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Zögerlicher Start für Direktinvestments in Energie, Transport und Co. Was die neuen Infrastrukturfonds für Privatanleger bieten

Bau einer Windkraftanlage am Niederrhein
Bau einer Windkraftanlage am Niederrhein: Investitionen in erneuerbare Energien werden dringend benötigt – Kleinanleger könnten eine Lücke schließen. | Foto: Imago Images / Jochen Tack

Mehr Windkraft, neue Bahnstrecken, schnelles Internet: Der Investitionsbedarf in Deutschland ist gewaltig. Allein in den Jahren 2019 bis 2029 müsste der Staat insgesamt 450 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte ausgeben, haben Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ausgerechnet. Investitionsausfälle durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg hätten diese Notwendigkeit noch verstärkt, meinen die Forscher. Der Investitionsstau bedrohe den Wohlstand des Landes: „Wenn Investitionen zu lange ausbleiben, droht eine strukturelle Schädigung der ganzen Volkswirtschaft“, so IW-Ökonom Michael Grömling. Die Bundesregierung hat sich jedoch einen Sparkurs verordnet – und setzt auf die Hilfe von Investoren.

„Institutionelle Investoren haben einen Großteil der Infrastruktur-Projekte der vergangenen Jahre finanziert“, sagt Peter Brodehser, Fondsmanager und Leiter des Bereichs Infrastruktur beim Fondshaus DWS. In der Niedrigzinsphase drängten Großanleger auf der Suche nach Anleihe-Alternativen noch einmal verstärkt in den Markt. Mit der Zinswende dürfte ihr Engagement aber nun wieder nachlassen, meint der Experte. „Diese Lücke bietet für Privatinvestoren die Chance des Markteintritts“, ist Brodehser überzeugt.

Die Bundesregierung hat dafür mit dem Fondsstandortgesetz im Jahr 2021 ein neues Fondsvehikel geschaffen. Das offene Infrastruktur-Sondervermögen soll es auch Kleinanlegern ermöglichen, sich direkt und außerhalb der Börse an Unternehmen zu beteiligen, die Infrastruktur-Projekte betreiben – bislang waren solche Investments aufgrund hoher Einstiegshürden Großanlegern vorbehalten. „Der Gesetzgeber hat mit sehr viel Weitsicht gesehen, dass diese Projektberge auf uns zukommen und einer Investition bedürfen“, so Infrastruktur-Experte Brodehser.

Zwei Produkte, ein Ziel: Deutsches Infrastruktur-Sondervermögen versus europäischer Eltif

Schon seit 2015 gibt es auf europäischer Ebene den European Long Term Investment Fund, kurz: Eltif, mit dem der Staatenbund ebenfalls private Gelder für Infrastruktur-Projekte mobilisieren will. Nach Kritik an den Details, darunter die hohe Mindestanlagesumme von 10.000 Euro, hat die EU nachjustiert. So gelten für das Fondsprodukt ab dem kommenden Jahr einige neue Regeln. Beim deutschen Sondervermögen war die Anlagegrenze für Anleger von Beginn an mit 50 Euro deutlich niedriger gesetzt. Verglichen mit dem europäischen Eltif hat das Fondsvehikel einen weiteren Vorteil, meint Matthias Weber, Vertriebschef für offene Investmentfonds bei dem auf Sachwert-Anlagen spezialisierten Investmenthaus KGAL: „Für Privatanleger ist das Produkt neu, die Fondsstruktur allerdings vertraut. Denn offene Infrastrukturfonds ähneln den etablierten offenen Immobilienfonds.“

 

Insgesamt dürfen höchstens 80 Prozent des Fondsvolumens in sogenannte Infrastruktur-Projektgesellschaften investiert werden. Darüber hinaus können Anbieter auch bestimmte andere Anlagen ins Portfolio holen, etwa Immobilien und Wertpapiere. Je Einzelprojekt liegt die Obergrenze bei 10 Prozent. Wie beim offenen Immobilienfonds müssen Anleger die Anteile mindestens 24 Monate halten, die Kündigungsfrist liegt bei zwölf Monaten. Allerdings ist die Rückgabe beim Infrastruktur-Sondervermögen nur zweimal im Jahr zu festen Terminen möglich. Ein weiterer Unterschied: So müssen Infrastrukturfonds mindestens 10 Prozent ihres Vermögens liquide halten, das Maximum liegt bei 40 Prozent. Bei Immobilienfonds beträgt die gesetzlich vorgegebene Spanne 5 bis 50 Prozent.

