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Deutschlandchef erläutert den Kurs von Vanguard (Interview)

Vanguard ist die zweitgrößte Fondsgesellschaft der Welt, sie hat sich auf Passiv-Investments spezialisiert. Gemessen an ihrer Größe ist sie in Deutschland erst spät gestartet, 2017 war es soweit. Seitdem ist allerdings eine Menge passiert: Das 1975 von Index-Pionier John Bogle gegründete Haus baute nicht nur seine Produktpalette aus, sondern startete auch einen digitalen Vermögensverwalter. In ...
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Vanguard ist die zweitgrößte Fondsgesellschaft der Welt, sie hat sich auf Passiv-Investments spezialisiert. Gemessen an ihrer Größe ist sie in Deutschland erst spät gestartet, 2017 war es soweit. Seitdem ist allerdings eine Menge passiert: Das 1975 von Index-Pionier John Bogle gegründete Haus baute nicht nur seine Produktpalette aus, sondern startete auch einen digitalen Vermögensverwalter. In den USA und Großbritannien hat Vanguard solche Selbstentscheider-Angebote schon lange im Programm. In Deutschland hingegen wurde es keine zwei Jahre später wieder eingestampft. Stattdessen wirbt Vanguard sehr aktiv für seine Vertriebsunterstützung für Berater.
Eine Besonderheit an der Gesellschaft: Vanguard ist nicht an der Börse notiert. Es ist genossenschaftlich organisiert – was angesichts von 8,2 Billionen US-Dollar under Management ungewöhnlich ist. Trotz des Fokus' auf ETFs gibt es bei Vanguard zudem keine Themenfonds – wie sie andernorts zuletzt reihenweise aufgelegt wurden. Auch von Krypto-Anlagen hat sich das Haus distanziert. Sehr zum Ärger mancher Kryptofans, die ihm Anfang dieses Jahres deswegen einen Shitstorm bereiteten.
Insgesamt scheint man bei Vanguard stolz darauf zu sein, dass die Gesellschaft einige Sonderwege beschreitet. Wir haben Deutschlandchef Sebastian Külps nach den Hintergründen gefragt.
DAS INVESTMENT: Herr Külps, Anfang 2022 hat Vanguard in Deutschland einen Robo-Advisor gestartet, ihn aber nach nicht einmal zwei Jahren wieder aufgegeben. Warum?
Sebastian Külps: Vanguard Invest hat nicht die Skaleneffekte erreicht, die wir uns vorgestellt hatten. Und das Marktumfeld hat sich zwischen dem Beginn der Planung und dem Launch erheblich geändert. Corona kam auch noch dazwischen. Wir merkten, dass wir den Robo nicht so wie geplant skalieren konnten und haben im Interesse unserer Anleger die schwierige Entscheidung getroffen, die Plattform zu schließen.
Es war sowieso verwunderlich: Einerseits haben Sie ein Programm aufgezogen, um den Beratervertrieb zu fördern, andererseits richteten Sie sich mit Ihrem Robo an Selbstentscheider. Haben Sie mit dem Stopp des Robos auch vor dem hiesigen Fondsvertrieb kapituliert, der in Deutschland immer noch mehrheitlich über Berater läuft?
Külps: Nein, überhaupt nicht. Es gibt Kunden, die sich nicht in der Anlagewelt mit einem Berater wiederfinden, sondern digital anlegen wollen. Da haben wir keine Kannibalisierung gesehen. Wir wollen mehr Sparer an die Kapitalmärkte führen, da ist der digitale Weg ein wichtiger Zugang. Das haben unsere Berater, mit denen wir zusammenarbeiten, auch verstanden. Daher sind Direktbankplattformen und Neobroker auch weiter ein wichtiger Absatzkanal für uns und die Branche insgesamt. Dort werden unter anderem auch viele Sparpläne abgeschlossen.
Die Anbieter von ETFs versuchen sich seit geraumer Zeit bei ihren Preisen immer wieder zu unterbieten, auch Vanguard lockt mit sehr günstigen Kosten. Kann eine Fondsgesellschaft mit ETFs für zehn Basispunkte oder weniger überhaupt kostendeckend wirtschaften – oder sind das Kampfangebote, um Wettbewerber zu verdrängen?
