Finanzexperte Maurice Höfgen
Putins wunder Punkt
Aktualisiert am 21.03.2022 - 10:13 Uhr
Maurice Höfgen ist Referent für Finanzpolitik im Bundestag. Foto: Maurice Höfgen
Die Sanktionen gegen die russische Zentralbank treffen Putin hart. Warum das so ist und was wir daraus über Geld und Macht lernen können, erklärt Finanzexperte Maurice Höfgen.
Die Sanktion ist auch eine Lektion über das Geldsystem und monetäre Souveränität. Wer in fremder Währung agiert, sitzt immer am kürzeren Hebel, wer in eigener Währung agiert, sitzt am längeren Hebel. Dass Russland viele Euro-Guthaben und viele Anleihen von Euro-Ländern besitzt, wird jetzt zu Russlands Problem.
Im Mainstream wurde das in der Vergangenheit anders gesehen. Da wurden Gruselgeschichten darüber erzählt, dass die Halter von Staatsanleihen sehr mächtig und die Staaten von deren Wohlwollen abhängig seien. China und die USA sind hier das klassische Beispiel. China hat einen Exportüberschuss gegenüber den USA. Das führt dazu, dass China viele US-Dollar-Guthaben besitzt und diese...
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Die Sanktion ist auch eine Lektion über das Geldsystem und monetäre Souveränität. Wer in fremder Währung agiert, sitzt immer am kürzeren Hebel, wer in eigener Währung agiert, sitzt am längeren Hebel. Dass Russland viele Euro-Guthaben und viele Anleihen von Euro-Ländern besitzt, wird jetzt zu Russlands Problem.
Im Mainstream wurde das in der Vergangenheit anders gesehen. Da wurden Gruselgeschichten darüber erzählt, dass die Halter von Staatsanleihen sehr mächtig und die Staaten von deren Wohlwollen abhängig seien. China und die USA sind hier das klassische Beispiel. China hat einen Exportüberschuss gegenüber den USA. Das führt dazu, dass China viele US-Dollar-Guthaben besitzt und diese zu einem großen Teil in US-Staatsanleihen investiert.
Warum? Weil Staatsanleihen mehr Rendite bringen als Zentralbankguthaben. Aus der Tatsache, dass China viele US-Anleihen besitzt, folgerten Ökonomen und auch mehrere US-Präsidenten, ja auch Barack Obama, China finanziere die USA und könne die USA in finanzielle Probleme bringen. Das ist falsch.
Das einzige, was China mit den US-Dollar-Guthaben machen kann: in den USA einkaufen. Sprich: Die US-Dollar, die sie für ihre Exporte in die USA bekommen haben, für Importe aus den USA wieder auszugeben. Was aber, wenn die USA nicht will? Was aber, wenn die USA die Konten einfriert? Die USA haben die Güter aus China geliefert bekommen und verbraucht, für die Chinesen hart gearbeitet haben, und China?
China hat lediglich Bankguthaben im US-Bankensystem bekommen. Ob sie dafür in Zukunft auch US-amerikanische Güter bekommen, entscheidet die USA. China spielt im Sandkasten der USA, nicht andersherum - das ist das Wichtige hier.
Russland hat die Erfahrung jetzt gemacht. Russland hat Gas geliefert und Bankguthaben im Eurosystem bekommen, die jetzt eingefroren werden. Wer gegen fremde Bankguthaben exportiert, geht ein Risiko ein. Wer gegen eigene Währung importiert, macht ein gutes Geschäft. Souverän ist, wer viel in eigener Währung machen kann und über die Regeln im eigenen Geldsystem bestimmt.
Souverän ist der währungsherausgebende Staat, unsouverän sind alle anderen währungsnutzenden Akteure – ob aus dem In- oder aus dem Ausland. Dass Wirtschafts- und Handelspolitik geostrategische Relevanz haben, ist nicht neu. Wer das aber nutzen möchte, muss sein Geldsystem im Griff haben und verstehen. Das scheint nicht immer der Fall zu sein.
Zum Schluss noch eine andere wichtige Lektion, die aus dieser Einsicht folgt. Nämlich: Wenn von Kapitalflucht die Rede ist und damit Geld gemeint ist, dann kann das nie bedeuten, dass das Land, aus dem das „Kapital flieht“, danach weniger Geld hat. Die Bankguthaben bleiben bestehen, sie wechseln nur den Eigentümer. Das kann den Preis (Wechselkurs) beeinflussen, aber nicht die Menge. Das ist also ein Mythos.
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