Den Traum von der eigenen Investmentboutique – früher oder später hat ihn wohl fast jeder Portfoliomanager einmal. Doch nur wenige wagen den Sprung ins kalte Wasser. Wir sprachen darüber mit Alexander Mozer, viele Jahre Fondsmanager bei Ökoworld und heute selbstständig mit Rezoom, mit Elmar Peters, Ex-Flossbach und nun gemeinsam mit Thorsten Vetter Mitgründer von Praemium Capital Partners und Thorsten Schrieber, Vorstand bei DJE.

DAS INVESTMENT: Herr Mozer, Sie waren lange am Steuer des Ökoworld Ökovision, waren maßgeblich am Wachstum des Fonds beteiligt. 2022 haben Sie sich selbstständig gemacht - warum verlässt man denn den sicheren Job mit festem Gehalt? Wollten Sie sich noch mal etwas beweisen, oder was war der Antrieb?

Alexander Mozer: Ja, das klingt ein bisschen wie bei Die Ärzte: „Warum gehst du nicht zu Onkel Werner in die Werkstatt? Der gibt dir 'ne Festanstellung“ (lacht). Man fragt sich immer wieder, wie man sein Leben gestalten möchte. Was man erreichen möchte. Ich war bei Deka Investment, dann bei der AGI und bei Ökoworld. Das waren alles Festanstellungen und da arbeitet man natürlich immer in einem bestimmten Korsett. Und wenn man sich selbst verwirklichen möchte, ist dieses Korsett meistens ein bisschen eng. Als ich bei Ökoworld angefangen habe, hatte ich eine gewisse Reise vor Augen. Ich habe dann irgendwann gemerkt: Ich bin am Ende der Reise angekommen. Das, was ich erreichen wollte, habe ich erreicht. Ich brauchte ein neues Spielfeld.

In welchem Moment kam diese Erkenntnis?

Mozer: Das war ein Prozess. Ich habe irgendwann festgestellt, dass mich das alles nicht mehr in dieser Intensität gereizt hat. Dass ich etwas Neues brauchte. Schnell wurde mir klar: Das Ideal ist etwas komplett Eigenes, wo ich eigene Ideen verwirklichen kann. Darin lag für mich der Reiz. Es war kein Abwägen zwischen Festanstellung, Geld und Sonstigem, sondern einfach eine Frage der Lebensplanung.

Alexander Mozer hat sich mir Rezoom selbstständig gemacht
Alexander Mozer hat sich mir Rezoom selbstständig gemacht © Anna Mutter

Was haben Sie beim Schritt in die Selbstständigkeit über- und was unterschätzt?

Mozer: Regulatorische Themen hatte ich mir noch schwieriger vorgestellt, als es sich dann tatsächlich gezeigt hat. Auf der anderen Seite ist man plötzlich als One-Man-Show für die Finanzen zuständig, für Personal - und nebenbei soll man noch den Fonds managen. Da hatte ich schon einen gewissen Respekt davor. Aber wenn man dann merkt, wie viel Hilfe man von guten Partnern bekommen kann, relativiert sich das. Nichtsdestotrotz gibt es Tage, wo man wirklich extrem hart arbeiten muss, um alle Dinge mit einem gewissen Qualitätsanspruch hinzukriegen..

Gehen wir mal zu Ihnen über, Herr Schrieber. DJE wird dieses Jahr 50 Jahre alt. Sie sind mit einer Unterbrechung seit 23 Jahren Teil der Geschichte. Bei Ihnen haben viele Talente der Branche angefangen, die heute noch bekannt sind. Überwiegt da Stolz, Wegbereiter gewesen zu sein, oder eher der Schmerz über den Verlust?

Thorsten Schrieber: Also ich muss sagen, dass ich immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Mitarbeitern gepflegt habe. Der Stolz überwiegt. Die Leute, die gegangen sind, sind unterschiedliche Wege gegangen - in die komplette Selbstständigkeit wie etwa Stefan Hornung mit Squad, andere sind heute Geschäftsführer bei Versicherern und so weiter. Alle sind irgendwie ihren Weg gegangen und befinden sich heute teilweise auch auf der Kundenseite. Das macht es ja auch für uns manchmal einfacher. Das positive Momentum gilt bis heute. Das ist aber, glaube ich, auch dem geschuldet, wie man grundsätzlich mit den Leuten umgeht und sie in der Firma entwickelt hat.

Sie haben bei DJE in all den Jahrzehnten auch viel Pionierarbeit geleistet, gerade in den frühen 2000ern mit der eigenen KVG. Heute ist das Abenteuer Selbstständigkeit ja viel leichter, man hat viele Partner, bei denen man sich andocken kann. Sie haben damals trotzdem nicht gezögert, das alles auf sich zu nehmen. Wenn Sie heute nochmal 30 wären, würde Sie das nochmal reizen, so etwas ganz alleine aufzuziehen?

Schrieber: Da muss ich ein wenig ausholen: Als ich 2001 zu Dr. Jens Ehrhardt kam - ich war vorher Geschäftsführer der Credit Suisse Asset Management in Deutschland -, war ich Mitarbeiter Nummer zwölf und wir hatten 400 Millionen Euro an Assets. Das war gewissermaßen wie eine Selbstständigkeit. Wie ein Start-up, das jedoch schon ein paar Jahre am Markt war. Insofern kann ich diesen Schritt gut nachvollziehen.

Und, würden Sie heute den Sprung noch einmal wagen?

Schrieber: Ich würde ihn immer wieder gehen. Der Schritt in die komplette Selbstständigkeit wäre heute sogar noch einfacher. Es gibt Haftungsdächer, man kann Dinge outsourcen und auslagern und sich auf das konzentrieren, was man am besten kann. Das macht es heute so attraktiv. Und insofern kann ich jeden verstehen, der rausgehen möchte und die One-Man-Show sein will, von der Herr Mozer eben sprach. Ich würde diesen Schritt jedem ans Herz legen, der den Drive hat, eigenverantwortlich tätig zu sein.

Elmar Peters war früher bei Flossbach von Storch und machte sich dann selbstständig
Elmar Peters war früher bei Flossbach von Storch und machte sich dann selbstständig © Anna Mutter

Gehen wir mal zu Ihnen, Herr Peters. Sie waren lange bei Flossbach von Storch. Wenn man so lange bei einer so namhaften Adresse war, schwingt natürlich immer ein gewisser Druck mit. Wie gehen Sie damit um, gerade wenn man etwas Eigenes auflegt?

Elmar Peters: Ich habe das nie als Druck empfunden. Ganz im Gegenteil: Ich empfinde es als Freude darüber, eigene Ideen konsequent in unseren Produkten umsetzen zu können. Man steht ja nun einmal für eine bestimmte Art von Investieren und möchte diese umsetzen.

Sie machen einen Mischfonds in einem Markt voller etablierter Namen und großer Player, mit Herr Schrieber sitzt sogar einer neben Ihnen. Da muss man sich differenzieren und eine Nische finden. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Peters: Wir sind nicht gestartet und haben gesagt: Was machen andere in diesem Markt und wo müssen wir unsere Nische finden. Nein, wir sind Überzeugungstäter und stehen für unseren Investmentstil ein. Wir haben Grundwerte, dass wir zum Beispiel keine zu hohe Verschuldung bei Unternehmen akzeptieren. Wir wollen Unternehmen finden, die einen hohen Cashflow und einen Wettbewerbsschutz haben. Unternehmen, die vielleicht wieder ein bisschen kleiner sind, als das in den letzten Jahren möglich war. Diesen Investmentansatz haben wir viele Jahre lang beim alten Arbeitgeber umgesetzt und wollen das jetzt so weiterführen. Deswegen haben wir unsere eigene Gesellschaft gegründet und einen eigenen Fonds aufgelegt, in den wir auch unser eigenes Geld reingepackt haben.

Braucht es dafür eine andere Kommunikation als früher?

Peters: Absolut, es ist ein „back to the roots“ auf vielen Ebenen. Man fängt wirklich ganz von vorne an. Man besucht viele viele Kunden, führt Gespräche, erklärt die eigene Story, probiert zu überzeugen, wofür man steht und geht im Grunde den Weg, den wir alle vor vielen Jahren schon einmal gegangen sind.

Herr Schrieber, nochmal zu Ihnen. Als Sie 2001 zu DJE gekommen sind und alles mit aufgebaut haben: Welche Entscheidung aus dieser Startup-Phase würden Sie aus heutiger Sicht als naiv bezeichnen und was haben Sie daraus gelernt?

Schrieber: Es war vielleicht naiv - obwohl ich die Firma gut kannte - dass es nicht einmal Visitenkarten gab. Wenn der Kunde nicht weiß, wen er anrufen soll, wird es schwierig (lacht). Zum Glück hatte ich noch das Verzeichnis der 300 wichtigsten Journalisten im Rucksack.

Ein Wunder, wie man es 25 Jahre ohne Visitenkarten geschafft hat.

Schrieber: Ich sagte ja vorhin, es war im Grunde wie bei einem Start-up, obwohl die Firma schon bereits 30 Jahre existierte. Also wurde man erst einmal geerdet. Bis 2007 waren wir auf 75 Leute angewachsen. Und dann beginnt man, das Unternehmen zu strukturieren. Da kann nicht mehr jeder einfach vor sich hinwuseln.

Thorsten Schrieber ist Vorstandsmitglied bei DJE
Thorsten Schrieber ist Vorstandsmitglied bei DJE

Bis wohin kommt man denn mit diesem "Freestyle" und wann ist der Punkt, wo man realisiert: Jetzt wird es ein Unternehmen, jetzt braucht es andere Strukturen?

Schrieber: In dem Moment, als die ersten institutionellen Mandate kamen, war klar: Jetzt muss hier ein vernünftiges Setup rein. Jens Ehrhardt und ich waren uns ziemlich einig. Regulatorisch war das auch alles etwas einfacher damals. Wir professionalisierten uns an allen Ecken und Enden. Einige der Spezialfondsmandate von damals sind mittlerweile seit 20 Jahren bei uns im Haus, das freut uns natürlich. Aber bis dahin war es ein langer Weg.

Herr Mozer, gab es nach der Gründung einen Moment, wo Sie doch nochmal alles hinschmeißen wollten?

Mozer: Ich würde die Frage anders beantworten. Vom Prinzip her hatte ich mich 2010 schon einmal selbstständig gemacht. Ich hatte ein Family Office, das mir Räumlichkeiten und ein Setup zur Verfügung gestellt hätte. Aber dann ist meine Frau mit unserem ersten Kind schwanger geworden. Damals habe ich dann die Entscheidung getroffen - nachdem ich zufällig Alfred Platow kennengelernt hatte und bei Ökoworld ja auch alles wieder ins eigene Haus geholt wurde und quasi ein Neuaufbau anstand - dass ich in diesem sicheren Rahmen bleibe. Zusammen mit dem ersten Kind passte die Selbstständigkeit damals nicht.

Und jetzt ist die Basis eine andere?

Mozer: Jetzt im neuen Konstrukt mit dem nötigen Kapital gab es vom ersten Moment an bis zum Fondsstart keine Zweifel. Ich hatte im Hintergrund einige, die mir versicherten, mich zu unterstützen. Die haben alle Wort gehalten, es gab keinen, der nicht mitgemacht hat. Das war ein tolles Gefühl.

Was sind denn Ihrer Ansicht nach die Schlüsselfaktoren für den Erfolg in der Selbstständigkeit speziell im Asset Management? Warum schaffen es die einen besser als die anderen?

Mozer: Für mich sind die beiden Stichworte Resilienz und Beharrlichkeit. Man muss viel aushalten. Es ist ja auch so, dass man neben diesem Leben als Neu-Unternehmer vielleicht auch noch ein Familienleben hat, Freunde und ein soziales Umfeld. Das muss man alles quasi gut pflegen und intakt halten, die Dinge müssen zusammenpassen. Und auf der anderen Seite muss man auch viele Stresssituationen aushalten können und darf nicht alles auf seinen Schultern lasten lassen. Denn man darf das Wesentliche, eben eine gute Performance, nicht aus den Augen verlieren.