Külps: Ein ETF-Angebot lässt sich sehr gut skalieren, denn ETFs decken einen breiten, liquiden Markt ab. Mit nur einem Fondsmanager lässt sich ein Fonds verwalten, der ein paar hundert Millionen oder sogar hunderte Milliarden Euro schwer sein kann. Das ist auch das Geheimnis von Vanguard. Wir arbeiten mit einer ziemlich komprimierten Anzahl von ETFs. Weil wir überzeugt sind, dass wir diese langfristigen Kernbausteine durch Skalierung immer kostengünstiger machen können. Wir sind außerdem in den USA genossenschaftlich aufgestellt und leben in Europa den gleichen Gedanken. Unsere Ausschüttung geht nicht an die Familie oder an fremde Aktionäre, sondern wird teils dafür verwendet, die Preise zu senken. Damit haben wir den Markt in den USA disruptiert. Auch in Europa sind wir sehr kostengünstig unterwegs – wenn auch nicht überall als kostengünstigster ETF-Anbieter.
„Ein ETF-Angebot lässt sich sehr gut skalieren“
ETFs haben ihren Siegeszug zunächst in den USA eingetreten. Dort genießen sie gegenüber anderen Finanzprodukten auch Steuervorteile. Europa bietet diese Steuervorteile nicht. Ist das nicht hinderlich?
Külps: ETFs sind hier noch relativ neu, und die Investmentkultur in Europa ist eine andere. Wir haben auch ganz unterschiedliche Altersvorsorgesysteme. Ich bin aber überzeugt, dass der ETF als kostengünstiges, breit diversifiziertes Anlageinstrument weiterhin den Anlagemarkt demokratisiert – und damit den Siegeszug fortsetzen wird. Die Kostenvorteile gegenüber aktiven Produkten sind immens. Das muss man erstmal mit der Performance wettmachen. Nicht zuletzt deswegen glaube ich, dass ETFs auch in Europa einen Siegeszug haben werden.
Im Beratervertrieb, dem dominierenden Vertriebskanal an Privatanleger, wird in Deutschland traditionell mit Provisionen gearbeitet. ETFs bieten so etwas nicht. Hemmt das nicht ihre Verbreitung?
Külps: Man kann ETFs auch anderen Lösungen beimischen, die vielleicht mit einer Provision angeboten werden. Zudem kommt es immer auf das Vergütungsmodell an. Insgesamt sehen wir, dass der ETF sich trotz dieser Vertriebsstrukturen in Deutschland sehr positiv entwickeln kann – wie auch im übrigen Europa. Ich glaube, dass die digitalen Vertriebskanäle den Vertrieb insgesamt vielfältiger machen. Dadurch wird auch der ETF seinen Vertriebskanal finden, in dem er erfolgreich sein wird.
Nachhaltigkeit ist zu einem Megathema geworden, insbesondere in Europa und Deutschland. Welche Linie verfolgt Vanguard dort?
Külps: Wir müssen die Produkte so definieren, dass sie mit unserer Anlagestrategie gut funktionieren, das heißt, indexorientiert. Wenn Indizes einen Ausschlussansatz verfolgen, gilt das auch für unsere Produkte. Produkte, die mit Ausschlüssen arbeiten, managen wir selbst, andere haben wir teils an externe Anbieter outgesourct. Wichtig ist uns aber auch, wie wir in den nicht nachhaltigen Produkten mit dem Thema umgehen. Wie wir unsere Stimmrechte ausüben und uns bei Unternehmen engagieren, um ESG-Themen anzusprechen. Wir meinen, dass ein Unternehmen, das aus der ESG-Perspektive gut aufgestellt ist, langfristig bessere Chancen hat: Es trägt weniger Risiko. Damit ist es als Investment interessant.
Vor einige Jahren lag auch in den USA das Thema Nachhaltigkeit noch im Mainstream, doch mittlerweile ist die öffentliche Wahrnehmung dort offenbar gespalten.
Külps: Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass der Nachhaltigkeitsbereich in den vergangenen drei Jahren nicht so gut performt hat wie nicht nachhaltige Produkte. Dazu hat auch die geopolitische Situation beigetragen. Das ist uns zu kurzfristig gedacht. Nachhaltigkeit ist kein Trend, der wieder verschwindet sondern ein Thema, das langfristig wichtig bleibt, um den gesellschaftlichen Wohlstand aufrecht zu erhalten. Auch die Regulatorik möchte, dass mehr Geld nachhaltig investiert wird. Deswegen wird es auch weiter auf unserem Radar und dem aller anderen sein.
