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Von , Lesedauer: 7 Minuten
Superheld auf dem Gipfel
Superheld auf dem Gipfel: Selbstüberschätzung hilft dabei, sich zu trauen, Geld am Kapitalmarkt zu investieren, kann jedoch auch negative Konsequenzen haben. | Foto: Christin Jahns mit Canva-KI

Wir Menschen treffen täglich, stündlich und minütlich Entscheidungen. Wir entscheiden, was wir wann essen, was wir in unserem Job machen, und darüber, ob wir konsumieren, oder in unsere (finanzielle) Zukunft investieren. Unsere Entscheidungen beruhen auf unseren Fähigkeiten und Leistungen in der Vergangenheit. Und unserem Wissen. Wie wir selbst unsere Fähigkeiten, Leistungen und unser Wissen einschätzen, beeinflusst wiederum unsere Entscheidungen.

Der ganze Börsenhandel wird angetrieben vom Glauben vieler aktiver Investoren der nächste Warren Buffett, David Tepper, Ken Griffin, Ray Dalio, Jim Simons oder eine sonstige Börsenikone zu sein. Zumindest aber bald finanziell unabhängig zu werden. Das statistische Problem ist jedoch, dass niemals alle dieses Ziel erreichen können, sondern es logischerweise neben Gewinnern immer auch Verlierer oder zumindest durchschnittliche Performer geben muss.

Hier zeigt sich bei vielen Menschen das Phänomen der Selbstüberschätzung beziehungsweise Overconfidence. Damit ist gemeint, dass diese die eigenen Fähigkeiten und Leistungen systematisch besser einschätzen, als sie tatsächlich sind. Dieses Phänomen ist – zumindest im Durchschnitt – bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen.

Selbstüberschätzung kann positiv wirken…

Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin
Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin © Privat

Selbstüberschätzung ist im alltäglichen Leben keineswegs zwangsläufig negativ. Wer sich selbst überschätzt, ist oft zufriedener als derjenige, der sich selbst realistisch ein- oder gar unterschätzt. Menschen, die sich selbst überschätzen, wagen häufiger eine Existenzgründung, die ja nicht zwangsläufig scheitern muss, sondern auch sehr erfolgreich ausgehen kann. Selbstüberschätzung hilft sogar beim Dating: Wer sich selbst für höchst attraktiv hält, wird weniger Hemmungen haben potenzielle Partnerinnen oder Partner anzusprechen und erreicht dadurch mehr Kontaktpunkte und hat somit eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit, die richtige Partnerin oder den richtigen Partner zu finden.

Nicht zuletzt hilft Selbstüberschätzung dabei, die mentalen Hürden zu überwinden, um selbst Geld am Kapitalmarkt zu investieren – wer sich zutraut, mit den Risiken klarzukommen, wird eher investieren als jemand, der sich dies nicht zutraut. Letzterer wird eher dem Provisionsberater vertrauen, der aber nicht zwangsläufig in seinem Interesse handelt, Copy-Tradern folgen (die in Wahrheit hohe unrealisierte Risiken in den Büchern und andere Handelsmargen haben), oder Affiliate Coaches folgen, die lediglich ein Interesse an hohen Umsätzen und nicht an der Rendite der Anleger haben.

Diese positiven Effekte treten allerdings nur dann ein, wenn man es mit der Selbstüberschätzung nicht übertreibt.

 

… aber auch extrem negativ

Die negativen Folgen von Selbstüberschätzung darf man jedoch keineswegs kleinreden. Denn zu den Folgen gehören ebenso übertriebenes Risikoverhalten beim Sport oder beim Autofahren mit schweren Unfällen. In der Weltgeschichte und leider bis heute wurden langwierige und blutige Kriege vom Zaun gebrochen in der von Selbstüberschätzung getriebenen Erwartung, diese schnell gewinnen zu können.

Bei der Geldanlage kann Selbstüberschätzung zu hektischen Käufen und Verkäufen, aka „Overtrading“, mit sehr hohen Handelskosten führen, was die langfristige Rendite erheblich schmälert. Ebenso führt es zu schlechtem Risikomanagement und Nicht-Befolgen der eigenen Strategie.

Zudem kann die feste Überzeugung, die nächste Nvidia-, Rheinmetall-, Morphosys- oder KI-Aktie als kommende Kursrakete gefunden zu haben, dazu führen, übermäßige Risiken einzugehen und die Diversifikation zu vernachlässigen.

Selbstüberschätzung: Steinzeitliche Überlebensstrategie unseres Gehirns

Die Selbstüberschätzung ist – wie so viele psychologische Phänomene – ein Erbe der Anpassung unseres Gehirns an ein Leben in der Altsteinzeit. Das damalige Leben war hart und entbehrungsreich, die Menschen litten als Jäger und Sammler unter permanenter Nahrungsknappheit und waren tödlichen Bedrohungen durch Unwetter, Raubtiere und andere Menschen ausgesetzt.

Wer unter diesen extrem harten Bedingungen seine Horde erfolgreich als Jäger mit Nahrungsmitteln versorgen wollte, musste eine gewisse Selbstüberschätzung an den Tag legen, sonst hätte er sich möglicherweise wegen der Aussicht auf eine Auseinandersetzung mit Löwen, Säbelzahntigern und vielen anderen Risiken überhaupt nicht aus seiner Höhle getraut.

In einer Welt, in der tödliche Risiken ohnehin alltäglich waren, überwog der Nutzen der Selbstüberschätzung den Schaden, den sie anrichtet. In der modernen Welt hingegen kommen die eigentlich beherrschten Risiken erst durch Risikoverhalten als Folge von Selbstüberschätzung wieder auf.

 

Selbstüberschätzung: So kannst du dich bei der Geldanlage schützen

  • Der erste Schritt zur Überwindung der negativen Folgen von Selbstüberschätzung besteht darin, sich ihre Existenz überhaupt bewusst zu machen, zum Beispiel durch spezialisierte Anlegertests, wie den Secor-Persönlichkeitstest. Dabei werden insbesondere die zwei wesentlichen Formen der Selbstüberschätzung für die Geldanlage gemessen: die Überschätzung des eigenen Wissens und die sozialpsychologische Anpassungs-Kompetenz.
  • Das Einholen von proaktivem Feedback von Freunden oder Kollegen kann dabei helfen, herauszufinden, ob eine eingeschlagene Strategie wirklich so genial ist, wie man das möglicherweise selbst glaubt.
  • Bei der Geldanlage kann es auch helfen, sich ein regelbasiertes Anlagesystem zuzulegen, um nicht zu sehr auf den heißen Tipp des der Selbstüberschätzung unterliegenden eigenen Gehirns hereinzufallen. Ein einfaches System könnte beispielsweise die Festlegung einer Höchstgrenze für einzelne Positionen sein.

Über die Autoren 

Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin sind Gründer der Finanzakademie – by Pro Coaching. In den vergangenen Jahrzehnten haben die beiden an der Börse selbst schmerzliche Erfahrungen mit Fehlern gemacht, die eigentlich vermeidbar gewesen wären.

In der Serie „Geld-Psychologie" schreiben sie über Fallen, die unser Gehirn uns stellt, um dir dabei zu helfen, sie aufzudecken und zu vermeiden. Mehr Infos und Weiterbildungsangebote findest du auf Finanzakademie – by PRO Coaching. 

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