Zwei Jahre nach Einführung der neuen Fondskategorie ist im Markt trotz des großen Bedarfs noch wenig passiert. Als erster Anbieter hat die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS im April den DWS Infrastruktur Europa aufgelegt. Ein weiteres Produkt dürfte bald folgen: Das Investmenthaus KGAL mit Sitz in Grünwald bei München will im September einen offenen Infrastrukturfonds auf den Markt bringen. Frank Dornseifer, Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments (BAI), verwundert die Zurückhaltung nicht: „Beim Eltif hat es auch seine Zeit gebraucht, bis dieser sich entwickelt hat und im Markt akzeptiert wurde.“ Viele Anbieter hätten sich gefragt, ob ein offenes Sondervermögen das richtige Vehikel für Infrastrukturanlagen sei. „Das werden wir jetzt beobachten können“, meint der Experte. 

 

Peter Brodehser von der DWS sieht drei zentrale Herausforderungen, die Fondshäuser mit Auflage eines offenen Infrastrukturfonds stemmen müssen: Ein Produkt auf den Markt zu bringen, dass es vorher noch nicht gab, sei aufwendig. Es müsse viel Pionierarbeit geleistet werden, das koste Geld. Um mit einem solchen Fonds Erfolg zu haben, sei zudem ein großes Vertriebsnetzwerk notwendig. Ein weiteres Problem: Es fehle Personal, dass das Geld im Markt und die Projekte zusammenbringen könne. Nichtsdestotrotz glaubt Brodehser an den Erfolg des Produkts: „In zehn Jahren werden Infrastruktur-Investments für Privatanleger eine Anlageklasse sein, die jeder anbietet.“

Guter Start für DWS-Fonds: „Privatinvestoren rennen uns die Bude ein“

Über mangelnde Resonanz der Anleger könne man sich jedenfalls nicht beklagen, heißt es von der DWS: „Die Privatinvestoren rennen uns die Bude ein“, kommentiert Brodehser. Seit dem Vertriebsstart am 3. Mai hat der Fonds allein im Retail-Geschäft 170 Millionen Euro eingesammelt, weitere 80 Millionen Euro sind von institutionellen Anlegern zugesagt. Da es sich um einen offenen Fonds handele, gebe es kein konkretes Zielvolumen. „Unsere Vorstellung, nach zwölf Monaten auf 500 Millionen Euro zu kommen, dürften wir nach diesem Start aber erreichen“, meint der DWS-Experte. Langfristig werde ein Fondsvolumen von 2 bis 3 Milliarden Euro angestrebt.

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Auf der nächsten Seite: Mit welchen Renditen Anleger bei den neuen Infrastrukturfonds rechnen können und an welchen Stellen Experten Bedarf für Nachbesserungen sehen.

Für Anleger sieht Brodehser viele Vorteile: „Der Charme dieser Investments ist, dass Investoren eine höhere Rendite erwarten können als bei vielen anderen Anlagen ohne dafür ein höheres Risiko eingehen zu müssen.“ Diese Mehrrendite ergebe sich aus verschiedenen Prämien, die am Markt gezahlt werden, etwa weil das investierte Geld sehr lange gebunden sei. Investoren könnten mit einer jährlichen Nettoausschüttungsrendite nach allen Kosten von 4 bis 5 Prozent rechnen, heißt es vom Anbieter. Bei Infrastruktur gehe es um die Basisbedürfnisse einer Gesellschaft, auf die man schlecht verzichten könne. Das sorge für stetige Erträge bei geringen Schwankungen, meint Brodehser. Ein solcher Fonds eigne sich daher für eher risikoaverse Anleger sowie für den konservativen Teil eines sportlicheren Portfolios.

