LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in AnalysenLesedauer: 5 Minuten

Rom in Aufruhr Steht die italienische Wende bevor?

Seite 2 / 2

Drittens, ist es nicht Sache der jetzigen Koalition, darüber zu entscheiden, ob und wann eine vorgezogene Neuwahl stattfindet. Nach der italienischen Verfassung hat nur der Präsident die Befugnis, das Parlament aufzulösen. Präsident Sergio Mattarella wird wahrscheinlich sein Bestes tun, um ein solches Ergebnis zu verhindern. Eine Möglichkeit wäre, die Demokratische Partei Mitte-Links (PD) zu ermutigen, eine Art Einigung mit der Fünf-Sterne-Bewegung zu erzielen. Eine solche Kombination würde in beiden Gruppen auf heftigen Widerstand stoßen. Vielleicht könnte aber auch eine andere Regierung, mit starken Technokraten wie Herr Conte und Finanzminister Giovanni Tria, es genügend Gesetzgebern schmackhaft machen, in beiden Kammern des italienischen Parlaments eine komfortable Mehrheit zu sichern.

Kurzfristig wünschen sich die meisten Investoren wahrscheinlich, dass Neuwahlen vermieden werden können. Jedoch sollten sie mit dem was sie sich wünschen vorsichtig sein. Eines wird immer deutlicher: der Versuch, „Reformvorschlägen“ aus Brüssel besonders in der Fiskal-politik zu widerstehen, wird auf absehbare Zeit die Politik der italienischen Regierung sein, egal welche der großen Gruppen an der Macht ist. Gleichzeitig verändert sich bereits der Rest der europäischen Landschaft, mit dem Wahlsieg der spanischen Sozialisten und dem bevorstehenden Abgang von Angela Merkel in Deutschland. All dies könnte die Zusammensetzung der neuen Europäischen Kommission beeinflussen und zu einer „flexibleren Auslegung“ der EU-Defizitkriterien für hochverschuldete Länder wie Italien führen. Mit der Unterstützung von Frau von der Leyen könnte eine linkspopulistische Regierung in Rom sogar mächtige Verbündete finden, nicht nur in Madrid, Athen und Paris, sondern sogar in Brüssel.

Wenn es um europäische Staatsanleihen geht, folgen die Märkte in letzter Zeit fest dem japanischen „Vorbild“: immer häufiger wird darüber gemunkelt, in der Eurozone könnten japanische Verhältnisse einziehen, im Sinne von permanent niedrigen Zinssätzen, soweit das Auge reicht. Die Inflationsrisiken sind nicht nur für die nahe Zukunft, sondern auch für die kommenden Jahrzehnte weitgehend ausgepreist. Natürlich gibt es noch Möglichkeiten, mit negativen Renditen umzugehen, wie wir kürzlich gezeigt haben. Verschiebungen in der Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks könnten den Trend zu immer niedrigeren Renditen und immer teureren Anleihen deutlich länger anhalten lassen. Aber wenn es um die Eurozone geht, sollte man auch die Historie und die sich verändernde politische Ökonomie des Kontinents im Blick behalten. In Europa gibt es eine offensichtliche Alternative zu japanischen Verhältnissen: italienische Verhältnisse, wie man sie vor der Einführung der gemeinsamen Währung kannte. Das würde mittel- bis langfristig wohl für die gesamte Eurozone eine lockere Fiskalpolitik und letztlich höhere Inflationsraten bedeuten, als es viele Marktteilnehmer gewohnt sind.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion