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"Selten war die Geldmenge von Europa und den USA so verschieden"

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Unterschiede zwischen den USA und Europa beim Tapering

Erstens war die Verringerung der Geldmenge in Europa anders als den USA kein geldpolitischer Kurswechsel. Sie beruhte vielmehr auf der Initiative der Banken, die Kredite im Rahmen des LTRO (Longer Term Refinancing Operation) vorzeitig zurückzuzahlen. Es ist sogar zu vermuten, dass das der EZB angesichts der schwachen Konjunktur und der Probleme in der Währungsunion gar nicht ganz recht war.

In jedem Fall hat sie versucht, mögliche negative Wirkungen der Geldmengenverringerung aufzufangen durch zwei Zinssenkungen, durch die "Forward Guidance" (= das Versprechen, die Leitzinsen auf absehbare Zeit niedrig zu halten) und durch den Hinweis, dass es ein neues LTRO-Programm geben könnte.

Zweitens operiert die EZB nicht wie die Federal Reserve direkt am Markt. Damit beeinflusst sie auch nicht die Kapitalmarktzinsen. Wenn dagegen die Fed ihre Wertpapierkäufe verringert, gibt es weniger Nachfrage nach Bonds. Die Zinsen müssen automatisch steigen. Das "Tapering in Europa" ist kapitalmarktschonender.

Drittens ist in Europa nur das tatsächliche Zentralbankgeld zurückgeführt worden, nicht aber die Liquidität im Sinne der jederzeitigen Verfügbarkeit von Geld. Die EZB hat den Banken im Gegenteil ausdrücklich zugesichert, dass sie alle Tender voll zuteilen würde, die Banken also weiter Geld zu praktisch Nullzinsen bekommen können.

Das wäre in den USA beim Tapering nicht der Fall. Wenn die Federal Reserve keine Wertpapiere mehr kauft, bekommen die Banken weniger Mittel. Insofern ist die amerikanische Politik einschneidender.

Insgesamt ist die Situation in den USA also anders. Es ist daher kaum zu erwarten, dass das Tapering in den USA am Ende ebenso ein "Non-Event" ist wie in Europa. Andererseits sollte man die Erfahrungen der EZB aber auch nicht ganz vom Tisch wischen.

Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Aktienkursen und Bonds-Zinsen ist nicht festgemauert. Es kann gelingen, die Liquidität zu verringern, ohne die Märkte in Unordnung zu bringen. Das zeigt auch die Erfahrung der letzten großen Restriktionsperiode 2004/2006 in den USA, als die massiven Zinserhöhungen die Märkte kaum tangierten.

Wichtig ist allerdings, dass die Notenbank dabei klug agiert. Sie muss den Märkten die Ängste nehmen. Sie muss klar machen, dass sie die Geldpolitik zwar normalisieren, sie aber nicht restriktiv gestalten will. Sie muss zeigen, dass auch sie kein Interesse daran hat, dass Aktienkurse und/oder Bonds-Preise zusammenbrechen.

Die Märkte werden – das muss deutlich werden – im Gegenteil nach Abschluss des Tapering gesünder dastehen, weil sie dann weniger von Liquidität und mehr von fundamentalen Faktoren getrieben werden. Das zu erklären wird die Aufgabe der neuen Fed-Chefin Janet Yellen sein.

Für den Anleger

Nach den Erfahrungen in Europa halte ich die Befürchtungen hinsichtlich des Tapering in den USA für übertrieben. Die Verringerung des Zuwachses an Liquidität muss nicht zu einem Blutbad an den Märkten führen. Voraussetzung ist freilich eine gute Kommunikation. Daher halte ich nach wie vor an der Erwartung fest, dass die Fed unabhängig von allen Konjunkturdaten mit dem Tapering erst dann beginnen wird, wenn der Chefsessel neu besetzt ist.

Die neue Präsidentin ist die Einzige, die den Märkten die notwendige Führung ("Guidance") geben kann. Das ungeduldige Warten der Märkte auf das Tapering in diesen Wochen mutet etwas merkwürdig an. Jeder weiß inzwischen, dass die Wirtschaft robust genug ist, um auch mit weniger Liquidität auszukommen.

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