Erste Fonds am Markt: DWS setzt auf vier Bereiche, KGAL legt Fokus auf Energie

Um das Risiko gering zu halten, soll das Geld zum Großteil in Projekte fließen, die bereits in Betrieb sind oder kurz vor Inbetriebnahme stehen. „Der Vorteil ist, dass in diesen Fällen ab dem ersten Tag Erträge fließen“, erklärt der DWS-Experte. Neben der Energiebranche kann der Fonds auch in Kommunikationsinfrastruktur wie Glasfaser-Projekte und Daten-Center, Transportinfrastruktur wie Nahverkehrsprojekte und Schnellzugstrecken sowie soziale Infrastruktur, also Krankenhäuser, Universitäten und Schulen, investieren. Erste Investments sollen in in Kürze getätigt werden.

 

Bei dem neuen KGAL-Fonds soll der Fokus dagegen alleinig auf erneuerbaren Energien liegen. Geplant sei, europaweit in Solarparks, Windparks und andere Infrastruktur-Projekte im Bereich erneuerbarer Energien zu investieren. Etwa 25 Objekte will das Investmenthaus ins Fondsportfolio holen, das werde vier bis sechs Jahre dauern. „In der Aufbauphase konzentrieren sich die Investments auf operative Bestandsanlagen. Anschließend kommen auch Projektentwicklungen infrage, um das Renditepotenzial zu erhöhen“, erklärt Matthias Weber, KGAL-Vertriebschef für offene Investmentfonds. Erneuerbare Energien gehören zu den Spezialgebieten der Boutique, die in Europa 130 Wind- und Solarparks betreibt.

Auch KGAL richtet sich an Privatanleger, „die auf der Suche nach konservativen Portfoliobausteinen mit verlässlichen Ausschüttungen sind.“ Der Erneuere-Energien-Infrastrukturfonds habe einen ähnlich defensiven Charakter wie ein offener Immobilienfonds, wobei das Renditepotenzial etwas höher sei, so Weber. Die Zielrendite liege bei jährlich 4 bis 5,5 Prozent. Beim Vertrieb will KGAL mit Partnern auf verschiedenste Kanäle setzen, von Sparkassen und Volksbanken über Allfinanzberater bis hin zu Direktbrokern. „Wir sind überzeugt davon, dass offene Infrastrukturfonds das Potenzial zum Bestseller haben“, sagt Vertriebsexperte Weber.

Kritik: Langer Weg zur europäischen Vertriebszulassung, keine Teilfreistellung bei der Steuer

Der Bundesverbands Alternative Investments sieht indes noch Verbesserungsbedarf. So setzt sich der Verband unter anderem dafür ein, dass der Anlagekatalog erweitert wird. Auch eine flexiblere Organisationsform sei wünschenswert, so Geschäftsführer Dornseifer. Einen Nachteil sieht der Experte zudem bei der Vertriebszulassung: Während ein europäischer Eltif ab Auflage in ganz Europa vertrieben werden darf, müssen sich Anbieter beim Infrastruktur-Sondervermögen in jedem Land gesondert um eine Vertriebserlaubnis bemühen. Für große deutsche Fondshäuser müsse das aber kein Hindernis sein, meint DWS-Mann Brodehser: „Wir möchten uns mit unseren Vertriebsaktivitäten für den DWS Infrastruktur Europa ohnehin auf Deutschland fokussieren.“

Kritik gibt es zudem an der steuerlichen Behandlung. Eine Teilfreistellung, angelehnt an Aktien- oder Immobilienfonds, wäre hilfreich, meint BAI-Geschäftsführer Dornseifer. Derzeit werden Einnahmen aus Infrastruktur-Investments auf Fonds- sowie auf Anlegerebene mit dem individuellen Steuersatz voll besteuert. Steuererleichterungen hält auch Brodehser von der DWS für wünschenswert, schränkt aber ein: „Mit Sachwerten wollen wir Anlegern ein gutes Maß an Inflationsschutz und Resilienz in Krisenzeiten, stabile Renditen und dazu noch ein Investment in die eigene Zukunft bieten – ob man damit am Ende noch ein paar Euro Steuern sparen kann, sollte nicht im Fokus stehen.“

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