Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Rückkehr der Inflation
Aktualisiert am 21.04.2021 - 14:01 Uhr
Jörn Quitzau ist Volkswirt und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends bei der Berenberg Bank. Foto: Berenberg Bank
In der zweiten Jahreshälfte 2020 rutschte die Inflationsrate in Deutschland in den negativen Bereich. Auch nach Ende des Lockdowns dürfte der Preisauftrieb erst mal moderat bleiben. Spätestens im Jahr 2023 steht jedoch eine Gezeitenwende an, ist Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau überzeugt.
Sobald jedoch die Restriktionen gelockert werden und die krisenbedingte Unsicherheit als Sparmotiv wegfällt, dürften nennenswerte Teile der zusätzlich angehäuften Ersparnisse wieder aufgelöst werden. Wenn sich diese zurückgestaute Kaufkraft entlädt, könnte es vor allem in den dann wieder zugänglichen Bereichen Tourismus, Kultur, Sport und Gastronomie zu temporär spürbaren Preisanstiegen führen.
Neben dem Einmaleffekt der aufgelösten Überersparnis dürfte mit Abklingen der Krise auch die Sparquote wieder zu ihrem langjährigen Durchschnitt zurückfinden. Dadurch würde wiederum der laufende Konsum zusätzlich gestützt.
Der Sparüberhang und die aufgestaute Konsumlust werden bei den Verbrauchern...
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Sobald jedoch die Restriktionen gelockert werden und die krisenbedingte Unsicherheit als Sparmotiv wegfällt, dürften nennenswerte Teile der zusätzlich angehäuften Ersparnisse wieder aufgelöst werden. Wenn sich diese zurückgestaute Kaufkraft entlädt, könnte es vor allem in den dann wieder zugänglichen Bereichen Tourismus, Kultur, Sport und Gastronomie zu temporär spürbaren Preisanstiegen führen.
Neben dem Einmaleffekt der aufgelösten Überersparnis dürfte mit Abklingen der Krise auch die Sparquote wieder zu ihrem langjährigen Durchschnitt zurückfinden. Dadurch würde wiederum der laufende Konsum zusätzlich gestützt.
Der Sparüberhang und die aufgestaute Konsumlust werden bei den Verbrauchern wohl auch zu einer höheren Zahlungsbereitschaft führen. Das wird es den Unternehmen erleichtern, höhere Kosten – etwa für Hygienekonzepte im Eventbereich – an die Kunden weiterzugeben. Höhere Zahlungsbereitschaften können auch in der Tourismusbranche zu steigenden Preisen führen, wenn wegen der Pandemie für einzelne Länder weiter Reisewarnungen gelten.
Die davon betroffenen Länder und Orte würden zunächst wahrscheinlich von den meisten Touristen gemieden, sodass die Touristenströme in die Urlaubsländer ohne Reisewarnungen umgelenkt werden.
Die Gesamtnachfrage würde sich dann auf deutlich weniger Urlaubsdestinationen als in normalen Zeiten konzentrieren und dort zu temporären Preissprüngen führen. Vor wenigen Jahren gab es eine ähnliche Situation, als wegen der angespannten Sicherheitslage in Teilen Nordafrikas und in der Türkei die betroffenen Länder von den meisten Urlaubern gemieden wurden. Die Urlauber buchten verstärkt in Mittelmeerländern wie Spanien und Italien, was dort zu spürbar höheren Preisen führte.
Kürzere Lieferketten
Mit der Pandemie rückte die potenzielle Fragilität der global vernetzten Wirtschaft in den Fokus. Um in Notlagen weniger abhängig von ausländischen Lieferanten und Produktionsketten zu sein, dürften Teile besonders kritischer Versorgungsgüter wieder stärker vor Ort produziert werden – auch wenn damit Effizienzvorteile der internationalen Arbeitsteilung nicht voll ausgeschöpft werden.
Was dabei in den Bereich strategisch wichtiger beziehungsweise kritischer Güter fällt, ist Ermessenssache der jeweiligen Staaten – der Gesamteffekt daher nur schwer abzuschätzen. Auch private Unternehmen dürften von allzu komplexen Produktions- und Lieferketten abrücken, um die Kontrolle über die eigene Produktion zu stärken. Unter dem Strich werden diese strategischen Aspekte die schon bestehenden Ansätze der De-Globalisierung verstärken. Dadurch verliert der preissenkende Effekt der Globalisierung an Kraft.
Insolvenzen und knapperes Angebot
Kurzfristig könnten steigende Unternehmensinsolvenzen zu einem knapperen Angebot führen. Je länger die Lockdowns andauern, umso mehr Unternehmen werden Schwierigkeiten bekommen, die Zeit des heruntergefahrenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens zu überbrücken. Einige von ihnen werden auf der Strecke bleiben. Die verbliebenen Marktakteure haben dadurch weniger Konkurrenz und eine größere Preissetzungsmacht.
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