Robert Halver zu Börsenweisheiten Sell in May and go away?
Und, könnte sich die Börsenregel in diesem Jahr bewahrheiten? Weder die Geldpolitik in den USA noch Europa wird eine knallharte Inflationsbekämpfung betreiben, wie es ihre knallharte Rhetorik vermuten lässt. Die Wahrheit ist doch, dass die Finanzierung der Überschuldung, des grünen Wirtschaftsumbaus, der Digitalisierung, der Aufrüstung sowie der Glättung der Konjunktur- und sozialen Risiken infolge des Ukraine-Kriegs keine radikale geldpolitische Schubumkehr zulassen, ohne die Büchse der Pandora zu öffnen. Hier passt das frühere Motto eines bekannten Elektronikhändlers auch zu einem Geldpolitiker: „Ich bin doch nicht blöd.“
Sowieso ist denkbar, dass sich im Sommer allmählich ein Inflationsgipfel einstellt. Die Inflations-Überraschungen in den USA geben im positiven Sinne bereits nach. Das verringert die Angst am Aktienmarkt vor im Sommerloch übertriebenen Zinserhöhungen durch die Fed.

Die Finanzmärkte haben der Fed mit höheren Zinserwartungen ohnehin bereits viel Arbeit abgenommen. Sie muss also selbst weniger restriktiv werden.
Natürlich, im Moment gibt es einige Anzeichen für einen fundamental verregneten Börsen-Sommer wie brüchige Lieferketten, Rohstoffknappheit, Covid-Lockdowns im früheren Konjunkturwachstumstempel China, was in der Berichtsaison und in Ausblicken bereits für Trauerbeflaggung sorgt. Doch wenn zum Beispiel China seine coronale Wirtschaftsschließung lockert, kann sich der Spieß vor allem für Konjunkturwerte wieder umdrehen.
Aber auch Unangenehmes kann passieren. Die große Unbekannte ist die Kriegsentwicklung in der Ukraine mit all ihren Konsequenzen für Energieversorgung und -preise.