Wahlen in der Türkei Die Präsidentschaftswahl entscheidet den Weg der türkischen Wirtschaft
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat die Opposition eine reelle Chance, Präsident Erdogan zu stürzen – und zwar sowohl wegen wirtschaftlicher Misswirtschaft als auch wegen des schlechten Umgangs mit der Erdbebenkatastrophe. Sollte dies gelingen, dürften ausländische Investoren flutartig in das Land strömen, denn die Voraussetzungen für eine gute Wirtschaftsentwicklung sind da: Mit einer starken Exportbasis, einem innovativen und widerstandsfähigen Privatsektor, einer attraktiven Tourismusbranche und geografischen Vorteilen hat die Türkei alle Faktoren, die es für den Erfolg braucht.
Oppositionsparteien treten für eine unabhängige Geldpolitik ein
Im Moment sieht die Lage noch düster aus: In zwanzig Jahren zunehmend autokratischer Herrschaft hat Recep Tayyip Erdogan die Wirtschaft in eine prekäre Lage gebracht. Eine unorthodoxe Geldpolitik mit stark negativen realen Zinssätzen führte zu wachsenden internen und externen Ungleichgewichten in Form hoher Inflation und einem unhaltbaren Leistungsbilanzdefizits.
Geht es so weiter, verschärft sich die Zahlungsbilanzkrise des Landes. Die Zuflüsse aus dem Ausland gehen weiterhin zurück, und angesichts der derzeitigen geldpolitischen Rahmenbedingungen droht ein Bankrun auf das inländische Bankensystem. Auch wenn die finanziellen Verflechtungen der Türkei mit dem Rest der Welt seit 2018 abgenommen haben, ist das Land mit seinen 85 Millionen Einwohnern nach wie vor ein so wichtiger Akteur, dass eine Krise in der Türkei auf die Gruppe der Schwellenländer übergreifen könnte. Kurzfristig ist absehbar: Die Kreditkennzahlen werden sich weiter verschlechtern, da Präsident Erdogan mithilfe eines aggressiven Konjunkturprogramms versucht, das Wachstum anzukurbeln und so die Wahl zu gewinnen.
Da es jedoch genügend fiskalischen Spielraum für eine Anpassung nach den Wahlen gibt, sind die Anleger bereit, trotz des kurzfristigen Gegenwinds auf ein nachhaltigeres langfristiges Wachstum zu setzen, sollte es zu einem Regimewechsel kommen. Die oppositionelle Nationale Allianz ist eine Koalition aus sechs verschiedenen Parteien mit unterschiedlichen Interessen. Eines haben diese Parteien jedoch gemein: Sie sind der Ansicht, dass die Türkei eine unabhängige Zentralbank und eine orthodoxe Geldpolitik braucht. Ungeachtet der Notwendigkeit von weiteren Reformen halten wir eine wiederhergestellte geldpolitische Säule zunächst für ausreichend, um stetige ausländische Mittel anzulocken und so dem Privatsektor wieder zum Wachstum zu verhelfen.
Türkische Unternehmensanleihen könnten Profiteure der Wahl werden
Angesichts der Überbewertung inländischer festverzinslicher Anlagen und einer wahrscheinlich sehr volatilen Entwicklung der Lira unmittelbar nach der Wahl sehen wir türkische Unternehmensanleihen als die beste Möglichkeit, um sich für einen positiven Wahlausgang zu positionieren. Die Anleger sind bei türkischen Vermögenswerten weitgehend short positioniert – deswegen sehen wir Potenzial, dass die Spreads den fairen Wert aufgrund starker Short-Eindeckungen übertreffen, falls Erdogan abgewählt wird.
Wie wird der Wahlausgang aussehen? Im Westen ist man der Ansicht, dass Erdogan alles dafür tut, um seine Wahlniederlage abzuwenden. Viele Türken wiederum meinen, dass es Erdogan und seiner Partei nicht gut zu Gesicht steht, den Wahlsieg mit einem bunten Strauß von Maßnahmen zu erkaufen und damit den Mitbewerbern den möglichen Wahlsieg zu stehlen. Hoffen wir für die Anlageklasse der Schwellenländer, dass sich das türkische Volk unbestechlich zeigt.