Hannah Ritzmann
06.03.2023

Alternative Investments Back in Black: Eignen sich Schallplatten als Wertanlage?

Ein Mann hält sich eine Schallplatte vor das Gesicht
Ein Mann hält sich eine Schallplatte vor das Gesicht: Ob sich Schallplatten als Wertanlage lohnen, zeigt ein Besuch im Plattenladen Ju-Ju Trumpet.
© Fotomontage, Jessica Hunold, Canva
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Amy Winehouse, The Who und Marvin Gaye starren einen an, wenn man durch eine kaum befahrene Seitenstraße in Hamburg-Eppendorf schlendert. Der Laden, dessen Schaufenster mit Albumcovern der berühmten Musiker gepflastert ist, steht voller Regale. Drinnen stapeln sich Kisten über Kisten. Den Rest des Raums füllen die jazzigen Klänge eines Klaviers. „The Magic of Ju-Ju von Archie Shepp ist meine einzige unverkäufliche Schallplatte“, sagt Michael Grüßing, Besitzer des daran namentlich angelehnten Plattenladens Ju-Ju Trumpet. Mit dem Sammeln habe er bereits in jungen Jahren angefangen. Heute weiß der gebürtige Friese nicht mehr so genau, wie viele Platten er eigentlich besitzt.

Der Plattenladen Ju-Ju Trumpet
Der Plattenladen Ju-Ju Trumpet in Eppendorf. © DAS INVESTMENT

Trotzdem stehen sie alle zum Verkauf – alle – außer die eine eben. „Eine extra Sammlung habe ich nicht, ich dachte mir: Ganz oder gar nicht“, gibt Grüßing zu. Den Schritt vom Hobby ins Business wagte der Musikliebhaber 2018. Nachdem er lange Zeit auf dem Chefsessel namhafter Unternehmen gesessen hatte, brauchte er einen Tapetenwechsel.

Was an seinem Laden besonders ist: Seine große Auswahl an Jazz-Interpreten. Was ihm anfangs schwerfiel: Sich von seinen Schätzen zu trennen. Und was er heute weiß: Sie gehen in die Hände anderer Liebhaber.

Schallplatten feiern Comeback

Denn bereits seit geraumer Zeit steht fest: Die Schallplatte feiert ihr Comeback. Seit 2003 steigen die Verkäufe der Vinyls beinahe kontinuierlich. Zu einem regelrechten Boom kam es jeweils 2015 und 2020. Die Musikindustrie verkaufte in diesen Jahren fast 1 Million mehr Platten als im Vorjahr. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt 4,5 Millionen Vinyls verkauft. Das führte in den vergangenen 15 Jahren auch zu einem Anstieg der Umsätze – von 6 Millionen Euro auf 118 Millionen Euro.

 

 

Was sich dagegen nicht geändert hat: Die richtig teuren Platten bleiben Klassiker, wie eine Analyse der teuersten Schallplatten-Verkäufe des Musikmagazins Musikexpress zeigt:

  • Auf dem dritten Platz befindet sich Elvis Presleys erste Aufnahme „My Happiness – That's When Your Heartaches Begin“ aus dem Jahr 1953. Verkauft wurden sie für 300.000 US-Dollar.
  • Den zweiten Platz machte ein Beatles-Album mit der Seriennummer 0000001. Es brachte 790.000 US-Dollar ein, weil es die persönliche Kopie des Beatles-Schlagzeugers Ringo Starr war. 
  • Den höchsten Preis zahlte jedoch Ex-hedgefonds-Manager Martin Shkreli für eine frisch gepresste Platte. Shkreli ersteigerte 2015 die einzige Kopie des Albums „Wu-Tang Clan – Once Jupon a Time in Shaolin“ für 2 Millionen US-Dollar – welche damit den ersten Platz belegt. Und verscherzte es sich direkt bei einigen Hip-Hop-Fans. Denn der Unternehmer ließ niemand anderen reinhören. Heute sitzt Shkreli wegen Betrugs im Gefängnis, weshalb die Platte Medienberichten zufolge in neue Hände übergegangen ist. Hip-Hop-Fans dürfen nun wieder hoffen, brauchen jedoch Geduld: Der ursprüngliche Vertrag sieht vor, dass die LP mindestens 88 Jahre nicht kommerziell veröffentlicht wird.
 

