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„Zunehmend unentbehrlich“ Chinesische Seidenstraße – Irrweg oder Ausweg?

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Doch die Pläne der Regierung zur Ankurbelung der Kreditvergabe, zur Lockerung der Finanzierungsbedingungen sowie zur Deregulierung des digitalen Sektors haben bereits Früchte getragen. So stieg der Einkaufsmanagerindex im Juni auf 54,1. Auch wenn man den chinesischen Daten mit einer gewissen Skepsis begegnen sollte, enthalten sie wahrscheinlich ein Körnchen Wahrheit. Schließlich reagierten chinesische Aktien (MSCI China in US-Dollar) im zweiten Quartal mit einem leichten Anstieg auf die Stimmungsverbesserung. Zeitgleich gingen globale Aktien um mehr als 15 Prozent nach unten.

Westliche Geopolitik spielt China in die Karten

China kommt also aus dem Tief. Gleichzeitig steigt im Rest der Welt die Angst vor einer Rezession. Das Pendel schlägt zu beiden Seiten gleich stark aus. Sofern es zu einer globalen Rezession kommt, dürfte sie den Westen allerdings härter treffen als China. Denn aufgrund der hohen Inflation können die westlichen Zentralbanken ihre Wirtschaft nicht stützen. Der Krieg in der Ukraine kommt noch hinzu. Von beiden Faktoren ist das Reich der Mitte bisher nicht betroffen, und das dürfte auch so bleiben, sofern es Taiwan nicht direkt angreift.

In gewissem Maße kommt China sogar der Krieg in der Ukraine zugute. Zum einen will der Westen verhindern, dass China Russland umfassend unterstützt. Um dies zu erreichen, sind die G7 zweifellos zu wirtschaftlichen oder politischen Zugeständnissen bereit. Zum anderen profitiert das Land, ebenso wie Indien, bereits davon, dass die russischen Energieexporte, die in Europa nicht mehr abgenommen werden, in den Osten umgelenkt werden. Dieses unverhoffte Angebot an billiger Energie in Kombination mit einer entschlossenen Atompolitik erhöhen die Chancen für einen Aufschwung. Und die EPR-Reaktoren in China funktionieren.

China für den Westen zunehmend unentbehrlich

Auch wenn China die USA mit seiner wirtschaftlichen und geopolitischen Stärke in Angst und Schrecken versetzt, wird es für die westliche Wirtschaft zunehmend unentbehrlich. Denn diese benötigt das Land sowohl als Produktionsstandort als auch als Absatzmarkt. Sie braucht es, um die Preise von Importgütern zu dämpfen und Abnehmer für ihre Waren zu finden – während die westlichen Konsumenten unter der hohen Inflation leiden.

Wie bei jeder Krise seit 2008 kommt China dem Westen unfreiwillig zu Hilfe. Die westlichen Länder ihrerseits würden gerne auf diese Unterstützung verzichten, sind hierzu aber immer weniger in der Lage. Ähnliches gilt für Russland: Das Land wird immer stärker von seinem riesigen Rivalen im Osten abhängig.

Für den Westen stellt die Seidenstraße somit gleichermaßen einen politischen Irrweg dar. Für die westliche Wirtschaft hingegen erscheint sie zunehmend als der einzige Ausweg.

Über den Autor:
Olivier de Berranger ist Anlagechef bei LFDE.

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