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Pilnys Asia Insights Welche Rolle Pakistan in der globalen Schuldenkrise spielt

China-Pakistan Foreign Ministers Strategic Dialogue in Islamabad, Pakistan
China-Pakistan Foreign Ministers Strategic Dialogue in Islamabad, Pakistan. | Foto: Imago Images / Xinhua

41 Länder sind bis zur Halskrause verschuldet, das sagt der Internationale Währungsfonds (IWF). Und das beinhaltet noch nicht einmal Länder mit mittlerem Einkommen wie Pakistan oder Sri Lanka.

Mit Chinas Aufstieg zum größten bilateralen Kreditgeber für Entwicklungs- und Schwellenländer hat sich die Lage verschlechtert. Das Reich der Mitte verzögert multilaterale Bemühungen, die Schulden von Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen umzustrukturieren und erklärt sich nur widerwillig mit Umschuldungsprogrammen einverstanden.

Häufig besteht China darauf, den Schuldnerländern gerade genug Geld zu leihen, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können. Würde der IWF zu diesen Bedingungen Mittel bereitstellen, würde ein Teil von ihnen lediglich als Tilgung an China zurückfließen, was diesem dann zu einem Vorteil gegenüber anderen Geberländern verhelfen würde.

IWF-Programme können deshalb erst umgesetzt werden, wenn sich alle Gläubiger auf Umschuldungsbedingungen geeinigt haben. So konnte Sri Lanka monatelang keine Mittel vom IWF erhalten, weil sich die Chinesen geweigert hatten, einen Teil ihrer eigenen Kredite abzuschreiben. Stattdessen wollten sie Sri Lanka noch mehr Geld leihen, um dem Land zu ermöglichen, damit seine bisherigen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen - was seine Gesamtverschuldung bei China erhöht hätte. Inzwischen hat sich China mit einigen Ländern geeinigt, und die IWF-Mittel können fließen.

Aber viele weitere verschuldete Länder müssen sich nach den Bedingungen der IWF-Programme immer noch reformieren.

 

Drohender Zahlungsausfall Pakistans

So hat Pakistan nur noch einen Monat Zeit, um den Internationalen Währungsfonds zufrieden zu stellen, bevor das festgefahrene Hilfsprogramm ausläuft. Doch gerade jetzt trüben Reibereien zwischen der Regierung und dem Fonds die Aussichten. Pakistan kann es sich nicht leisten, den Fonds zu verärgern. Der IWF hat bisher 3,9 Milliarden US-Dollar der geplanten Unterstützung an Pakistan gezahlt, das nun darum kämpft, die neunte Überprüfung des Programms zu bestehen, um eine Tranche von fast 1,2 Milliarden US-Dollar freizugeben.

Bis Ende Juni müssten insgesamt 11 Überprüfungen bestanden werden, um den gesamten Restbetrag zu erhalten. Pakistan würde ein Zahlungsausfall drohen, wenn es sich nicht ein weiteres IWF-Paket für das im Juli beginnende nächste Haushaltsjahr sichert. Pakistans Währungsreserven waren Mitte Mai auf etwa 4,2 Milliarden US-Dollar gesunken. Das reicht nur für etwa einen Monat an Importen.

Ohne eine IWF-Vereinbarung ist es Pakistan praktisch unmöglich, Kredite zur Rückzahlung seiner externen und internen kommerziellen Finanzierungsverpflichtungen aufzunehmen. Die externen Finanzierungsverpflichtungen belaufen sich im kommenden Haushaltsjahr auf 25 Milliarden US-Dollar.

Wie im benachbarten Sri Lanka im vergangenen Jahr zu beobachten war, würde ein Staatsbankrott zu Engpässen bei Lebensmitteln, Medikamenten und Energie führen. Ebenso zu einer Hyperinflation, die die sozialen Unruhen sowie einen Anstieg des Terrorismus noch verstärken würde.

Der pakistanische Finanzminister Dar hat zwar bestritten, dass das Land in naher Zukunft zahlungsunfähig werden könnte. Doch zwischen den Erwartungen des IWF und der Leistung Pakistans klafft noch immer eine große Lücke. Eine langfristige Lösung für Pakistans wirtschaftliche Probleme können nur politische Strukturreformen sein, die den Griff der Elite auf die staatlichen Ressourcen lockert. Die Aussichten auf ein IWF-Rettungspaket sind daher in hohem Maße von politischer Stabilität abhängig, weshalb rechtzeitige Wahlen so wichtig sind.

