Chefvolkswirt Carsten Mumm
Schafft Deutschland den Aufbruch?
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel. Foto: Donner & Reuschel
Corona-Pandemie, Klimakrise, Demographie: Die neue Bundesregierung muss schnell Lösungen für drängende Probleme finden. Carsten Mumm, Chefvolkswirt von Donner & Reuschel, gibt einen Überblick.
Mithilfe der Digitalisierung erhält die Gesellschaft das Individuum in seiner informationellen Selbstbestimmung, begrenzt die Marktmacht der Plattformen und nutzt Daten für mehr Inklusion und Partizipation. Ein souveränes Europa verteidigt die Werte der liberalen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft, ist führend in der humanen Nutzung neuer Technologien und Pfeiler einer multilateralen Weltordnung.
Auf dem Weg zu einem solchen Zielbild stellen sich bedeutsame Fragen, die handlungs- und entscheidungsleitend sein können: Wie schaffen wir nachhaltige, resiliente und generationengerechte Wirtschaftssysteme, welche Formen des Wohlstands und welches Verständnis von Fortschritt benötigen...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Mithilfe der Digitalisierung erhält die Gesellschaft das Individuum in seiner informationellen Selbstbestimmung, begrenzt die Marktmacht der Plattformen und nutzt Daten für mehr Inklusion und Partizipation. Ein souveränes Europa verteidigt die Werte der liberalen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft, ist führend in der humanen Nutzung neuer Technologien und Pfeiler einer multilateralen Weltordnung.
Auf dem Weg zu einem solchen Zielbild stellen sich bedeutsame Fragen, die handlungs- und entscheidungsleitend sein können: Wie schaffen wir nachhaltige, resiliente und generationengerechte Wirtschaftssysteme, welche Formen des Wohlstands und welches Verständnis von Fortschritt benötigen wir, wie bewahren wir dabei Souveränität, individuelle Freiheit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Gerechtigkeit? Große Umbrüche und Transformationsprozesse werfen genau diese grundsätzlichen Fragen auf und erfordern größere Weichenstellungen und politische Gestaltung, nicht das Klein-klein eines fortgesetzten und nur auf kurzfristige Stabilisierung des Status quo ausgerichteten Krisenmanagements.
Die Politik muss im Gegenteil substanzielle Antworten geben und in den entsprechenden Politikfeldern Weichenstellungen vornehmen:
- Die Frage der Souveränität: Mit einer aktiveren Außen- und Sicherheitspolitik gilt es, die strategische Souveränität Deutschlands und Europas in einer Welt der geopolitischen Verschiebungen zu stärken sowie gleichermaßen wertebasierte Allianzen (zum Beispiel mit den USA) und kooperative Strukturen (zum Beispiel mit China und Russland) zu erneuern.
- Die Frage der Resilienz: Mit einer Reform des öffentlichen Sektors gilt es, den Staat zu modernisieren, die Verwaltung zu digitalisieren und die Handlungsfähigkeit der Institutionen zu erhöhen.
- Die Frage der Nachhaltigkeit: Mit einer langfristig kalkulierbaren Regulierung müssen für private Investitionen in den Schutz von Klima und Natur Planungssicherheit und Rentabilität geschaffen werden.
- Die Frage des Wohlstands: Mit einer offensiven Innovations- und Forschungspolitik müssen neue Technologien gefördert und gleichzeitig der Unternehmungsgeist gestärkt werden.
- Die Frage der Finanzierung: Mit einer klugen Finanzpolitik müssen einerseits heutige Investitionsspielräume genutzt und gleichzeitig insbesondere die Sozialversicherungssysteme (Rente, Pflege und Gesundheit) demografiesicher gestaltet werden.
- Die Frage der Gerechtigkeit: Eine wirksame Sozialpolitik muss das Aufstiegsversprechen durch Bildung erneuern, Bildungsungerechtigkeit abbauen und den Vermögensaufbau fördern.
- Die Frage der Glaubwürdigkeit: Um Glaubwürdigkeit für die großen Transformationsprozesse und Umbrüche zurückzugewinnen, muss die Politik den fortgesetzten Krisenmodus verlassen und zu nachhaltiger Zukunftspolitik zurückkehren.
Die Zeit ist reif – Die Politik muss handeln
In den Wahlprogrammen der Parteien findet sich dazu nur sehr Unkonkretes. Zwar gibt es eine hohe Übereinstimmung in den Zielen, zielführende Konzepte und deren Finanzierung aber werden kaum dargestellt. Letztlich entscheidend für die künftige politische Ausrichtung sind aber ohnehin die Inhalte des Koalitionsvertrags und der Wille sowie die Fähigkeit der künftigen Bundesregierung, diese auch umzusetzen. Es gilt, den bevorstehenden Wandel mit Plan und Konzept zu gestalten, den politischen Willen dafür aufzubringen und die notwendigen rechtlichen, regulatorischen und institutionellen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die dafür wesentlichen Ansätze sind:
- Den Status-quo nicht länger zu verteidigen, sondern Mut für Veränderungen aufzubringen.
- Die politische und regulatorische Umsetzung der Transformation zu beschleunigen.
- Langfristige Transformationspfade zu gestalten und Übergänge zu schaffen.
- Konsistente und konkrete Konzepte zu entwickeln.
- Innovation auszulösen und unternehmerische Freiräume zu schaffen.
- Akzeptanz zu schaffen und sozialen Zusammenhalt zu sichern.
Politik muss zur Bewältigung der Aufgaben groß genug denken. Dafür sind neue Ziel- und entsprechende Anreizsysteme gefragt. Das bedeutet aber keinesfalls, dass mehr Staat und weniger Markt notwendig sind. Im Gegenteil: Die Effizienz und Innovationskraft des Marktes sind unverzichtbarer Teil der Lösung. Der Staat muss zur Umsteuerung jedoch verlässliche Rahmenbedingungen schaffen und in seinen Kernfunktionen handlungsfähiger werden. Eine langfristige Ausrichtung der Politik eröffnet erst die Möglichkeit, strategisch zu agieren. Das ist vor dem Hintergrund der geopolitischen Konflikte in der Welt wichtiger denn je. Auf die nächste Bundesregierung warten demnach vier entscheidende Jahre – entscheidend für die nächsten Jahrzehnte.
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