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Sell in May and go away Börsenweisheit oder -kalauer?

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Doch dass die aktuelle Berichtsaison für das erste Quartal in puncto Vergangenheitsbewältigung wenig rühmlich ist, muss die Mai-Börsenregel nicht bewahrheiten. Da laut Umfragen das Vertrauen in die Lösung der (handels-)politischen Konflikte wächst, werden die Ausblicke zunehmend aufgehellt ausfallen. U.a. ist davon auszugehen, dass die dramatischen Konjunkturstützungsaktionen in China die Weltkonjunktur im zweiten Halbjahr wieder anschieben.

Und so wie bislang eine schlechte Konjunkturprognose und eine Gewinnwarnung die nächste jagte, funktioniert das Spiel auch umgekehrt. Trotz noch schwieriger Konjunkturlage stärkt jede Erwartung auf -verbesserung die Aussichten auf einen sonnigen Aktien-Sommer.
Bleibt - wie geldpolitisch zu erwarten - Zinssparen ein Synonym für geplante Vermögensvernichtung, haben wir es mit einem Anlagenotstand zu tun, der nicht nur saisonal begrenzt, sondern auch im vermeintlichen Sommerloch Befriedigung am Aktienmarkt sucht.

Welcher Vermögensverwalter will schon auf einen schönen Börsensommer verzichten? Wer weiß, ob man diesen entgangenen Gewinn später im Jahr noch wettmachen kann. Eventuell ist die Gesamtjahresperformance so schlecht, dass die Kunden zur Konkurrenz abwandern.

Kein klarer statistischer Zusammenhang zwischen Börsenweisheit und Aktienverlauf

Unterzieht man die Börsenweisheit einer historischen Überprüfung für die letzten 30 Jahre, hat sie bezogen auf den Dax 17 Mal funktioniert und 13 Mal versagt. Damit ist sie nicht viel überzeugender als eine bekannte Wetterweisheit: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist.

Insgesamt macht es für den Privatanleger keinen Sinn, auf diesen saisonalen Börsenkalauer zu setzen. Die saisonal systematisch richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkte gibt es offensichtlich nicht. Ansonsten gäbe es an der Börse nur noch Millionäre. Dem ist aber nicht so. Kein Anleger sollte also seine langfristige Aktienstrategie durch kalenderabhängiges Verkaufen und Kaufen gefährden.

Selbst wenn sich die saisonale Börsenregel bewahrheiten würde, wäre sie kein Grund, den Aktienmarkt zu verlassen, im Gegenteil. Gerade sinkende Kurse sind doch das attraktive Umfeld für regelmäßige Aktiensparpläne als beste Form der Altersvorsorge. Denn wenn es ab Herbst wieder aufwärtsginge, hätte man die wirkliche Börsenweisheit „Im Einkauf liegt der Gewinn“ optimal befolgt.  

Was bleibt also von der Börsentheorie praktisch übrig? Sie ist so etwas wie eine Bauernregel, die allerdings durch den Klimawandel stark verwässert wurde.

Autor Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in Frankfurt.

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