Doch das militärische Establishment befindet sich nun in einem Kräftemessen mit dem gestürzten Premierminister Imran Khan, der behauptet, die Armee versuche, seine Partei Pakistan Tehreek-e-insaf (PTI) zu zerschlagen, indem sie führende Politiker verhaften lässt und sie zum Austritt drängt. Das pakistanische Militär befehligt mehr als 600.000 Soldaten, und hat damit nach China, Indien und Nordkorea die viertgrößte Armee in Asien – noch vor Südkorea und Vietnam. Das Militär hat Pakistan seit der Unabhängigkeit im Jahr 1947 wiederholt direkt regiert. Angriffe gegen das Militär gelten daher politisch als rote Linie.

 

Politische Unruhen in Pakistan

Imram Khan hatte seit seiner Absetzung als Premierminister immer wieder Generäle beschuldigt, in eine Verschwörung gegen ihn verwickelt zu sein. Während seiner Amtszeit von 2018 bis 2022 verhängte auch Khan Ausreiseverbote über mehrere Oppositionspolitiker. Seit er durch ein Misstrauensvotum im April 22 gestürzt wurde, wirft ihm die Justiz immer wieder Korruption, Geldwäsche und Beleidigung einer Richterin vor. Der 70-Jährige hofft auf ein politisches Comeback angesichts der Parlamentswahlen im Herbst.

Die Spannungen zwischen ihm und dem Militär kochten am 9. Mai über, als Khan wegen zahlreicher Korruptionsvorwürfe verhaftet wurde, die er alle bestreitet. Als Reaktion zertrümmerten seine Anhänger Symbole und Denkmäler, die mit der Armee in Verbindung stehen, durchbrachen die Tore des Hauptquartiers in Rawalpindi und setzten das Haus eines hochrangigen Kommandeurs in Lahore in Brand, das ebenfalls im militärischen Kernland der Provinz Punjab liegt. Damit stellen sie eine Institution in Frage, die tief im Gefüge der pakistanischen Gesellschaft verankert ist. Das Militär verfügt nach wie vor über den Hauptanteil des Staatshaushalts selbst in der schweren Wirtschaftskrise mit hoher Inflation und schrumpfenden Devisenreserven.

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Abgesehen von der Politik sind die wirtschaftlichen Interessen des Militärs auf ein System zurückzuführen, das von der britischen Armee übernommen wurde und in dem Soldaten im Ruhestand Land zugeteilt wurde, um ihre Loyalität zu erhalten oder zu belohnen - wie einstmals im Römischen Reich. Unter den aufeinanderfolgenden Kriegsrechtsregimes wuchs der wirtschaftliche Einfluss auf Immobilien und unzählige andere Bereiche. So spielt die Frontier Works Organization, das Ziviltechnik- und Bauunternehmen der Armee, eine wichtige Rolle beim Bau der Infrastruktur im Rahmen des 50 Milliarden US-Dollar schweren chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors.

Das Frachtunternehmen der Armee, National Logistics Cell, wickelt 55 Prozent der Rohöltransporte ab. Der Army Welfare Trust betreibt Unternehmen, die von Banken über Zement bis hin zur Landwirtschaft reichen. Kein Wunder, dass das militärische Establishment die Bedrohung durch Khan nicht auf die leichte Schulter nimmt. Angesichts des Drucks haben sich zahlreiche hochrangige Abgeordnete öffentlich von Khan losgesagt und Khan selbst gab zu, dass er durch die Festnahmen und Überläufer „ziemlich isoliert“ sei, und warnte vor „dem Ende unserer Demokratie“. Sicher hat der islamistische Populist noch immer Millionen von Anhängern, von denen einige der großen Armee selbst angehören. Das Militär hat jedoch Mittel, um mit abtrünnigen Militärangehörigen und Zivilisten gleichermaßen umzugehen.

So etwa durch die Vorenthaltung von Pensionen und Sozialleistungen. Junge Männer fühlen sich nach wie vor von den Vorteilen der Armee angezogen, wie zum Beispiel kostenloses Wohnen, ein stabiles Gehalt, ein Hochschulabschluss und eine Rente - besonders attraktiv in Zeiten, in denen Pakistans Wirtschaft am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht und es eine massive Arbeitslosigkeit gibt. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Machtkampf entwickelt und womöglich zu einem Bürgerkrieg wird.

