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Roundtable: "Biotech-Fondsmanager sind keine Wunderheiler"

Thilo Rohrhirsch, Michael Sjöström, Daniel Koller, <br> Harald Schwarz, Noushin Irani, Dirk Arning, Björn Drescher (v. li.)
Thilo Rohrhirsch, Michael Sjöström, Daniel Koller,
Harald Schwarz, Noushin Irani, Dirk Arning, Björn Drescher (v. li.)
Das Umfeld wird zusehends schwieriger, die Hindernisse und Probleme für den Pharma- und Biotech-Sektor nehmen zu. Der Gegenwind kommt in erster Linie von staatlicher Seite. Die öffentliche Hand ist mit steuer- oder umlagefinanzierten Sozial- und Krankenversicherungssystemen für die Mehrheit der Gesundheitsausgaben verantwortlich. Massive Sparmaßnahmen und eine Zwei-Klassen-Medizin sind die Folgen. Die Fondsmanager erwarten aber auch mehr Eigenverantwortung. Eine Vollkasko-Mentalität sei nicht mehr bezahlbar.

Dennoch werde der Markt insgesamt zwangsläufig wachsen. Aus der demografischen Entwicklung ergeben sich weltweit steigende Lebenserwartungen und Nachholpotenzial in den Emerging Markets. Bis 2025 spätestens werde sich der weltweite Gesundheitsmarkt von derzeit rund 5,6 Billionen auf über 10 Billionen Dollar verdoppeln. Doch die notwendigen Sparmaßnahmen machen es den Unternehmen nicht leicht, dabei weiterhin so gut zu verdienen. Schon im kommenden Jahr werde die Branche den Höhepunkt der Patentausläufe erleben: Medikamente mit einem jährlichen Umsatzvolumen von knapp 40 Mrd. US-Dollar werden 2012 patentfrei. Einen Nutznießer dieser Entwicklung sehen die Experten bei den Generika-Herstellern. Deren Nachahmerprodukte dürften künftig mehr und mehr zum Einsatz kommen. Die klassische Pharmaindustrie wird umso stärker auf Innovationen angewiesen sein. Und diese werden von den Experten durchaus erwartet. Man stehe am Anfang eines neuen Produktzyklus. Wenn es den Unternehmen gelänge zu zeigen, dass ihre neuen Produkte wirklich sinnvoll seien, ergäbe sich daraus auch Preissetzungsmacht.

Der Einstufung von Healthcare, Pharma und Biotech als defensive, in ihren Geschäftsverläufen nicht von der Konjunktur abhängigen Branchen wurde von den Experten etwas relativiert. Natürlich werden immer Menschen krank, losgelöst von Konjunkturzyklen. Und tatsächlich waren die Kursverluste im Sommer, als die Aktienmärkte ein Rezessionsszenario einpreisten, kleiner als bei klassisch zyklischen Branchen. Dennoch bekam und bekommt man die Folgen der Krise zu spüren.

Einmal mehr litten besonders die Small- und MidCaps, von denen es viele auch in der Biotech-Branche gibt. Probleme im Bankensektor und Zurückhaltung der Investoren bedrohen ihre Finanzierung. Dagegen hielten sich die großen Pharmatitel vergleichsweise gut. Dank eines hohen Cashflows sind sie von externen Geldgebern nicht so abhängig. Aber auch auf der Nachfrageseite gebe es je nach Geschäftsmodell Abhängigkeiten von der Konjunktur. Durchaus von der Kaufkraft der Kunden abhängig seien beispielsweise Dentalimplantate. Wer dagegen in der Onkologie tätig sei, dürfe als konjunkturunabhängig betrachtet werden, denn die Bekämpfung von Krebs erlaubt weder einen Aufschub noch Maßnahmen je nach Kassenlage. Mithin müssten die verschiedenen Sektoren in der weitläufigen Branche Pharma / Healthcare sehr differenziert betrachtet werden. Ähnliches gelte für die aktuelle Bewertung, wenngleich nach der Kursentwicklung der jüngeren Vergangenheit kein Sektor überzogen hoch bewertet sei – im Gegenteil: Gemessen an den Erwartungen für die Unternehmensergebnisse erscheinen die Subsektoren günstig. Die Frage sei aber, ob die Erwartungen vereinzelt nicht immer noch zu hoch seien. Wann „das Tal der Tränen“ verlassen werden könne, sei nicht sicher. Möglicherweise leide die Branche noch über ein Jahr hinaus unter einer relativen Ertragsschwäche. Eine günstige Bewertung allein reiche eben nicht aus.

Fazit: Wer von Pharma- und Medizintechnik schnelle Wunder erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Auch Biotech-Fondsmanager sind keine Wunderheiler. Aktives Fondsmanagement bedeutet auch für die Healthcare- und Biotech-Branche, die Beobachtung übergeordneter Trends mit einzelnen Unternehmensanalysen zu kombinieren. Wie in anderen Branchen auch, hat der Anleger die Wahl zwischen mehr oder weniger am Index (beispielsweise am Nasdaq Biotech Index) orientierten Fonds oder benchmark-fernen Ansätzen. Zu den Entscheidungen mit großen Auswirkungen auf die Performance gehören diejenigen, wann eher in „Big Pharma“ und wann eher in Nebenwerte investiert werden soll. Fondsmanager, die bisher bei dieser Frage richtig lagen, konnten für ihre Anleger Mehrwerte produzieren.


Hintergrundinfo: Es diskutierten  Noushin Irani, Fondsmanagerin des DWS Biotech Typ O Fonds, Daniel Koller, Bellevue Asset Management, Leiter und Manager der Biotech-Strategien und der BB Biotech AG sowie der BB Biotech (LUX) Fonds, Thilo Rohrhirsch, Senior Research & Portfolio Manager Healthcare bei Deka Investment, Michael Sjöström, Fondsmanager des Pictet-Biotech, Harald Schwarz, geschäftsführender Gesellschafter, Advisor und Portfoliomanager der Medical Strategy GmbH und Manager mehrerer Fonds, unter anderem des erfolgreichen FCP OP Medical BioHealth-Trends.

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