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Gerd Kommer und Praval Kapoor
Schwellenländeraktien – immer noch sinnvolle Investments?
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Gerd Kommer und Praval Kapoor Schwellenländeraktien – immer noch sinnvolle Investments?

Touristen an einem Fluss in Bangladesh
Touristen posieren für die Kamera an einem Fluss in Bangladesh: Beim Finanzdienstleister Gerd Kommer Invest hat man Tipps für Anleger, die sich für Unternehmen in Schwellenmärkten interessieren. | Foto: imago images/ZUMA Wire

Schwellenländeraktien haben im zurückliegenden Jahrzehnt schlechtere Renditen produziert als Industrieländeraktien. Hinzu kommen seit gut zwei Jahren unschöne politische Nachrichten aus China, dem größten Schwellenland. Man denke an den brutalen Covid-Lockdown und zahlreiche Willkürakte der chinesische Staatsdiktatur, die auch ausländische Aktionäre betreffen und vielleicht zu den niedrigen Renditen des chinesischen Aktienmarktes beigetragen haben. Vor diesem Hintergrund tauchen seit einiger Zeit vermehrt skeptische Medienschlagzeilen zu Schwellenländerinvestments auf.

Wir gehen der Frage nach, ob Aktieninvestments in Schwellenländern für Privatanleger heute noch attraktiv sind – und, wenn ja, wie sie aus unserer Sicht durchgeführt werden sollten. Das tun wir, indem wir die folgenden fünf Gesichtspunkte zu Aktieninvestments in Emerging Markets (EM) näher beleuchten:

  1. Was sollte für einen rationalen, wissenschaftlich orientierten Anleger der Hauptgrund sein, EM-Aktien ins Portfolio zu nehmen?
  2. Wie sehen die historischen Renditen von EM-Aktien aus?
  3. Ist China das Problem im MSCI-Emerging-Markets-Index?
  4. Wie sind EM-Aktien aktuell bewertet?
  5. Aus einer Umsetzungsperspektive: Wie sollte man in EM-Aktien investieren?

1. Was sollte für einen rationalen, wissenschaftlich orientierten Anleger der Hauptgrund sein, EM-Aktien ins Portfolio zu nehmen?

Das Hauptargument für EM-Aktieninvestments besteht nicht in ihren langfristig höheren Renditen, wie die Medien und die Finanzbranche typischerweise postulieren, sondern darin, dass EM-Aktien generell ein wesentlicher Teil des globalen Aktienmarktes sind. Wer keine EM-Aktien im Depot hat, der investiert definitionsgemäß nicht in den globalen Aktienmarkt, nicht in die „Welt-AG“, sondern nur in einen Teil davon.

Auch realwirtschaftlich sind Schwellenländer keine Nischenveranstaltung. Sie machen über 85 Prozent der Weltbevölkerung aus, repräsentieren über 70 Prozent der Landmasse dieses Planeten, beherbergen rund vier Fünftel der bekannten Rohstoffvorkommen auf der Erde und erzeugen – je nach Berechnungsmethode – zwischen 30 Prozent und 55 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung (nach nominalen Wechselkursen oder nach kaufkraftbereinigten Kursen). Dass dieser Anteil – so wie in den zurückliegenden 20 Jahren – trendmäßig weiter steigen wird, bezweifeln nur wenige.

 

EM-Aktien weisen in den dreieinhalb Jahrzehnten von 1988 bis 2022 mit einem Wert von +0,73 eine attraktiv niedrige Korrelation zu Industrieländeraktien auf (Developed-

 

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Markets-Aktien/DM-Aktien). In den letzten Jahren ist dieser Wert sogar trendmäßig gefallen, weil sich die viel zitierte Globalisierung inzwischen im Rückwärtsgang befindet. Das ist realwirtschaftlich zu bedauern, kann aber für Kapitalmarktanleger ein Vorteil sein.

Aufgrund der relativ niedrigen Korrelation zwischen EM-Aktien und DM-Aktien verbessert die Beimischung von 10 Prozent bis 30 Prozent EM-Aktien zu einem DM-Aktienportfolio langfristig die risikogewichtete Rendite des Aktienportfolios. Ein rationaler, evidenzorientierter Anleger müsste das eigentlich begrüßen.

2. Wie sehen die historischen Renditen von Emerging-Market-Aktien aus?

EM-Aktien rentieren auf lange Sicht besser als die von Industrieländern. Die folgende Abbildung illustriert das für die 63 Jahre von 1960 bis 2022.

Abbildung 1: Entwicklung des DMS Emerging Markets Index und des DMS Developed Markets Index von 1960 bis 2022 (63 Jahre) – real in US-Dollar

Inflationsbereinigte Renditen in USD ohne Kosten und Steuern  © Gerd Kommer Invest/DMS Dimson/Marsh/Staunton – Morningstar

Teilt man die in Abbildung 1 gezeigten 63 Jahre in zwei gleiche Hälften, resultiert für die erste Hälfte eine deutliche EM-Outperformance, für die zweite Hälfte ergeben sich dagegen nahezu identische Renditen zwischen EMs und DMs. Ein solches Renditeverteilungsmuster ist keineswegs ungewöhnlich und könnte ebenso gut zwischen zwei anderen wohl definierten Asset-Klassen auftreten, beispielsweise US-Staatsanleihen und US-Aktien oder Value-Aktien und Growth-Aktien. Per se kann man aus dieser ungleichen Outperformance-Verteilung über lange Zeiträume hinweg nicht ableiten, dass bei EM-Aktien während der zweiten Halbperiode, zum Beispiel nach der Jahrtausendwende, ein negativer Strukturbruch im Sinne von dauerhaft niedrigeren Renditen aufgetreten ist.

Die makroökonomischen Verhältnisse in Schwellenländern als Gruppe sind heute eher besser als vor 15 oder 25 Jahren.

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