sind. Um keinen politisch unschönen Abgang zu riskieren, werden sie ihre letzte Chance nutzen, um nicht zu frühzeitig ihren Hobbies nachzugehen. Herr Schulz müsste sich dem Fußball widmen, Frau Merkel schreibt Kochbücher und Herr Seehofer vertreibt sich die Zeit mit seiner Modell-Eisenbahn. Die gute Nachricht zuerst: Deutschland bekommt wieder eine ordentliche Regierung. Wir werden nicht zu einer Bananenrepublik.

GroKo als Kuschelkoalition?

Theoretisch könnte eine GroKo viel für den Gemeinnutz tun. Allerdings, was hat denn die letzte im Parlament wirklich große GroKo praktisch erreicht? Ihre Reformen sind so wenig großartig wie der aktuelle Tabellenplatz des 1. FC Köln. Und was kann dann überhaupt eine nur noch „Kleine Große Koalition“ erreichen, deren Politiker zum eigenen politischen Überleben keine großen Risiken mehr eingehen wollen?

Tatsächlich ist die Versuchung der GroKo riesengroß, die aktuelle Sonnenseite der deutschen Konjunktur als willkommenes Alibi für die Fortsetzung des Reformmüßiggangs zu missbrauchen. Warum für Bewegung sorgen, wenn es sich schon bewegt? Bloß keinen Reformstress unter GroKo 2.0 produzieren, die noch weniger Liebesbeziehung sein wird als die GroKo 1.0. Man ist gezwungen, sich verbalerotisch lieb zu haben, um das unkalkulierbare Wagnis Neuwahlen zu umgehen. Da liegt es nahe, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, damit Ruhe im Berliner GroKo-Karton herrscht. Wie in einer guten Vernunftsehe wird Geld der Friedensstifter sein. Immerhin ist der Finanzspielraum zum Verteilen groß. Mit mindestens 45 Milliarden Euro werden alle Beziehungsprobleme zugeschüttet. So eine Politik erinnert mich an Eltern, die ihre schwierige Tochter beziehungsweise ihren problematischen Sohn mit einer gehörigen Mitgift dennoch unter die Haube bringen wollen.

„Die Welt wartet nicht auf Deutschland“ ...

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… hieß es in der Neujahrsansprache der Kanzlerin. Wie wahr! Es geht um unsere wirtschaftliche Zukunft in einer immer wettbewerbsstärkeren Welt. Nichts ist vergänglicher als der Erfolg der deutschen Industrie von gestern. Deutschland ist nicht automatisch eine Insel der konjunkturellen Glückseligkeit. Dazu brauchen wir massive Reformen, um unseren Wirtschaftsstandort auf Weltklasseniveau zu halten. In puncto Bildung, Infrastruktur, Steuersenkungen, Bürokratieabbau und vor allem Digitalisierung der Industriewelt hat aber das Ausland längst die Standort-Nase vorn und greift uns frontal an. So prescht Amerika mit seinen „virtuellen“ Firmenaushängeschildern davon und senkt die Steuern. Und in China regieren längst „digitalisierte Kommunisten“. Selbst Frankreich öffnet die bislang fest verschlossenen sozialistischen Fenster und lässt frischen marktwirtschaftlichen Wind rein. Aufgrund unseres hohen Wohlstandsniveaus hat kein Industrieland so viel Fallhöhe wie Deutschland.

Daher darf Deutschland nicht von einer „Wohlfühlkoalition“ nur verwaltet und moderiert, sondern muss gestaltet und regiert werden. Der Amtseid der regierenden Personen gemäß Grundgesetz „Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“ heißt auch wie ein Eichhörnchen für den Winter vorzusorgen und nicht alle Nüsse in den guten Sommerzeiten aufzufuttern.

Arbeitnehmer hängen am Fliegenfänger der deutschen Wirtschaftspolitik

Grundsätzlich sind börsennotierte deutsche Unternehmen aufgrund ihrer globalen Ausrichtung immer weniger auf den nationalen Standort, auf deutsche Bratwurst festgelegt. Es darf auch Hamburger oder Sushi sein. Sie essen dort, wo die Geschmacksnerven den höchsten Renditekitzel erfahren. Ohnehin, die Kronjuwelen der deutschen Industrie werden überall zum Essen eingeladen. Und wenn diese Aktiengesellschaften dann dort erfolgreich Umsätze machen und Gewinne steigern, kommen immerhin deutsche Anleger in den Genuss von steigenden Kursen und Dividenden, ziemlich unabhängig von den Darbietungen deutscher Politik.

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