

Ronny Gwerder von Wellington Management „Ein starker Aufsichtsrat muss dem Management den Spiegel vorhalten“

Drei Buchstaben dominieren die Finanzwelt: ESG. Sie stehen für Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Doch während viele Fonds vor allem das E in den Blick nehmen, also die grüne Transformation der Unternehmen begleiten, spielt das G manchmal nur eine untergeordnete Rolle.
„Wir wollen nicht der typische ESG-Fonds sein“, sagt dagegen Ronny Gwerder im Gespräch mit DAS INVESTMENT. Er ist Portfolio Advisor bei Wellington Management und betont ein ganzheitliches Prinzip: „Uns geht es darum, Firmen mit herausragenden Stewardship-Aktivitäten auszuwählen, die sich langfristig eine Wettbewerbsposition aufbauen, um hohe Renditen für Investoren erwirtschaften zu können.“
Worauf das Team bei der Aktienauswahl für den Wellington Global Stewards Fund achtet und welche Unternehmen positiv wie negativ herausstechen, erklärt Ronny Gwerder im Interview.
DAS INVESTMENT: Herr Gwerder, lassen Sie uns über die Rolle von Governance...
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Drei Buchstaben dominieren die Finanzwelt: ESG. Sie stehen für Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Doch während viele Fonds vor allem das E in den Blick nehmen, also die grüne Transformation der Unternehmen begleiten, spielt das G manchmal nur eine untergeordnete Rolle.
„Wir wollen nicht der typische ESG-Fonds sein“, sagt dagegen Ronny Gwerder im Gespräch mit DAS INVESTMENT. Er ist Portfolio Advisor bei Wellington Management und betont ein ganzheitliches Prinzip: „Uns geht es darum, Firmen mit herausragenden Stewardship-Aktivitäten auszuwählen, die sich langfristig eine Wettbewerbsposition aufbauen, um hohe Renditen für Investoren erwirtschaften zu können.“
Worauf das Team bei der Aktienauswahl für den Wellington Global Stewards Fund achtet und welche Unternehmen positiv wie negativ herausstechen, erklärt Ronny Gwerder im Interview.
DAS INVESTMENT: Herr Gwerder, lassen Sie uns über die Rolle von Governance bei der Aktien-Selektion sprechen. Was macht für Sie gute Unternehmensführung aus?
Ronny Gwerder: Unter dem Begriff Governance vereinen sich viele Aspekte: Wie wird das Unternehmen strukturell geführt? Wie ist der Verwaltungsrat aufgebaut? Wie setzt sich das Management zusammen und wie ist dessen Nachfolgeplanung geregelt? Und wie geht das Unternehmen mit Aktionären und deren Einwänden um? Um das herauszufinden, genügt es nicht, ein- bis zweimal mit dem Management zu sprechen, wie es die meisten Investoren tun. Man muss auch mit dem Aufsichtsrat sprechen. Denn der ist im Schnitt viel länger bei einer Firma als deren Management. Er ist verantwortlich für die Nachfolge sowie die Auswahl und Bewertung von CEOs, die die Strategie umsetzen. Er nimmt die Unternehmensleitung in Verantwortung für die finanziellen Ergebnisse, die Entwicklung von Talenten und richtungsweisende Vorgaben in Einklang mit der Strategie.
Was macht einen guten Aufsichtsrat aus?
Gwerder: Ein starker Aufsichtsrat nimmt die geopolitische Lage für ein Unternehmen in den Blick und setzt die langfristige Strategie. Das Gremium fordert zudem die Personen, die das Tagesgeschäft führen, respektvoll heraus. Er muss aus Leuten bestehen, die die richtigen Fähigkeiten und genügend Zeit mitbringen, um sich aktiv einzubringen. Denn was nützt es uns, wenn ein guter Manager in einem Board sitzt, aber dieser in seinem eigenen Business komplett eingespannt ist.
Wenn ein Aufsichtsratsmitglied sehr viele Mandate innehat, spricht man von Overboarding.
Gwerder: Das ist ein ernstes Problem. Wir haben in diesem Jahr bereits mehr als 20-mal gegen Aufsichtsräte aufgrund von Overboarding-Bedenken gestimmt. Im vergangenen Jahr war das nur 11-mal der Fall. Aber wir nehmen das sehr ernst, weil ein starker Aufsichtsrat für den langfristigen Erfolg sehr wichtig ist.
Was sollte ein Aufsichtsratsmitglied mitbringen?
