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Schlagwort mit Fragezeichen Die „finanzielle Freiheit“ ist ein Mythos

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Wie sieht es aus mit Existenzgründung als Route zur finanziellen Freiheit, wie sie uns in FF-Mutation Nr. 3 empfohlen wird? Existenzgründung heißt aus der Sicht von Gary Becker, einem Wirtschaftsnobelpreisträger: Risikoarmes Humankapital mit begrenztem Upside- und Downside-Potential aus dem Angestelltendasein wird in risikoreiches Humankapital mit weniger begrenzten Up- und Downsides aus Unternehmertätigkeit transformiert. Hierzu einige simple statistische Fakten: Für etwa 90 Prozent aller Existenzgründungen heißt es innerhalb von fünf Jahren Game Over. Wahrscheinlich weitere 90 Prozent der verbleibenden 10 Prozent führen zu einem Einkommen für den Gründer, das langfristig zwar nicht höher ist als das eines leitenden Angestellten in der gleichen Branche, dafür aber arbeitsintensiver, stressiger und risikoreicher.  Was das mit "Freiheit" zu tun haben soll, erschließt sich uns nicht einmal auf den zweiten Blick.

Ganz besonders lustig finden wir das Konzept des "passiven Einkommens". Nehmen wir an, Maria, in einer ländlichen Gegend lebend, möchte passives Einkommen erzielen, aber eines, das diesen Namen verdient, also nicht nur ein besseres Taschengeld. Maria peilt dabei keineswegs ein überehrgeiziges Niveau an, sondern "nur" das schon erwähnte Durchschnittseinkommen eines Deutschen von 1.600 Euro netto im Monat. Es soll jedoch nicht aus Angestelltentätigkeit kommen – das wäre ja "aktives" Einkommen und zudem Einkommen, das mit einem unsympathischen Chef einherginge. Maria hat sich deshalb in verschiedenen FF-Büchern und -Blogs Immobilien-Know-How angelesen. [2] Sie träumt von einem "Zinshaus", einem Mehrfamilienhaus, das sie vermietet und von dessen "passiven" Erträgen sie in der Folge leben kann. Nun fängt Maria an zu rechnen. Um Mieteinnahmen von 1.600 Euro im Monat, also 19.200 Euro im Jahr zu generieren, braucht sie zunächst einmal Investitionskapital. Sie unterstellt – ein klein wenig optimistisch – eine langfristige Mietrendite von 4 Prozent nach Steuern und Kosten. Daraus ergibt sich ein Investitionsbetrag von 480.000 Euro. Besäße sie das als Eigenkapital, wäre der Fall geritzt. Maria hat allerdings nur 50.000 Euro und müsste den Rest auf Pump finanzieren.

Die Konsequenz: Jeder Euro von den 480.000 Euro, der über ein Darlehen beschafft wird, trägt zu einer unmittelbaren Senkung der 1.600 Euro im Monat bei, die Maria anvisiert und zwar für 10 bis 30 Jahre. Bei einem sehr günstigen Kredit mit einer Effektivverzinsung von nur 2 Prozent, bedeutet das anfangs eine Halbierung der 1.600 auf 800 Euro im Monat. Die Moral von der Geschicht': Um passives Einkommen zu erzielen, selbst in der eher bescheidenen Größenordnung, die Maria für sich gewählt hat, muss man schon vorher reich sein. Wie war das mit finanziell frei werden? Ganz zu schweigen davon, dass ein Mehrparteienmietshaus zu erwerben und zu bewirtschaften keine "passive" Beschäftigung ist, sondern ganz bürgerlich-altmodisch und uncool harte aktive Arbeit bedeutet, oft am Samstag und manchmal am Sonntag. [3]

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So entpuppt sich der Begriff des passiven Einkommens bei näherer Betrachtung als Quacksalbermedizin, die im besten Fall nicht hilft und im schlechtesten Fall den Patienten vorzeitig unter die Erde bringt. Herrlich klar und nüchtern hat das Caleb Hill in seinem Büchlein: "The Passive Income Myth" dargestellt. [4]

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