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Schroders zur Inflation Notenbankgeld nutzt weder Haushalten noch Unternehmen

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Automatisierung statt Lohnanstieg

Ein weiteres Argument zugunsten des Inflationswachstums ist, dass Covid-19 den bereits bestehenden Trend zur „Deglobalisierung" – und damit den Aufwärtsdruck auf die Inflation – beschleunigen könnte. Denn: Um ihre Lieferketten gegen Ausfälle zu sichern, könnten Unternehmen auf kleinere, aber geografisch breiter gestreute Fertigungsstrukturen setzen und gleichzeitig wieder größere Lagerbestände halten. Beides verringert jedoch die Effizienz und erhöht die Kosten, die die Unternehmen an ihre Kunden weitergeben – was wiederum zu einem Preisanstieg führt. Auch im Dienstleistungssektor wird die Arbeitsproduktivität geringer und damit die Lohnkosten höher: Durch soziale Distanzierung verringert sich die Kundenfrequenz im Einzelhandel, in der Gastronomie oder etwa bei Fluggesellschaften. Dies könnte zu höheren Preisen und einer geringeren Produktion führen – es droht eine Stagflation, bei der ein geringeres Wirtschaftswachstum mit einer höheren Inflation einhergeht. Infolge einer geringeren Migration könnte sich zudem das Lohnwachstum beschleunigen, da dadurch das Angebot an Arbeitskräften abnimmt. Besonders stark werden hiervon Volkswirtschaften wie Großbritannien betroffen sein.

Aber auch hierzu gibt es einen Gegentrend: die zunehmende Automatisierung. Die Technologie ist und bleibt eine stark deflationäre Kraft und erfuhr während der Pandemie Aufwind. Um robustere Lieferketten aufzubauen, ohne an Effizienz einzubüßen, werden sich Unternehmen zunehmend auf die Automatisierung und insbesondere die Kombination von Robotik und künstlicher Intelligenz konzentrieren. Solche Maßnahmen könnten auch das Problem eines potenziellen Arbeitskräftemangels infolge einer geringeren Migration lösen. All das wird Zeit brauchen, aber letztlich könnte der erhöhte Einsatz von Technologie zu mehr Produktivität in der Wirtschaft und zu niedrigeren Preisen führen. Unmittelbar gesehen schreitet der deflationäre Effekt der Technologie unaufhaltsam voran: Laut Empirical Research Partners hat Amazon sein Kapazitätswachstum beschleunigt, um die während der Pandemie gestiegene Nachfrage zu bedienen.

Schuldenabbau durch Inflation?

Alle Faktoren, die mittelfristig auf einen gewissen Aufwärtsdruck für die Inflation hindeuten, sollten jedoch im Kontext einer schwächeren Nachfrage bewertet werden. Laut Prognosen des Internationalen Währungsfonds dürften die Staatsschulden der G20-Industrienationen in diesem Jahr mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Wenn die Regierungen die massive Staatsverschuldung abbauen müssen, die sie während der Pandemie angehäuft haben, wird das die Konjunktur erheblich belasten. Neben zunehmenden Anforderungen an die Staatsfinanzen wird das unweigerlich dazu führen, dass Regierungen Inflation erzeugen werden, um ihre Schuldenlast zu erodieren – zumindest scheinen viele das zu denken.

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Denn: Weder haushaltspolitische Einsparungen noch Steuererhöhungen werden politisch durchsetzbar sein, insbesondere angesichts des zunehmenden populistischen Drucks. Die Regierungen werden folglich keine andere Wahl haben, als die Geldpressen anzuwerfen und ihre Defizite direkt zu finanzieren, so die Erwartung.

Ein solches Ergebnis ist durchaus möglich, wäre jedoch ein bedenklicher Schritt. Er würde das Ende der unabhängigen Zentralbanken und Inflationsziele einläuten und die Moderne Geldtheorie (Modern Monetary Theory, MMT) und fiskalische Souveränität würden Zentralbanken und die von ihnen verfolgte Geldpolitik ersetzen. Der Verlust unabhängiger Zentralbanken wäre kritisch. Oder wie der Internationale Währungsfonds IWF an einem ähnlichen Punkt im letzten Wirtschaftszyklus korrekt anmerkte: „Unsere Analysen lassen vermuten, dass eine anhaltende geldpolitische Lockerung kaum Folgen für die Inflation haben dürfte, solange die Inflationserwartungen verankert bleiben. Dafür ist jedoch ausschlaggebend, dass die Unabhängigkeit der Zentralbanken gewahrt wird."

Unseres Erachtens ist finanzielle Repression ein besserer Weg zum Schuldenabbau als Inflation. Ferner erfreut sich die Inflation nie politischer Popularität – das zeigen die Erfahrungen in den 1970er Jahren in Großbritannien und in zahlreichen Schwellenländern. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung und der politischen Bedeutung der Wählerstimmen aus der Gruppe der Rentner trifft dies aktuell mehr denn je zu, denn Rentner trifft die Inflation besonders empfindlich. Wer sich also eine höhere Inflation zur Lösung des Schuldenproblems wünscht, sollte sich die möglichen Konsequenzen genau vor Augen führen.

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