In jedem Falle hat das 230-Millionen-Einwohner-Land und Atommacht Pakistan eine große geopolitische Bedeutung, die als Rivale von Indien und Freund von China noch gesteigert wird. 

 

Pakistan bleibt Chinas Verbindung in die westliche Welt

Die britischen Kolonialherren teilten Indien, bevor sie es verließen. 1947 wurden aus einem Land zwei Länder: das muslimische Pakistan und das mehrheitlich hinduistische Indien. Die neue Grenze verlief über mehrere Indus-Zuflüsse. 1948, wenige Monate nach der Unabhängigkeit von Großbritannien, stellte Indien Pakistan das erste Mal das Wasser ab. Alle wichtigen Ströme Asiens entspringen in dieser Gegend.

China hat die strategische Bedeutung von Wasser aus dem Himalaya und den Zugang zum Persischen Golf längst erkannt und seine Suche nach Basen an den neuralgischen Punkten beschleunigt. So ist am Zugang zum Roten Meer in Djibouti, unweit des amerikanischen Camp Lemonnier, seit 2022 sein erster größerer Marinestützpunkt in Übersee in Betrieb.

Der sogenannte China-Pakistan Economic Corridor besteht aus einer Anzahl von Projekten, welche eine Entwicklung und Verbesserung der pakistanischen Transport- und Energie-Infrastruktur sowie eine erhöhte wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Pakistan zum Ziel haben. Das Projekt, das Pakistan vom 4.700 m hoch gelegenen Kunjirap-Pass im Norden und bis zur am Arabischen Meer im Süden gelegenen Hafenstadt Gwadar (teils auf dem Karakorum Highway) durchquert, ist einer der sechs Land-Handels- und Infrastrukturkorridore der Neuen Seidenstraße (BRI).

Pakistan und China verbündeten sich während des Grenzkrieges zwischen China und Indien 1962, um den Einfluss von Indien und der Sowjetunion einzudämmen. Pakistan dient China weiterhin als Verbindung in die westliche Welt. Die informelle Allianz hat sich zu einer guten Freundschaft entwickelt, von der beide Seiten in militärischer, wirtschaftlicher und diplomatischer Hinsicht profitieren.

Mit der Nutzung von Gwadar im chinafreundlichen Pakistan stärkt Peking seine Kontrolle über die strategisch bedeutsame Straße von Hormuz: Durch sie wird ein Großteil des Rohöls transportiert, das China braucht.

Schließlich hat die Volksrepublik geschickt am Südrand des indischen Subkontinents mit dem Ausbau des riesigen Hafens von Hambantota in Sri Lanka eine temporäre Basis erhalten, von welcher aus sie den Hauptstrom des Handels von Singapur zum Roten Meer kontrolliert. Schon seit 2008 ist China mit einer Flottille im Golf von Aden präsent.

Indiens Beziehung zu Afghanistan

Auch Indien stärkt seine „ Soft Power“ in der Region durch eine Spende von 20.000 Tonnen Weizen an Afghanistan, womit es das einst unverzichtbare Pakistan ins Abseits stellt.

Dieser Schritt stärkt nicht nur Indiens Position als Lieferant lebenswichtiger Hilfe für Afghanistan, sondern unterstreicht auch die Bemühungen um positive Beziehungen, auch wenn es das Taliban-Regime, das im August 2021 die Macht übernommen hat, nicht offiziell anerkennt. Indien hat seine diplomatische Präsenz Mitte 2022 durch die Entsendung eines „technischen Teams“ in die afghanische Hauptstadt wiederhergestellt. Darüber hinaus stellt die Nahrungsmittelhilfe eine geopolitisch bedeutsame Veränderung in der Art und Weise dar, wie Indien Hilfe leistet.

Das Duell zwischen Indien und China in der Region setzt sich fort und wird durch die wachsende Bedeutung von Wasser aus dem Himalaya, wo beide Länder auch noch auch auf Pakistan treffen, befeuert. Man kann nur hoffen, dass es dort nicht auch zu einem Dammbruch kommt.

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