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Schuldenkrise: „Der Folterkasten des Staates für Investoren ist gut gefüllt“

Philipp Vorndran, Flossbach von Storch, auf dem Forum für <br>Family Offices und Private Banking in Hamburg
Philipp Vorndran, Flossbach von Storch, auf dem Forum für
Family Offices und Private Banking in Hamburg
DAS INVESTMENT.com: Die Schuldenkrise grassiert– wie kommen wir da wieder raus?

Phillip Vorndran
: Wir haben folgende Hypothesen. Es ist unrealistisch, die Schuldenkrise alleine durch Sparbemühungen oder durch Wachstum zu lösen. Auch ist nur für kleine Volkswirtschaften, wie Griechenland oder Portugal, eine Umschuldung wahrscheinlich. Die anderen hoch verschuldeten Staaten müssen in den nächsten Jahren eine Kombination von Maßnahmen ergreifen, die wir unter dem Begriff der finanziellen Repression zusammenfassen. So könnte es ihnen gelingen, über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren ihr Schuldenniveau auf 50 Prozent relativ zum Bruttoinlandsprodukt zurück zu führen.

DAS INVESTMENT.com
: Welche Maßnahmen meinen Sie genau?

Vorndran
: Im Wesentlichen geht es darum, die Zinsen für Staatspapiere deutlich unter der Inflationsrate zu halten, und damit für möglichst lange Zeit negative Realzinsen zu kreieren. Damit Ihnen bei solchen Realrenditen nicht die Investoren weglaufen, müssen sie natürlich auch die Investitionsfreiheit speziell der institutionellen Anleger einschränken, die Regulation wird sie in Staatsanleihen gefangen halten. Hinzu können Kapitalverkehrskontrollen und das Verbot der Anlage in bestimmten Anlageklassen, etwa in Gold, kommen. So halten sie die Finanzierungskosten des Staates tief. Um die Einnahmen zu erhöhen, erwarten wir Steuererhöhungen in allen Facetten, von der Reichen-, Vermögens- bis zu EU-Solidaritätssteuern, ebenso wie diverse Gebührenanpassungen.

DAS INVESTMENT.com
: Griechenland ist also pleite?

Vorndran: Darüber besteht kein Zweifel, Griechenland ist ökonomisch unrettbar. Wir analysieren Staaten genau wie Unternehmen. Wir ziehen von den Einnahmen eines Staates die Ausgaben ab und erhalten so das Zinspotenzial eines Staates (Primärüberschuss). Griechenland wird für die nächsten Jahre maximal einen Überschuss von 5 Milliarden Euro erwirtschaften können. Wenn wir unterstellen, dass die Hellenen 5 Prozent Zinsen für ihre Schulden zahlen müssen, können sie also maximal 100 Milliarden Euro finanzieren. Sie haben aber inzwischen fast 360 Milliarden Euro Schulden, 2014 werden es über 400 Milliarden Euro sein. Daraus können Sie den notwendigen Haircut selbst errechnen: 75 Prozent. Nur so kann man Griechenlands Solvenz wieder herstellen. Jeder, der Bilanzen analysieren kann, weiß längst: Griechenland ist nicht zu retten.

DAS INVESTMENT.com: Selbst wenn die Schulden verschwinden, hat sich an der Wirtschaftstruktur des Landes noch nichts geändert.

Vorndran: Stimmt, denn es bleibt ja noch das Problem der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit. Das löst sich nur bei einem Austritt aus dem Euro – Marshall-Plan hin oder her. Wir können uns gut vorstellen, dass im Laufe des Jahres 2012 die Lage in Griechenland so eskaliert, dass es dort zu einer politischen Umwälzung kommen wird und die Griechen eigenhändig das „Diktat Brüssels“ ablegen und die Drachme wieder einführen werden.

DAS INVESTMENT.com: Ein Staatsbankrott für Griechenland ist demnach nur noch eine Frage der Zeit – was ist mit den anderen größeren Krisenstaaten, Beispiel Italien?

Vorndran: Die Italiener könnten es aus eigener Kraft hinbiegen, eventuell mit temporärer Hilfe der EU. Die Frage ist, was ist eine Bevölkerung bereit, an sozialpolitischer Härte durchzuhalten, um das Ziel Euro zu verteidigen? Wenn man sich die Bilanz in Italien ansieht, dann erhalten wir dort wohl einen Primärüberschuss von 40 Milliarden Euro in 2013. Aber es müssen dann auch fast 2.000 Milliarden Euro an Schulden finanziert werden. Da klafft ein riesen Loch. Bei 5 Prozent Zinsen müssten die Italiener eigentlich auf einen Primärüberschuss von mindestens 100 Milliarden Euro kommen. Das sehen auch die Kapitalmärkte, wenn der italienische Zinssatz über 7 Prozent steigen sollten oder die Europäische Zentralbank (EZB) in einer Woche 40 Milliarden Euro an Staatsschulden aufkaufen müsste, dann würde die Ampel dort auf rot springen.

DAS INVESTMENT.com: Wie kann man dem entgegen wirken?
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