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Aktualisiert am 27.01.2020 - 16:29 Uhrin MärkteLesedauer: 10 Minuten

Roundtable Finanzberatung: „Umsatz auch in der Baisse“

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Asset Allocation oder Produktverkauf? Von links: Ulrich Harmssen, Apella; Marcel van Leeuwen, Yeald; Eric Wiese, HHVM; John-Erik Schröder, JDC (Foto: Ingo Heyer) DAS INVESTMENT.com: Wenn man sich die Topseller-Produkte anschaut, die wir auf DASINVESTMENT.com listen, zeigt sich, dass etwa der Fonds Carmignac Patrimoine bei vielen Pools ganz vorne liegt. Ein Fondmanager als Einzelkämpfer, der über einen Freestyle-Ansatz investiert und damit alle Grundsätze der Asset Allocation prinzipiell über den Haufen werfen kann. Ist der Verkauf eines solchen Fonds mit einem langfristig orientierten Asset-Allocation-Beratungsansatz vereinbar? Kai Werner Röhrl, Robeco: Unterm Strich ist ein solches Produkt eher für den klassischen Produktverkauf geeignet. Für Berater, die für Ihre Kunden auch über die Asset-Allocation-Beratung einen Mehrwert erzielen möchten, ist so ein Produkt eher ungeeignet. Ein Fonds, der heute in Bonds, morgen in Aktien und übermorgen womöglich zu großen Teilen in Cash investiert, kann von einem Berater nicht seriös in eine bestehende Asset Allocation einsortiert werden. Eine interessante Fragestellung ist in diesem Zusammenhang, ob es dem beratenden Vertrieb auf Dauer gelingen kann, über reinen Produktverkauf ausreichend Mehrwert für den Kunden zu generieren. DAS INVESTMENT.com: Aber kann der Berater seinen Kunden überhaupt umstimmen, wenn jener sich ausschließlich anhand von Performancetabellen orientiert? Matthias Wiegel, Standard Life: Als Berater sollte man seinen Kunden auf jeden Fall darauf aufmerksam machen, dass die angegebene Performance, die der Kunde so attraktiv findet, ein reiner Vergangenheitswert ist - und dass er diese vergangene Wertentwicklung nicht mehr bekommen wird. Das muss der Kunde bei seiner Entscheidung unbedingt berücksichtigen. Ferdinand Haas, DWS: Das ist doch gerade das Problem, das wir als ganze Branche haben. Wir orientieren uns zu stark an der Vergangenheit, was naiv ist. Bei der Autofahrt nur in den Rückspiegel zu schauen kann funktionieren, wenn die Realität eine Autobahn ist, auf der es immer geradeaus geht. Die Realität unseres Marktes ist aber eher eine Serpentinenstraße: Überbewertungen, die entstehen, erzeugen eine gute Performance und diese Produkte werden deswegen vermehrt gekauft. Aber je länger es auf dieser Serpentinenstraße geradeaus gegangen ist, desto näher liegt die nächste Kurve. Von einem solchen übertriebenen vergangenheitsorientierten Denken muss die Branche schleunigst weg: Das betrifft nicht nur den Vertrieb, sondern alle - wenn man mal bedenkt, was wir im Kreditbereich gesehen haben. Dort wurden beim Design der Produkte historische Ausfallraten unterstellt, so ist es kein Wunder, dass Preise solcher Assets um 80 oder 90 Prozent fallen können. Die Lösung wäre, das Werben mit Vergangenheitsdaten und isolierten Renditen zu reglementieren, um die Diskussion auf einen anderen Bereich zu lenken. Von links: Kai Werner Röhrl, Robeco; Hanna Dudenhausen, Public Imaging; Ferdinand Haas, DWS (Foto: Ingo Heyer) Michael Weisz, Argentos: Man kann einem Endkunden allerdings keinen Vorwurf machen, wenn er sich an Performancedaten orientiert und prozyklisch agiert – er hat einfach keine andere Informationsmöglichkeit, um Fonds oder den Kapitalmarkt beurteilen zu können. Ein einzelner Anleger oder auch Berater kann sich unmöglich eine Meinung zu Credit Spreads oder Währungen bilden. Insofern ist die Kernaufgabe einer Vertriebsorganisation