Peters: Ich habe das bei meinem alten Arbeitgeber erlebt, wie ein Unternehmen sehr schnell und dynamisch groß werden kann. Vielleicht bin ich heute auch noch ein bisschen naiv, aber ich glaube, es hat viele Jahre ganz gut funktioniert, wenn man authentisch ist und zu seinem Anlagestil und seinen Überzeugungen steht. Wir wollen authentisch sein, mit unserem eigenen Geld. Und damit finden wir dann hoffentlich auf Sicht nicht nur Kunden, sondern Mitstreiter, die in diese Produkte investieren.

Herr Schrieber, wie wichtig ist das richtige Timing bei einer Gründung - trotz allem Fleiß? Daran mangelt es ja wahrscheinlich keinem, der sich selbstständig macht. Dennoch bleiben manche ewig auf 20 Millionen Assets hängen und bei anderen läuft es besser.

Schrieber: Der Zeitpunkt spielt immer eine Rolle. Wenn ich an den 11. September 2001 zurückdenke, als ich bei DJE anfing; wer man an einem solchen Tag mit Aktieninvestments startet, hat man erst einmal eine schwierige Phase vor sich. Aber einmal zusammengefasst: Aus vielen Dingen, die wir in dieser Runde gesagt haben, geht hervor, dass man auch aus schwierigen Phasen gut herauskommt. Vorausgesetzt, man macht einen guten Job, bleibt authentisch, hat einen sinnvollen Ansatz und sticht vielleicht aus der Masse ein bisschen heraus.

Wie kann man denn als junger, selbständiger Fondsmanager gegen die Großen bestehen? Worauf kommt es da an - auf die Persönlichkeit, auf die Idee, auf Fleiß?

Schrieber: Ohne Fleiß geht es nicht. Aber es darf einfach kein „Me too“-Produkt sein. Man muss einen eigenen Ansatz und Stil haben und auch das nötige Maß an Persönlichkeit, um Überzeugungskraft zu leisten. Und wie ich schon sagte: Vernetzung. Herr Mozer sagte eben, er genoss ein hohes Maß an Vertrauen. Das ist der Ansatz für den zukünftigen Erfolg. Wenn man das alles ein wenig beherzigt, dann gelingt es auch.

Wie hat sich denn Ihr Führungsstil über die Jahre entwickelt und welche Lektionen in Bezug auf Leadership, Teamführung und Unternehmenskultur können Sie neuen Gründern mit auf den Weg geben?

Schrieber: Ich glaube, ich habe sicherlich nicht so einen ganz basisdemokratischen Führungsstil, wie er heute vielleicht gefordert wird. In Teams wie wir sie haben, mit Analysten, Sales-Leuten, sehr unterschiedlichen Charakteren - da muss schon auch jemand die Verantwortung haben und leiten und lenken. Das habe ich immer gelebt, bislang nicht ganz unerfolgreich. Das hat sich bewährt und so werde ich es auch nach vorne gerichtet weiterführen. Mehr Tipps habe ich da nicht parat.

Herr Peters, was hätten Sie sich in dieser Hinsicht vielleicht noch gewünscht aus der Zeit, als Sie bei einem großen Haus wie Flossbach von Storch waren - gerade mit den Erfahrungen, die Sie jetzt als Gründer machen?

Peters: Ich habe bei Flossbach ja viele Jahre das Multi-Asset-Team geleitet und da sind immer mehr Kollegen dazugekommen. Eine Veränderung dabei ist sicherlich, dass das am Anfang alles Leute waren, die sehr stark fachlich bezogen waren - denen ging es um die Sache. Später, als das Unternehmen größer wurde, kamen logischerweise auch Menschen dazu, denen es eher um eine ganz normale Karriere ging, weniger um die fachliche Expertise. Die strebten eine Führungskarriere an. Da muss man ein Setup finden, in dem man die Leute zusammenbringt. Das war mir immer wichtig. Ein paar Pole, die sich gegenseitig reiben, müssen schon sein. Aber man muss das Gefühl haben, dass man Teams schafft, die zueinander passen. Wenn man das Gefühl nicht hatte, haben wir auch lieber nochmal eine Runde mehr gedreht, nochmal gewartet, nochmal eine neue Ausschreibung gemacht, um die richtigen Leute zu finden.