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Nach Kehrtwende in der Verteidigungspolitik Rüstungsindustrie braucht Kapital

Truppenübungsplatz Munster in Niedersachsen
Truppenübungsplatz Munster in Niedersachsen: Die Bundeswehr soll – als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine – besser ausgestattet werden. | Foto: Imago Images / Björn Trotzki
Gottfried Urban
Foto: Urban & Kollegen

Der Ukraine-Krieg bewegt die Bundesregierung dazu, 100 Milliarden Euro als Sondervermögen für Investitionen und Rüstungsvorhaben zur Verfügung zu stellen. Der Staat soll auch Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.

Frieden schaffen ohne Waffen, lautet die Parole von gestern. Heute bekennen viele Politiker, sie hätten sich geirrt und Frieden sei nur mit Waffen zu schaffen. Die müssen nun erst einmal hergestellt werden. Doch mit welchem Geld? Von den Vertretern der Verteidigungsindustrie hörte man immer wieder, dass insbesondere deutsche Banken und Versicherungen abwinken: Eine Finanzierung von Rüstungsfirmen wolle man nicht mehr. Das Geschäftsmodell passe nicht mehr in die Ausrichtung von institutionellen Portfolios.


In der Praxis traf das nicht nur Rüstungsfirmen, sondern Unternehmen mit Schwerpunkt auf zivilem Geschäft, aber eben mit anteiligem Militärgeschäft. Rüstung und Verteidigung werden auf eine Stufe mit Tabak, Alkohol und Glückspiel gestellt. Solche Ausschlusskriterien führen dazu, dass der Zugang zu Kapital erschwert beziehungsweise teurer wird oder Firmen sich von Geschäftsbereichen gezwungenermaßen trennen, die zuvor Waffen oder Teile für die Rüstungsindustrie produziert haben.

Kehrtwende der Politik

Bisher war es politisch durchaus gewollt, dass die Finanzindustrie und auch die privaten Anleger ungern oder gar nicht an der Finanzierung von militärischen Projekten interessiert sein sollten. Doch nun ändert sich anscheinend die Einstellung zum Militär in Europa grundlegend.

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Interessant wird diese Meinungs-Kehrtwende unter dem Blickwinkel des ökologisch, sozialen und moralischen Investierens, entsprechend der englischen Übersetzung mit ESG abgekürzt (environmental, social, governance). Für die europäische Finanzindustrie gab es in den vergangenen zwei Jahren gefühlt einen Wettbewerb, wer sein Kunden- und Produktportfolio am schnellsten sauber bekommt. Jeder Geschäftsbericht, alle Imagebroschüren zeigten, dass man nur noch ESG-konforme Geschäfte machen wolle.


Banken überprüfen Geschäftsbeziehungen zu Rüstungsfirmen und bei bestehenden Portfoliostrukturen wurden oder werden alle Unternehmen verkauft, sobald der Anteil des Rüstungsgeschäftes einen bestimmten Prozentsatz übersteigt. Neue Finanzprodukte sollen nur noch unter dem Siegel der Nachhaltigkeit aufgelegt werden, Altprodukte werden umgebaut.

Nachhaltigkeitssiegel für Rüstung und Kernkraft?

Das Problem: Anders als bei der eher wissensbasierten digitalen Ökonomie sind militärische Projekte kapitalintensiv und müssen vorfinanziert werden. Und offenbar will Deutschland, will die EU künftig wieder verstärkt auf das Prinzip der Abschreckung setzen – egal, wie der Krieg in der Ukraine weiter verläuft.

Kommt es nach der Politik nun auch zu einem Umdenken in der Finanzindustrie? Atomkraft ist schon in weiten Teilen der EU als förderwürdig wieder anerkannt und bekommt Zugang zu günstigem Geld. Werden Waffen zur Friedenssicherung nun auch auf die höchste Taxonomiestufe gestellt? Zumindest werden wir die nächsten Wochen völlig neue Interpretationen dazu bekommen.


Über den Autor: Gottfried Urban ist Geschäftsführer von Urban & Kollegen Vermögensmanagement in Altötting.

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