Blackrock-Chef Larry Fink ist bei ESG allerdings schon medienwirksam zurückgerudert. Und auch andere Fondsgesellschaften stellen Nachhaltigkeit in den USA nicht mehr so sehr ins Schaufenster. Wollen Sie diesen Stimmungsumschwung ignorieren? Sie haben ja teils ähnliche Kunden wie Blackrock.
Külps: Für andere Unternehmen kann ich nicht sprechen, aber wir sind typischerweise zurückhaltender. Wir versuchen, eine Produktstrategie zu verfolgen, die unserer Ansicht nach für unsere Endkunden gut ist und die gut auf unser Firmenprofil passt. Wir haben schon lange nachhaltige Produkte in unserem Portfolio und in den letzten Jahren weitere Produkte aufgelegt. Aber es ist auch klar, dass sich Nachhaltigkeit weiterentwickelt. Wir müssen immer nach vorne blicken: Vieles verschiebt sich, auch regulatorisch.
„Wir sagen häufig Nein“
Kürzlich hat die US-Börsenaufsicht die ersten Bitcoin-ETFs zugelassen. Einige Anbieter haben sofort Produkte gelauncht. Nicht so Vanguard. Sie haben sich deutlich dagegen positioniert. Rührt die Ablehnung noch aus der Investmentphilosophie von John Bogle her?
Külps: Wir sind einer der größten Nischenspieler der Welt. Und wir werden häufig Nein sagen, weil etwas nicht in unsere Anlagephilosophie passt. Wir sehen, dass ein Bitcoin, anders als beispielsweise ein Unternehmen, nichts produziert und keine Rendite abwirft. Daher ist es aus unserer Sicht schwer, einen fairen Wert für einen Bitcoin darzustellen. Wir können dort nicht sagen: Wenn ich langfristig investiere, kann ich dies oder jenes erwarten. Wir haben vier grundlegende Prinzipien für langfristigen Vermögensaufbau: ein richtiges Anlageziel setzen, eine Balance im Portfolio schaffen, Kosten senken und diszipliniert bleiben. Gerade die ersten zwei Grundsätze lassen sich mit Bitcoin nicht umsetzen.
Schließen Sie Bitcoin-Investments auch für die Zukunft aus, oder behalten Sie sich vor, sich möglicherweise noch einmal umzuentscheiden?
Külps: Wenn ich unseren jetzigen CEO höre, habe ich das Gefühl, dass Vanguard auch in Zukunft keine Bitcoin-Produkte auflegen wird. Wir müssen uns auch treu bleiben, sonst würden wir an Glaubwürdigkeit verlieren. Deswegen legen wir auch keine Themenfonds auf. Wir fragen uns immer, ob ein Fonds auch in 20, 30 oder sogar 100 Jahren noch relevant ist.
Was plant Vanguard als nächstes – weltweit und für Deutschland?
Külps: Wir beobachten, dass Anlagelösungen, Solutions, immer wichtiger werden. Damit müssen wir Beratern noch mehr unter die Arme greifen. Große Plattformen wollen die Anlage für ihre Anlageberater mehr standardisieren. Weil Berater realisieren, dass sie ihren Kunden zu mehr Disziplin verhelfen können, wenn sie eine standardisierte Anlage anbieten. Sie sparen dann Zeit beim Portfoliomanagement und können sich stärker um eine ganzheitliche Anlageberatung kümmern. Außerdem: Bonds are back, Anleihen haben wieder Realrenditen. Anleihen sind nicht nur ein Risikopuffer, sondern können auch Rendite ins Portfolio bringen. Die Rückkehr der Anleihen dürften wir über die nächsten Jahre weiter beobachten. Wenn ich über Plattformen nachdenke – dort sparen deutsche Privatanleger noch sehr wenig in Anleihen. Damit verbunden könnten auch Multi-Asset-Lösungen wieder an Aufwind gewinnen. In Deutschland ist Multi-Asset im aktiven Bereich sehr beliebt. Ich glaube, dass es auch auf der Passiv-Seite noch gute Möglichkeiten gibt, um dort in Deutschland Investoren zu gewinnen.
Über den Interviewten:
Sebastian Külps leitet den Geschäftskundenvertrieb für Deutschland und Nordeuropa bei der US-Fondsgesellschaft Vanguard. In der Vergangenheit hatte er unterschiedliche Führungspositionen unter anderem für die Bank Oddo Seydler, den Vermögensverwalter Kepler Chevreux und die Deutsche Bank inne. Külps verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche.



