Samira Harkat ist eine von 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die auf der diesjährigen DKM im Nachwuchswettbewerb um den Jungmakler Award antreten. Die 32-Jährige hat sich mit dem Maklerunternehmen Femininfinance selbstständig gemacht. Dort arbeiten neben Harkat selbst zwei weitere Beraterinnen sowie eine Mitarbeiterin für Backoffice-Tätigkeiten.
Im Interview spricht die Nachwuchsmaklerin über ihre Motivation, den Beruf Versicherungsmaklerin zu ergreifen, ihren Start in der Branche sowie die Vor- und Nachteile, die die Selbstständigkeit mit sich bringt.
DAS INVESTMENT: Hallo Samira, verrate uns mal, wie Du auf die Idee kamst, Maklerin zu werden.
Samira Harkat: Ich habe zunächst Wirtschaftsinformatik studiert. Klingt trocken, aber das hat mir die Augen geöffnet: Wir brauchen mehr Frauen in der Finanzwelt, die verstehen, wie die Systeme im Hintergrund funktionieren. Mein Studium hat mir das technische und analytische Wissen gegeben, die Finanzbranche aus einer anderen Perspektive zu betrachten – und sie zugänglicher und transparenter für Frauen zu machen. Die Finanzbranche hat mich fasziniert, aber gleichzeitig genervt – so viele veraltete Strukturen, so wenig Fokus auf die Bedürfnisse von Frauen. Schon bei meinen ersten Schritten wurde mir klar, wie groß der Bedarf an unabhängiger und verständlicher Beratung speziell für Frauen ist. Daher habe ich Femininfinance gegründet.
War Versicherungsmaklerin Dein Traumjob?
Harkat: Ganz ehrlich? Absolut nicht. Als Kind wollte ich entweder Goldschmiedin oder Konditorin werden – irgendwas mit Glitzer oder Zucker. Im Laufe der Zeit habe ich aber gemerkt, dass man, wenn man Frauen wirklich fundiert in finanziellen Fragen beraten will, das Versicherungsthema nicht ausklammern kann. Ich sehe mich nicht als „Versicherungstante“, sondern als umfassende Finanzberaterin, die Frauen hilft, ihre finanzielle Zukunft auf ein solides Fundament zu stellen. Versicherungen sind dabei ein Baustein, einer von vielen.
Wie bist Du in die Branche gekommen?
Harkat: Über Umwege. Während meines Studiums habe ich ein Praktikum in einem Vertrieb gemacht, weil ich die Finanzwelt mal von innen sehen wollte – quasi undercover. Aber die Standardsätze und vorgefertigten Konzepte fand ich langweilig. Der Fokus auf die wirklichen Fragen und Herausforderungen, die Frauen haben, fehlte komplett. Also wollte ich das selbst in die Hand nehmen und habe mein Unternehmen gegründet.
„Ich dachte anfangs: Einmal im Jahr Steuererklärung – das wird schon“
Unter welchen Bedingungen hast Du Dich selbstständig gemacht?
Harkat: Ich bin da eher leichtsinnig hineingerutscht als mit dem vollen Wissen, was auf mich zukommt. Am Anfang meines Studiums musste ich irgendwie Geld verdienen, weil ich klar die goldene Karte für „Kein Bafög für dich“ gezogen habe. Die Wahl war, entweder arbeiten zu gehen oder auf die Bildung zu verzichten. Ich habe mich für den harten Weg entschieden: drei Jobs parallel und ein Vollzeitstudium. Die Jobs natürlich auf Gewerbeschein. Und schwupps, war der Schein angemeldet, und ich war offiziell selbstständig. Der Moment, in dem man diesen Fragebogen beim Finanzamt ausfüllt und sich denkt: „Ich hoffe, ich mache das richtig.“ Ich dachte mir: Einmal im Jahr Steuererklärung – das wird schon.
Aber Du hast vermutlich nicht gleich als Maklerin angefangen.
Harkat: Nein, meine ersten Aufträge waren Promotionsjobs im Telekommunikationsbereich – nicht gerade glamourös, aber es hat funktioniert. Außerdem technischer Support und am Wochenende Barkeeperin. Tagsüber brave Studentin und abends die, die Cocktails mischt und über den einen oder anderen schlechten 80er-Hit lacht.
Wie viel Freizeit war dabei drin?
Harkat: Zwischendurch war auch Zeit für die eine oder andere Studentenparty. Das Leben sollte schließlich auch Spaß machen.
Als Du in den Maklerjob kamst, hast Du da schon Kunden mitgebracht?
Harkat: Nein. Woher auch.
Hattest Du Unterstützung bei der Finanzierung?
Harkat: Nein, ich hatte keinen Kredit und keine Investorinnen oder Investoren im Hintergrund. Ich habe es low-budget gelöst: Was ich nicht konnte oder nicht einkaufen konnte, habe ich mir selbst beigebracht oder improvisiert. Zeit in mein Humankapital investiert. Kein Kredit, keine Finanzierung – nur ein gutes Cashflow-Management, realistische Ziele und die Bereitschaft, die Extrameile zu gehen.
Welche Vorteile siehst Du darin, selbstständig zu sein?
Harkat: Die Liste könnte endlos sein. Aber endlich mein eigenes Ding zu machen, ist der größte Gewinn. Niemand, der mir erzählt, dass ich „noch ein bisschen mehr Lächeln“ in den Kundentermin bringen soll. Niemand, der mir erklärt, warum „das Konzept so nicht geht“. Es ist mein Raum, mein Business, und ich entscheide, wie es läuft.
Es ist auch einfach schön, morgens um 10 mit einem Kaffee und im Pyjama an meinen Strategien zu feilen. Nicht die klassische Vorstellung von Selbstständigkeit, aber ich kann mich so zeigen, wie ich bin, und das umsetzen, was für mich und Femininfinance funktioniert. Wenn ich mal an einem Mittwoch um 15 Uhr beschließe, im Park frische Luft zu schnappen, mache ich das. Das macht es so besonders.
Gibt es auch negative Seiten?
Harkat: Vor einem Jahr hätte ich wahrscheinlich noch laut „Nein“ gesagt und behauptet, dass alles wunderbar läuft. Jetzt muss ich ehrlich sein – ich habe vor etwa einem halben Jahr ein Baby bekommen, und plötzlich sieht die Welt ein bisschen anders aus. Hochschwanger den Alltag zu managen und mit einem Neugeborenen alles im Griff zu haben – no way. Das braucht nicht nur eine gute Planung, sondern auch einen Plan B, C und D.
Dann höre ich aus meinem Umfeld: „Na, läuft’s wieder?“ Halb Mitleid, halb Bewunderung. Ich habe mir vorher allerdings einen genauen Plan gemacht und mich rechtzeitig um Vertretung gekümmert. Es war kein Sprung ins kalte Wasser, sondern ein Sprung mit Sicherheitsnetz – aber eben auch mit der Bereitschaft, flexibel zu bleiben und anzupassen, wenn es nötig ist.
„Wir sind als Beraterinnen-Kollektiv aufgestellt“
Wie viele Stunden pro Woche arbeitest Du?
Harkat: Ich trete übergangsweise etwas kürzer, um mich auf meine Familie zu konzentrieren. Ab 2025 geht es wieder richtig los, und dann wird es wohl so sein wie vorher: Offiziell arbeite ich so um die 30 bis 40 Stunden, inoffiziell ist es etwas zwischen „Ich arbeite immer“ und „Ich manage zwischen Baby-stillen, Zoom-Meetings und Sprachnachrichten meine To-dos“. In der Selbstständigkeit muss man flexibel sein. Manchmal komme ich vielleicht wirklich auf 30 Wochenstunden, manchmal sind es eher 60 sind, weil alles gleichzeitig passieren muss.
Schilder mal bitte Dein Geschäftsmodell.
Harkat: Femininfinance ist spezialisiert auf die ganzheitliche Finanzberatung und finanzielle Bildung für Frauen mit akademischem Hintergrund, beginnend ab dem Bachelor-Abschluss. Wir möchten Frauen vom Berufseinstieg bis zur Planung der Rente begleiten und sie dabei unterstützen, finanzielle Unabhängigkeit und Freiheit zu erreichen. Die Bedürfnisse ändern sich im Laufe des Lebens. Wir bieten umfassende, individuelle Lösungen an, egal ob es um Altersvorsorge, Vermögensaufbau oder Absicherung geht.
Wir sind als Beraterinnen-Kollektiv aufgestellt und bieten Expertise in verschiedenen Bereichen wie Immobilienberatung, Vorsorgeplanung und Versicherungen an. Außerdem sind wir digital unterwegs: Unsere Kundinnen können sowohl auf persönliche Beratung als auch digitale Formate zurückgreifen, um flexibel und ortsunabhängig beraten zu werden. So sind wir immer erreichbar und bieten unsere Dienstleistungen zeitgemäß und effizient an.
Was machst Du, wenn Kunden etwas verlangen, was Du nicht anbietest?
Harkat: Wir sind keine Alleskönner, und das wollen wir auch nicht sein. Zum Beispiel ist Buchhaltung oder Steuererklärung nicht unser Ding. Dafür haben wir Kooperationspartner, die wir auf Herz und Nieren prüfen, bevor wir sie weiterempfehlen. Wenn etwas noch ins Finanzthema hineinspielt, aber komplett außerhalb unseres Bereichs liegt, sagen wir das auch klar. Wir arbeiten im Zweifel aber auch mit einem externen Dienstleister zusammen, den die Kundin sich ausgesucht hat. Das gesamte Konzept soll passen.
Wie betreibst Du Kundenakquise?
Harkat: Meistens finden unsere Kundinnen uns. Entweder sie stolpern über eine unserer Anzeigen, entdecken uns beim Scrollen durch Social Media oder hören von uns durch Empfehlungen.
Hast Du vor allem eine junge Kundschaft?
Harkat: Unsere Zielgruppe und Spezialisierung bringen es mit sich, dass wir vor allem Frauen betreuen, die sich in einer frühen oder mittleren Karrierephase befinden – also oft jüngere Kundinnen. Aber das Alter ist für uns nicht entscheidend. Wichtig ist, dass unsere Kundinnen Lust haben, ihre Finanzen aktiv zu gestalten und sich weiterzubilden, unabhängig davon, ob sie 25 oder 45 sind.
Welche Rolle spielt Social Media für Dich beruflich?
Harkat: Social Media ist für mich ein Gamechanger. Es ist nicht nur ein Kanal, um sichtbar zu sein, sondern auch eine Plattform, um Frauen zu erreichen, die nach Unterstützung in der Finanzwelt suchen. Ich teile dort mein Wissen, will Mythen aufbrechen und eine Community aufzubauen, die sich für finanzielle Bildung interessiert. Wir können dort offen und ohne Tabus über Geld sprechen. Manchmal ist es auch einfach ein bisschen Unterhaltung, um die trockenen Finanzthemen aufzulockern. Ich will die Kluft zwischen „Finanzen sind kompliziert“ und „Geld kann Spaß machen“ überbrücken. Das geht am besten über Social Media.
Duzt oder siezt Du Deine Kunden?
Harkat: Wir duzen uns! Das sorgt sofort für eine entspannte Atmosphäre. Bei jeder Anmeldung schicken wir eine Mail, in der wir erklären, wie wir mit dem Gendern und dem Duzen umgehen. Wir fragen direkt, ob das für unsere Kundinnen okay ist oder ob wir es für die Zusammenarbeit anders definieren wollen. Alle sollen sich wohlfühlen. Das fängt für mich nicht nur beim Duzen an, sondern auch bei der Verpflichtung, diesen offenen Umgang tatsächlich zu leben.
Wie hoch ist der Anteil zwischen digitaler Kommunikation und Gesprächen mit Kunden vor Ort?
Harkat: Bei uns liegt der Anteil an digitaler Kommunikation bei etwa 95 Prozent. Das ermöglicht uns, flexibel zu sein und schnell auf Fragen zu reagieren. Wir bieten auch persönliche Gespräche an, wenn es nötig ist. Die digitale Kommunikation hat sich aber als unser Hauptkanal etabliert, weil sie einfach zeitgemäß ist.
Ein Tipp für einen „alten Hasen“ der Branche?
Harkat: Hey, alter Hase, du bist den jungen Wilden in vielen Dingen tatsächlich voraus. Deine jahrelange Erfahrung und das wertvolle Wissen sind unbezahlbar. Bleib offen für Neues und schau dir innovative Ansätze an – nicht alles, was glänzt, ist Gold, aber manches ist wirklich der Hammer! Das heißt nicht, dass du dein bewährtes System über Bord werfen musst – never change a running system, oder? Lass uns aber ehrlich sein: Auf Papier-Anträge können wir wirklich verzichten. Es gibt mittlerweile smarte Lösungen, die alles viel einfacher machen. Nutze die Technologie, um deine Prozesse zu optimieren, und sei gleichzeitig offen für frische Ideen. Ein bisschen frischer Wind kann nie schaden.