Gwerder: Idealerweise bringen die Menschen Branchenerfahrung mit und, wichtiger noch, Management-Skills mit differenzierten Fähigkeiten. Sie wissen also, wie man verschiedene Unternehmen in unterschiedlichen wirtschaftlichen Umfeldern langfristig führt. Und sie sollten starke Persönlichkeiten sein. Wir wollen nicht in Unternehmen investieren, wo das Management den Aufsichtsrat führt. Es muss eine Partnerschaft zwischen beiden geben. Der Aufsichtsrat muss dem Management den Spiegel vorhalten. Typischerweise wird er mehr als einer Geschäftsführer-Generation vorstehen. Daher ist der Aufsichtsrat die einzige Konstante, die Unternehmenskultur und -strategie im Zeitverlauf miteinander verbindet.
In einigen Unternehmen ist der CEO zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrates. Ist das positiv oder negativ?
Gwerder: Wir bevorzugen einen unabhängigen Aufsichtsratsvorsitzenden, aber bei einigen Unternehmen, vor allem in den USA, können der Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorstandsvorsitzende oft beides sein. Ist dies der Fall, konzentrieren wir uns meist stärker auf den Aufsichtsrat und prüfen, wie unabhängig dieser ist, ob es einen leitenden unabhängigen Direktor gibt und wie mächtig er insgesamt ist. Werden die Vergütungs- und Prüfungsausschüsse von unabhängigen Vorsitzenden geleitet? Dies ist wichtig, um die Machtverhältnisse im Unternehmen zu verstehen und um festzustellen, ob der Aufsichtsrat in der Lage ist, die Geschäftsleitung herauszufordern und mit ihr zusammenzuarbeiten.
Welches Unternehmen ist aus Ihrer Sicht in puncto Governance sehr gut aufgestellt?
Gwerder: Ein gutes Beispiel ist National Grid, ein Versorger mit Hauptsitz in England. Das Board ist sehr unabhängig und gibt die Marschrichtung vor mit einem neuen, sehr erfahrenen und hoch engagierten Vorsitz. Das Versicherungsunternehmen Progressive ist ebenfalls sehr gut in dieser Hinsicht aufgestellt. Wir würdigen das Unternehmen für seinen unabhängigen Vorsitz und einen jährlichen Prozess zur Evaluierung des Vorstands. Generell attestieren wir aber allen Unternehmen, die es in unseren Global Stewards Fonds schaffen, eine gute Balance aus wirtschaftlichen Aspekten und Unternehmensführung.
Manche Investoren bezeichnen Apple als das am besten geführte Unternehmen der Welt. Im Portfolio Ihres Fonds taucht es dagegen gar nicht auf. Woran liegt das?
Gwerder: Als Investoren halten wir Ausschau nach vielfältigen Perspektiven, starken Herausforderungen von außen und nach einem Gleichgewicht der Kräfte, damit alle Stimmen gehört werden können. Bei Apple gibt es gleich mehrere Gründe, warum wir mit dem Global Stewards Fund nicht in das Unternehmen investiert sind. Und übrigens nie waren.
Einer der Gründe dafür ist, dass wir Bedenken hinsichtlich der Reaktionsfähigkeit des Aufsichtsrats haben, falls Apple in Schwierigkeiten geraten sollte. Ein weiterer Grund ist, dass wir versuchen, das Risiko von Schlüsselpersonen zu vermeiden. Als langfristige Investoren suchen wir zudem nach Anzeichen, dass die Prozesse zur Entscheidungsfindung breit aufgeteilt sind.
Unser Ziel beim Global Stewards ist es, eine Aktie über mehrere Amtszeiten von Vorstandsvorsitzenden hinweg zu halten, in der Regel für zehn Jahre oder länger. Was Sie als langfristiger Investor sehen wollen, ist eine große Bandbreite an starken Führungspersönlichkeiten im Management-Team.
Apple hat ein breites Management-Team, welches durch die jährlichen Keynotes auch der Breite der Anleger bekannt ist. Und einen Aufsichtsrat gibt es auch, darin sitzen Top-Manager von Blackrock, Johnson & Johnson, Boeing und Ex-US-Vizepräsident Al Gore.
Gwerder: Derzeit gibt es neun Aufsichtsräte bei Apple, einige haben Sie bereits aufgezählt. Es geht dabei weniger um die Personen selbst, vielmehr um die Struktur. Das Board trifft sich viermal pro Jahr. Und dies in Anbetracht der Tatsache, dass das größte Unternehmen der Welt wahrscheinlich mit einer zunehmenden geopolitischen, regulatorischen, Kunden- und Mitarbeiterprüfung konfrontiert sein wird. Die Führungsstruktur ist jedoch für einfachere Zeiten ausgelegt.