Platte ist nicht gleich Platte

Auch in Grüßings Laden stapelt sich alt neben neu. „Doch wenn man Geld verdienen möchte, dann geht das nur über Secondhand“, erklärt der Vinyl-Experte. Denn als unabhängiger Plattenladen könne man bei Neuerscheinungen mit den Preisen von Online-Händlern wie Amazon und JPC einfach nicht mitgehen.

Die teuerste Platte, die er jemals verkauft habe, lag zwischen 400 Euro und 450 Euro. Die wertvollen Stücke verkaufe er aber ausschließlich online. „Im Laden habe ich maximal Platten bis 50 Euro“, gibt er zu. Weil die wenigsten lassen beim Bummeln mal eben mehrere Hundert Euro für eine LP liegen. Das machen meist Sammler und da gilt: Platte ist nicht gleich Platte. Wichtig ist für Vinyl-Fans,

  • um welche Pressung es sich handelt,
  • aus welchem Land sie stammt und
  • wie der Zustand ist

In einem kleinen Laden lässt sich das allerdings schwer abbilden. Aber wenn nicht dort, wo dann? Beim Kauf und Verkauf setzt Grüßing auf die Onlineplattform Discogs, seiner Meinung nach eine der besten Online-Handelsplätze für Vinyls. „Wer den Wert einer Platte einschätzen will, kann dort schauen“, empfiehlt er. Mit dem Portal bestimmt auch er die Preise für seine Secondhand-Ware. Neben bereits aufgerufenen Preisen können Interessierte auch Angebot und Nachfrage einsehen. Außerdem müssen Händler alle wichtigen Details der Platte angeben, wie Seriennummer und Zustand.

Wie definiert sich der Zustand einer Schallplatte?

Nach folgenden Kriterien bestimmt der Vinyl-Experte den Zustand der LPs: „Ich höre sie mir in aller Regel an – aber man sieht es meist schon von außen, ob sie gepflegt sind oder nicht“, erklärt Grüßing. Im Schallplatten-Fachjargon wird dann unterschieden zwischen:

  • Mint: Neu und eingeschweißt
  • Near Mint (+/-): Lediglich ein- bis zweimal abgespielt – also so gut wie neu
  • Very Good (+/-): Tadellos spielbar
  • Good: Deutliche Gebrauchsspuren
  • Fair: Kaum mehr anzuhören
  • Poor: Nicht mehr zu gebrauchen

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„Secondhand-Platten unterhalb des Zustands Very Good kaufe ich schon gar nicht mehr“, erklärt Grüßing. Denn Verkäufer, die ihre gebrauchten Platten loswerden wollen, neigen oft dazu, den Zustand ihrer LPs besser einzuschätzen, als er ist. Und beschädigte Ware könne er nicht brauchen. Aus diesem Grund hört Grüßing jede Platte, die er verkauft, einmal durch, um sie nach Scheppern, Sprüngen oder Knirschen zu prüfen. Dabei dreht er sich zu seinem Plattenspieler und wendet die LP, die bereits seit einigen Minuten stillsteht. Mit geübten Griff setzt er die Nadel auf die Platte und das Klavierspiel beginnt erneut. „Für viele Vinyl-Fans ist der Sound das Wichtigste“, erklärt er weiter. Dabei sagen Kenner Schallplatten einen wärmeren und volleren Ton nach, als CDs.

Michael Grüßing
Michael Grüßing vergleicht Schallplatte (links) mit CD (rechts). © DAS INVESTMENT

Der Klang sei aber nur ein Grund, weshalb Musikliebhaber Vinyls kaufen, fügt der frühere Sammler hinzu. Dabei schnappt er sich eine LP und eine CD und hebt sie zum Vergleich hoch: „Schau dir den Unterschied an – die ganze Haptik ist einfach viel schöner.“ Außerdem sei es auch wichtig, sich in einer schnelllebigen Welt mal bewusst für etwas Zeit zu nehmen. Während man CDs oder Streams oft einfach weg konsumiert, macht man sich nach dem Auflegen einer Schallplatte auch mal eine Flasche Rotwein auf und genießt einfach die Musik.

