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Aktualisiert am 01.04.2020 - 14:55 Uhrin MärkteLesedauer: 5 Minuten

Schwellenmärkte Devisenreserven-Rückgang: Ausreißer oder fortsetzender Trend?

Für Investoren, die sich für Geldanlagen in Schwellenmärkten interessieren, war der konstante Anstieg der Devisenreserven während der vergangenen zwei Jahrzehnte ein wichtiger Aspekt. In vielen Fällen stiegen diese auf ein höheres Niveau als in den meisten Industrieländern. Diese Reservenbildung gab Schwellenmärkten die Möglichkeit, dominante Ankäufer von US- und europäischen Anleihen zu werden.

Ein genereller Rückgang der Devisenreserven in Schwellenmärkten im vergangenen Jahr veranlasst Experten nun jedoch darüber nachzudenken, ob möglicherweise die Gefahr eines noch signifikanteren Rückgangs mit den damit verbundenen, verhängnisvollen Auswirkungen auf den Markt besteht.

Die Gesamtdevisenreserven in den Schwellenmärkten sind in letzter Zeit tatsächlich geschrumpft. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) seien die Devisenreserven in Schwellenmärkten gegenüber dem Vorjahr von ihrem Höchststand etwas über 8 Billionen US-Dollar im zweiten Quartal 2014 um 114,5 Milliarden US-Dollar auf 7,74 Billionen US-Dollar 2014 zurückgegangen. Aber trotz der Berichte über die marginale Reduzierung der Devisenreserven in Schwellenmärkten bleiben diese nach wie vor die primären Gläubiger der Welt.

Erwartetes Wirtschaftswachstum dämpft Devisen-Rückgang in Schwellenmärkten

Als globale Aktienanleger sind wir immer noch der Überzeugung, Schwellenmarktländer erscheinen auch aus mehreren anderen Gründen insgesamt stärker als die Industriemärkte insgesamt. Zum Beispiel aufgrund der günstigeren demografischen Situation und dem prognostizierten Wirtschaftswachstum. In der Tat prognostiziert der IWF ein BIP-Wachstum in fortschrittlicheren Volkswirtschaften von 2,4 Prozent für 2015, während in Schwellen- und Grenzmärkten ein Wachstum von 4,3 Prozent zu erwarten ist.

Betrachtet man den Rückgang der Devisenreserven in Schwellenmärkten im breiteren makroökonomischen Kontext  erachten wir ihn als recht geringfügig. Es ist vielleicht viel eher eine Frage der Auswirkungen auf die Industriemärkte als auf die Schwellenmärkte.



Finanzierungsbedürfnisse der Schwellenländer besser gedeckt als erwartet Unserer Meinung nach ist das Schwinden der Devisenreserven, das für 2014 verzeichnet wurde, im Kontext des enormen Wachstums der Devisenreserven seit der asiatischen Finanzkrise vor zwei Jahrzehnten relativ unbedeutend.

Die Schwellenmarktreserven bleiben auch weiterhin auf einem äußerst hohen Niveau, das immer noch viermal höher ist als noch im Jahr 2004. Mit wenigen Ausnahmen erscheint das Niveau der Devisenreserven heute mehr als ausreichend, um die kurzfristigen Finanzierungserfordernisse zu bedienen.

Das nachfolgende Diagramm veranschaulicht, wie die Devisenreserven in Schwellenmärkten im Allgemeinen die Finanzierungsbedürfnisse der meisten Länder angemessen decken.

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Geldpolitische  Unabhängigkeit: Länder nutzen „Dirty Floating“-Politik

Devisenreserven waren in den 1970er, 80er und 90er Jahren von grundlegender Bedeutung. Viele Schwellenmärkte nutzten damals ausländische Währungen (US-Dollar, japanische Yen oder die Deutsche Mark) als Anker, um die Inflation unter Kontrolle zu halten, insbesondere in lateinamerikanischen Ländern mit stark inflationären Trends.

Mit wenigen Ausnahmen ist Inflation für die meisten Schwellenmarktländer ein Problem der Vergangenheit. Das soll nicht heißen, dass Inflation in Zukunft nie mehr zu einem Problem werden kann. Aber viele Länder konnten erfolgreich Inflationsziele als geldpolitisches Mittel nutzen oder ihre Notenbanken konnten aus eigener Kraft Glaubwürdigkeit gewinnen. Interventionen über die Nutzung von Währungskursen als Werkzeug zur Inflationskontrolle sind daher weitgehend ein Ding der Vergangenheit.

Viele Länder sind daher hinsichtlich der Gestaltung ihrer Geldpolitik unabhängiger geworden und die meisten von ihnen koppeln ihre Landeswährung nicht mehr an den US-Dollar. Unserer Ansicht nach bedeutet das, dass das Niveau der Reserven im Allgemeinen weniger relevant ist. Denn die weiter verbreitete flexible Zinspolitik reduziert das Erfordernis, über eine umfangreiche Kriegskasse mit Devisen zur Verteidigung der Wechselkurse zu verfügen. Heute gibt es, wenn überhaupt, nur noch wenige Länder, die einen reinen freien Wechselkursmechanismus einsetzen. Die meisten Länder nutzen eine sogenannte „Dirty Floating“ Politik, wobei der Markt den Kurs entscheidet, die Notenbank aber in Hinsicht auf angestrebte geldpolitische Ziele interveniert.