Sandra Holdsworth, Kames Capital „Der Fed-Leitzins sagt nicht die ganze Wahrheit“
In den USA sind die Zinssätze im Moment stark in Bewegung. Das mag einer der unzähligen Gründe für die Verunsicherung vieler Anleger sein. Doch die Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve wurde gut kommuniziert und entspricht voll und ganz dem, was angekündigt worden war.
Die Fed hat bereits im Oktober vergangenen Jahres verlauten lassen, dass sie mit der lang erwarteten Reduzierung ihrer Bilanz beginnt und Überschussreserven im Finanzsystem abbaut. Diesen Prozess können sich Investoren folgendermaßen vorstellen: Die US-Notenbank verkauft Anleihen zurück ins Bankensystem, die dann von den Banken erworben werden. Dadurch sinken die Liquiditätsreserven, die Institute halten oder in Geldmarktinstrumenten platzieren müssen.
Gleichzeitig hat sich das Angebot an diesen Instrumenten drastisch erhöht. Infolge der Diskussionen um die Schuldenobergrenze für das Jahr 2018 hat das US-Finanzministerium im Februar und März des laufenden Jahres die Emission eigener Anleihen massiv angekurbelt. Zudem legt die neu verabschiedete Steuerreform US-Unternehmen die Anleiheemission statt einer Finanzierung über Barbestände ausländischer Tochtergesellschaften nahe.
US-Kreditzinsen steigen schneller als die Leitzinsen
Der Leitzins der Fed ist zum ersten Mal seit der Finanzkrise kein guter Indikator für die Finanzsituation in den USA. Wie die Tabelle unten zeigt, sind die Kreditzinsen im Jahr 2018 bis dato doppelt so schnell gestiegen wie die Leitzinsen. Kein Wunder also, dass Investoren nervös sind: Das letzte Mal konnte man eine derartige Entwicklung während der Finanzkrise beobachten.
Diesmal ist der rasche Anstieg der Kreditzinsen jedoch nicht auf Solvenzprobleme zurückzuführen. Das Plus wurzelt vielmehr im Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Der Effekt sollte nachlassen, sobald sich die Differenz verringert.