Vor allem junge Kunden würden das oft als Kaufgrund anführen – auch wenn sie in seinem Laden die Ausnahme sind. Schuld daran ist für ihn unter anderem die Musikindustrie, denn der Einkaufspreis einer Platte ist in den vergangenen Jahren um etwa 30 Prozent gestiegen: „Der Durchschnittspreis liegt heute bei 25 bis 30 Euro, was für einen jungen Menschen viel Geld sein kann.“ Laut Grüßing haben die Preise derart angezogen, da die Nachfrage größer ist als die Kapazitäten der Presswerke. Und die Inflation hat ihr Übriges getan.

 

 

Die Jagd nach den limitierten Editionen

Das Fehlen des jungen Publikums auf dem Vinyl-Markt hat nichts mit der Musik zu tun. Denn viele Künstler bringen ihre neuen Alben schon seit einiger Zeit wieder als Platte raus. Dabei sind es jedoch oft besondere Stücke: „Heutzutage möchte man alles limitieren“, erklärt Grüßing. Um Begehrlichkeiten zu wecken, setzen Plattenfirmen auf unterschiedliche Farben und eine begrenzte Stückzahl. Wenn die LPs ausverkauft sind, ist es schwierig, sie wiederzubekommen. Durch die begrenzte Kapazitäten der Presswerke werden sie oft erst nach einem Jahr nachproduziert.

 

 

Im März komme eine neue Platte der US-amerikanischen Pop-Sängerin Lana Del Rey raus, erzählt Grüßing. Bereits jetzt seien manche Farbpressungen vergriffen – obwohl die Platte noch nicht mal auf dem Markt ist. Er selber hatte keine Chance eine zu ergattern, da Plattenfirmen die Vinyls nur an bestimmte Anbieter vertrieben haben. „Wer aber Glück hat und so eine bekommt, der kann vielleicht in fünf Jahren schauen, wie sich der Preis entwickelt hat“, so Grüßing. Denn wer sich Schallplatten als Wertanlage zulegt, sollte vor allem eins haben: einen langen Atem. Schnell steigen die Vinyls nämlich nicht im Wert. Wenn man nach fünf Jahren nachschaut, sei der Preis vielleicht um ein Drittel gestiegen, meint Grüßing. Dabei sollte man jedoch laut dem LP-Experten bedenken: Oft spiele sich die Wertsteigerung im unteren Preissegment ab – also beispielsweise von 25 Euro auf 29,95 Euro.

Lohnen sich Schallplatten als Wertanlage?

„Ich glaube, dass Schallplatten eine Wertanlage sein können, aber man muss sich auskennen und Geduld mitbringen“, fasst Grüßing zusammen. Außerdem sollten Platten-Fans berücksichtigen: Secondhand-Stücke sind heute schon teuer, um sie später dann noch teurer weiterzuverkaufen, müsse man erstmal die richtigen Käufer finden – und dann habe man auch nur eine Platte verkauft. Grundsätzlich sei aber gesagt: Platten werden dann wertvoll, wenn sie alt und gesucht oder neu und stark limitiert sind.

Trotzdem ist sich der ehemalige Sammler sicher: „Reich wird niemand mit Schallplatten.“ Was für viele aber kein Problem sei, denn für die meisten Vinyl-Fans gehe es um die Musik. Wer aber versuchen möchte, ein paar Unikate zu ergattern, der hat möglicherweise am Record Store Day am 20. April 2023 Glück, denn da geben Plattenfirmen besonders limitierte LPs an unabhängige Plattenläden heraus – die dann nicht im Internet zu bekommen sind. „An diesen Tagen stehen die Leute manchmal vor meinem Laden Schlange“, erklärt Grüßing und schließt: „Wer sich für Schallplatten als Wertanlage interessiert, sollte sich Zeit nehmen – wie bei jedem guten Investment.“

 

 

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