oder eines Pools, dass wir Instrumentarien an die Hand geben müssen, mit denen die Risiken des Kapitalmarkts beurteilt werden können. DAS INVESTMENT.com: Wie sieht die derzeitige Marktsituation für einen reinen Fondspool wie Argentos aus? Weisz: Momentan ist die Situation sicherlich schwierig. Aber unsere Auswertungen belegen: Mit Beratungstechnologie und Research ist auch immer eine bessere Performance erzielbar – zumindest bei breiter diversifizierten Portfolios. Natürlich sind auch diese in der momentanen Marktphase nicht im Plus, aber Berater mit entsprechenden Tools verfügen auch über die stabileren Bestände. Achim Wilhelm-Wittschier, SHB: Wir sollten uns grundsätzlich die Frage stellen, wie viel Prozent der Bevölkerung wir mit einem komplizierten Asset-Allocation-Ansatz abholen können? Ich denke, vielleicht 1,5 bis 2 Prozent. Ich würde mir zunächst einmal wünschen, dass sowohl für den Berater als auch für den Kunden die Produkte einfacher und klar kommunizierbar sein sollten. Zum Beispiel, dass die Produkte nicht mehr gehebelt oder verfremdet sind. So kann der Berater wissen, was im Produkt drin ist - und zum Beispiel auch, dass der Kunde immer noch 2 Prozent Rendite bekommt, wenn alles schief laufen sollte. Martin Wanders, Top Ten: Aus der Vergangenheit ist es aus meiner Sicht problematisch, dass Fondspolicen nicht auch als Kapitalanlagen, sondern oft nur als "Versicherung" verkauft worden sind. Das waren vielfach Produkte ohne jeglichen vermögensverwaltenden Charakter: Es wurde als Vertriebsargument oft lediglich ein Fonds ausgewählt, darauf beschränkte sich die Auswahl. Zum Beispiel oftmals der DWS Investa, dann hatte der Anleger eine Allokation auf 30 Jahre DAX. Am meisten haben aber Kunden Verluste in Fondspolicen zu verkraften, die einseitig etwa einen Biotech- oder Internetfonds im Policenmantel gekauft haben. Die haben dann gar nichts mehr in ihrem Sparanteil, werden darüber aber auch nicht aufgeklärt. Ulrich Harmssen, Apella (links), Marcel van Leeuwen, Yeald (Foto: Ingo Heyer) Heß: Ich denke aber, dass dies Einzelfälle sind. Die Assets in den Fondspolicen sind großenteils große Marken und breit streuende Fonds. Die Ironie des Schicksals aber ist: Dabei wird nur selten eine umfassende Beratung stattgefunden haben, auch später keine intensive Betreuung und kein Reporting. Das hat aber dazu geführt, dass der Anleger nicht bei der erstbesten Performancedelle ausgestiegen ist, sondern die Verträge jahrzehntelang bespart hat. Das heißt: der ahnungslose Kunde, dem ein schlichter Versicherungsvertreter eine solche Fondspolice verkaufte, bekam eine sachwertgeschützte und inflationssichere und steuerfreie Anlage vermittelt. Die ganze Beraterei ist ja gut und schön, führt aber wegen der fehlenden Spardisziplin des Kunden nicht unbedingt zum besseren Anlageerfolg. So betrachtet, bietet die Zillmerung auch dem Kunden Vorteile, weil sie eine höhere Spardisziplin auslöst. Marcel van Leeuwen, Yeald: Wenn wir uns Markowitz und alle anderen Kapitalmarkttheorien anschauen, welche Renditen können wir dann überhaupt von einer langfristig ausgerichteten Anlagestrategien erwarten? Sicherlich nicht die 30 oder 40 Prozent, die im Aktienmarkt gelegentlich erreicht werden. Wenn ein Kunde zu einem Berater kommt und sagt, die 30 Prozent vom letzten Jahr möchte ich auch im kommenden Jahr, müsste ein ehrlicher Berater antworten: Das kannst Du nicht erwarten. Das sind aber die wenigsten, die das wirklich so offen sagen. Die meisten sagen: Lass uns mal schauen, ob wir das hinkriegen. Dabei bleibt die Suche nach dem richtigen Risiko-Rendite-Niveau oft auf der Strecke.
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