LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in FinanzberatungLesedauer: 6 Minuten

Roundtable Anlegerschutz: Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander

Seite 2 / 2

Die Prozesslawinen bestätigt auch Thomas Elster, der ausschließlich die Interessen von Finanzdienstleistern und Instituten in entsprechenden Klagefällen vertritt. Er hinterfragt allerdings kritisch deren Qualität und berichtet von modulhaften Anklageschriften, die häufig an Abschriften von laufenden Verfahren erinnern. Er kritisiert „Trittbrettfahrer“ und moniert das häufig eher nach Typologie, als nach individueller Sachlage Klage erhoben wird.

Sammelklagen in Deutschland nicht möglich

Ungeachtet der Klagemengen verweisen Nieding und Rotter darauf, wie schwierig es in der Praxis ist, für die Mandanten am Ende des Tages Prozesse zu gewinnen. Schließlich müssen Anleger immer noch den Beratungsfehler explizit nachweisen. In Deutschland gibt es im Gegensatz zu den USA keine Sammelklagen. Die Prozesskosten und -risiken in Deutschland rangieren in Sachen Kapitalanlage im europäischen Vergleich auf den vordersten Plätzen.

Lediglich 5 Prozent aller Betroffenen so Rotter und Nieding ziehen in Deutschland vor Gericht. Nicht selten gehen die großen Finanzkonzerne dabei durch alle Instanzen und testen Alter, Geduld und Geldbeutel der Anleger. Beide Investorenvertreter zeigen sich wenig verwundert, dass immer mehr Rechtschutzversicherungen Risiken und Kosten aus Kapitalanlageklagen ausschließen.

Umso mehr steht nach Aussage Niedings für die Anwälte das Ziel im Vordergrund, gegen „tiefe Taschen“ vorzugehen. Das bedeutet, wo dies möglich ist, geht man eher gegen Konzernstrukturen vor, als gegen kleine Einzelvermittler, deren Kapitaldecke nicht erwarten lässt, dass der entstandene Schaden erstattet werden könnte.

Protokolle halten alle Gesprächspartner für wichtig. Umso mehr, als sie vor Gericht von besonderer Bedeutung sind und angesichts ihres amtlichen Charakters Beratern und Anlegern am Ende eines Gesprächs eine höhere Aufmerksamkeit abverlangen und sie disziplinieren. Sie stufen aber die Praxistauglichkeit der Protokolle unterschiedlich ein.

Warum Regulierungsmonstren enstehen

Die Herausforderung, vor der der Gesetzgeber steht, sieht Dirk Scherp in der Bemühung, Gesetze entwickeln zu wollen, die gleichzeitig den Bedürfnissen und Strukturen von Großbanken und Einzelvermittlern Rechnung tragen sollen. Er sieht in den Bemühungen der Regierungen, dem Markt feste Rahmenbedingungen geben zu wollen, „Regulierungsmonstren“, mit denen man nur schwer umgehen kann. Ebenso wie der Kollege Elster merkt er indes positiv an, dass diese Richtlinien und Gesetze den Compliance-Abteilungen der Banken erstmals die Möglichkeiten eines Druckmittels in die Vertriebsaktivitäten hinein geliefert haben. Ein „Mifid-Welcome-Package“ halten beide indes für wenig zielführend.

Fazit: Der Roundtable zeigt, wie schwierig die Situation hinsichtlich der Beraterhaftung und des Verbraucherschutzes in Deutschland ist. Vieles ist noch nicht geregelt, anderes schon überreguliert und nicht mehr praktikabel. Die Komplexität vieler Kapitalanlageprodukte überfordert zudem Anleger und Berater.

An dieser Stelle rächt sich die mangelnde Fachkenntnis und fehlendes finanzwirtschaftliches Grundlagenwissen, dessen Vermittlung in Sozialisationsinstanzen wie beispielsweise Schulen versäumt wurde. Gleichzeitig muss den Anlegern aber auch vorgehalten werden, sich zu wenig mit der Materie auseinandergesetzt zu haben. Auf der Jagd nach Renditen rächt sich diese fehlende Quantifizierung und Verinnerlichung von Risiken vielfach.

Aufklärungsaufwand versus Abschlussquote Zudem tritt ein systemimmanenter Widerspruch zwischen der geschäftlichen Gewinnoptimierung der Dienstleister und Produktgeber einerseits und der notwendigen und wünschenswerten Aufklärung der Anleger andererseits zutage. Mit anderen Worten: ausführliche Risikobelehrungen, Erklärungen von Funktionsprinzipen und Kommentierungen von Marktentwicklungen stehen häufig Geschäftsabschlüssen im Weg.

Oder sie nehmen einen zeitlichen Umfang ein, den sich Anleger nicht leisten können oder der eine Beratung größerer Anlegerschaften erschwert. Dieser Umstand ist nicht nur in der Anlage-Abschlussvermittlung problematisch, sondern auch dort, wo auf Basis von Servicegebühren oder Vermögensverwaltungsmandaten laufende Betreuungsverhältnisse entstehen.

Man darf gespannt sein, wohin die Reise künftig vor Gericht, in Gesetzen und in der Beratungspraxis geht. Alle Beteiligten sind gut beraten, die Kirche im Dorf zu lassen, soll das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Anlegern und Beratern nicht noch weiter verschlechtert werden. Anleger die hinter jedem Strauch einen Dieb sehen, sind ebenso wenig gewünscht, wie Berater, die nicht mehr wissen, wie sie Beratungsgespräche ohne daraus resultierende Haftungsansprüche führen oder dokumentieren sollen.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion