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SBU-Tarife: Qualität steigt weiter, Preisproblem auch

Die Rating-Agentur Franke und Bornberg (F&B) hat erneut Selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherungen (SBU) in der sogenannten dritten Schicht untersucht. Für das „SBU-Rating 2024“ kamen 123 Tarife von 55 Versicherern auf den Prüfstand. Außerdem schauten sich die Analysten Produkte in der arbeitgeberfinanzierten BU-Versicherung und der Erwerbsunfähigkeitsversicherung an.
Schwaches Neugeschäft
Zunächst liefern die Analysten einen Überblick über die Marktlage: 2022 erreichte das Neugeschäft mit SBU-Policen mit 416.000 Neuverträgen gerade einmal das Niveau des Jahres 2015. Und das, obwohl in Deutschland immer mehr Menschen einer Arbeit nachgehen. Auf 45,9 Millionen Erwerbstätige kommt ein Bestand von gerade einmal 5,63 Millionen selbstständigen Invaliditätsrenten sowie weitere 11,11 Millionen Zusatzrenten. Damit habe die Versicherungswirtschaft ihr Klassenziel verfehlt, urteilt F&B. Eigentlich seien die Voraussetzungen für die Sparte der Arbeitskraftsicherung hervorragend, schließlich reiche die gesetzliche Erwerbsminderungsrente im Fall der Fälle als alleinige Vorsorge nicht.
Kritik an den Prämien für körperlich Tätige
An der Produktqualität liege es nicht, wenn der BU-Absatz hinter dem Bedarf zurückbleibt. „Seit unserem ersten Tarifrating im Jahr 1995 werden BU-Tarife immer leistungsfähiger“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer von Franke und Bornberg. Die Freude werde allerdings durch ungleiche Chancen auf bezahlbaren Versicherungsschutz getrübt. „Insbesondere für Akademiker wird das Angebot seit Jahren nicht nur besser, sondern noch günstiger", soi Franke.
Wer körperlich arbeitet, muss sich den teuren BU-Schutz hingegen vom Mund absparen. Ob Krankenschwester, Pfleger, Busfahrer oder Handwerker – gerade jene Berufe, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, fallen durchs Raster. „Für eine Positionierung der Branche als eine ergänzende Säule der Sozialsysteme reiche das bei weitem nicht aus“, so Franke. Die Produktentwicklung solle sich stärker auf breitentaugliche SBU-Tarife konzentrieren. Eine immer stärkere Ausdifferenzierung der Berufsbilder biete hingegen keine Lösung. „Je differenzierter die Berufe, umso mehr Verlierer wird es geben. Was einige an Prämie sparen, zahlen andere drauf“, sagt Franke.
So funktioniert die Methodik
Wie gut SBU-Tarife tatsächlich sind, bewertet das Rating anhand von 73 Einzelkriterien. Diese blieben 2024 gegenüber den Vorjahren unverändert. Seit 2021 fließt der Map-Report „Stabilitätsrating der Berufsunfähigkeitsversicherer“ in die Bewertung ein. Hier finden auch Schadenquoten, Kennzahlen und die Kalkulation ihren Niederschlag. Auf diese Weise werde den steigenden Ansprüchen an eine nachhaltige Arbeitskraftsicherung Rechnung getragen, die schnell dem harten Preiswettbewerb zum Opfer fallen können.
Als Quellen für das Rating werden nach Unternehmensangaben ausschließlich die Versicherungsbedingungen sowie gegebenenfalls verbindliche Verbraucherinformationen, Antragsformulare, Versicherungsscheine, Geschäftsberichte und per Stichprobe verifizierte Daten genutzt. Die Testkandidaten wurden zunächst dahingehend überprüft, in welchen Ausprägungen beziehungsweise Varianten welche Detailleistungen und Einzelregelungen angeboten werden. Die Qualität der jeweiligen Regelungen wurde in einem nächsten Schritt auf einer Skala von null für die schlechteste Ausprägung bis 100 für die beste Ausprägung eingeordnet. Danach wurden die einzelnen Leistungskriterien entsprechend ihrer Bedeutung aus Kundensicht gewichtet.
Die Klassen sind den Angaben zufolge „in ihrer Bandbreite so bemessen, dass geringfügige, für die Praxis unerhebliche Punktunterschiede nicht zur Einstufung in eine andere Klasse führen. Zusätzlich werden Mindeststandards berücksichtigt“. Weitere Informationen zur Methodik der Untersuchung sind in den Bewertungsgrundlagen nachzulesen. Am Ende des Bewertungsverfahrens ergibt sich für jedes Produkt eine Gesamtwertung und damit die Zuordnung in eine der sieben Ratingklassen von „FFF+“ (hervorragend) bis „F-“ (ungenügend).
Deutlich mehr Top-Tarife in der SBU
Was die Ergebnisse angeht, ist im Vorjahresvergleich der Anteil der Top-Tarife FFF+ nochmals sehr deutlich auf jetzt 56,91 Prozent gestiegen. Weitere 17 Prozent erreichen die zweithöchste Note „FFF“ (sehr gut). Eine schlechtere Wertung als die Note „FF+“ (gut) erhalten nur 12,20 Prozent der Tarife. Die beiden schlechtesten Ratingklassen bleiben unbesetzt. Die Ergebnisse, nach Gesellschaften und 193 Tarifvarianten aufgelistet, gibt es hier. Neu hinzukommende Tarife und Tarifänderungen werden laut F&B laufend aktualisiert.

BU-Direktversicherungen qualitativ noch besser
Das Angebot für betriebliche BU-Versicherungen ist deutlich geringer. Nur 40 Prozent aller BU-Versicherer (25 Gesellschaften) bieten Tarife zur SBU über den Arbeitgeber. Dabei gilt laut F&B gerade dieses Marktsegment als zukunftsfähig. BU-Direktversicherungen dienen Arbeitgebern als wichtiges Unterscheidungsmerkmal bei der Personalsuche und verhelfen Beschäftigten zum bezahlbaren Versicherungsschutz. Auf der Qualitätsskala rangieren SBU über den Betrieb ganz weit oben. 62,5 Prozent der untersuchten Tarife erhalten die Auszeichnung „FFF+“. Insgesamt sind vier von fünf Tarifen sehr gut oder besser. Hier bleiben sogar die drei untersten Klassen unbesetzt. Die Ergebnisse, nach Gesellschaften und 33 Tarifvarianten aufgelistet, gibt es hier.

Erwerbsunfähigkeitsversicherungen mit Nischendasein
Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) gilt als logische Alternative zur BU-Versicherung, so die Studienautoren. Sie zahlt meist, wenn Versicherte krankheitsbedingt weniger als drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, egal, aus welchem Grund. Doch nur ein Dutzend Versicherer haben die EU noch im Portfolio. „Anders als die Grundfähigkeitsversicherung leistet ein EU-Tarif bei jedem Auslöser. Psychische Erkrankungen, die immer relevanter werden, sind hier umfassend abgesichert. Daher ist es unverständlich, dass so wenige Versicherer auf die EU setzen“, sagt Franke.
Die Qualität kann laut F&B überzeugen. Zum Zeitpunkt des Ratings gibt es nur sehr gute (66,67 Prozent) oder sogar hervorragende Tarife (33,33 Prozent). Drastisch ist der Rückgang der geprüften Offerten, die im Vergleich zu 2019 von 31 auf 15 zurückging. In den vergangenen ein bis zwei Jahren hielt sich die Anzahl zumindest auf niedrigem Niveau. Die Ergebnisse, nach Gesellschaften und 18 Tarifvarianten aufgelistet, gibt es hier.

Zielgruppenkonzepte für Beamte auf dem Vormarsch
Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit bei Franke und Bornberg, beobachtet neben immer besseren Tarifen seit einiger Zeit den Trend zu Zielgruppenkonzepten. Insbesondere die 1,75 Millionen Beamten hätten es den Versicherern als attraktive und vor allem wachsende Zielgruppe angetan. Als Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb um diesen Personenkreis diene die Dienstunfähigkeitsklausel (DU-Klausel). Aktuell haben 22 Gesellschaften eine solche Klausel im Angebot.
Anders als bei Berufsunfähigkeit ist für Dienstunfähigkeit kein bestimmter Grad einer Einschränkung notwendig. Ob Dienstunfähigkeit vorliegt, entscheidet allein der Dienstherr. „Einen echten Mehrwert bietet die DU-Klausel nur, wenn sich der Versicherer ohne Wenn und Aber dem Votum des Dienstherrn anschließt. Das ist jedoch nur bei Top-Klauseln der Fall“, sagt Wedekind. Am kundenfreundlichsten sei eine DU-Klausel mit „Günstiger-Prüfung“. Sie zahle auch, wenn zwar keine Dienstunfähigkeit, aber eine mindestens 50-prozentige Berufsunfähigkeit vorliege, so Wedekind.
Verzicht auf konkrete Verweisung ist kritisch
Ein anderes Angebot bewertet Wedekind hingegen skeptisch: den Verzicht auf die konkrete Verweisung. Die Folgen seien kaum absehbar und damit auch nur schwer zu kalkulieren. „Schon jetzt ist das BU-Geschäft für viele Versicherer nicht mehr sehr lukrativ. Jeder weitere ungewisse Leistungsauslöser kann die Bestände belasten und zu Überschusssenkungen und damit zur Anpassung der Zahlbeiträge führen.“ In welchem Umfang dies im Markt anzutreffen ist, gab F&B jedoch nicht an.