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Showdown am Bosporus Darum sollte die Türkei-Krise Anleger nicht kalt lassen

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4. Auswirkungen auf Handelsströme

Die Handelsverflechtungen der Türkei mit dem Rest der Welt bergen kaum Sprengstoff: Innerhalb der Schwellenländer machen lediglich im Falle von Vietnam und Malaysia Exporte in die Türkei mehr als ein Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Auch aus Sicht der deutschen Exportwirtschaft ist die Türkei ein eher nachrangiger Handelspartner. Das Land lag im Jahr 2017 sowohl beim Export als auch beim Import auf Rang 16. Während Deutschland aus Sicht der Türkei nach China der zweitwichtigste Exportmarkt ist, gingen 2017 gerade einmal Ausfuhren „Made in Germany“ im Gegenwert von 21,5 Milliarden Euro in die Türkei. Zum Vergleich: Das gesamte deutsche Ausfuhrvolumen lag bei 1,278 Milliarden Euro. Auch für die Schweiz und Österreich sind die Verbindungen zur Türkei beim Außenhandel überschaubar.

Aus unserer Sicht wäre es dennoch fahrlässig, das Risiko eines ökonomischen Absturzes der Türkei zu unterschätzen. Mit dem ökonomischen Niedergang wäre nämlich vermutlich eine politische Destabilisierung verbunden. Selbst unter den guten ökonomischen Bedingungen der vergangenen Jahre vermochte Präsident Erdogan gerade einmal die Hälfte der Bevölkerung hinter sich zu bringen. Die Eliten in den großen Städten der Westtürkei blieben skeptisch. Im Fall einer rapiden ökonomischen Verschlechterung könnte nun also schnell ein Machtvakuum entstehen. Ein erneutes Greifen nach der Macht seitens des Militärs durch Erdogan könnte dann ebenso wenig ausgeschlossen werden wie eine weitergehende Destabilisierung.

Gefährlich ist dies für Europa vor allem wegen der besonderen strategischen Position der Türkei. Das Land bildet quasi einen Puffer zwischen der Europäischen Union und dem Mittleren Osten mit seinen „Failed States“ Syrien und Irak. Allein aus dem Bürgerkriegsland Syrien beherbergt die Türkei derzeit rund 3,5 Millionen Flüchtlinge, von denen viele darauf hoffen, eines Tages Richtung Europa weiterziehen zu dürfen. Sollte eine ökonomisch geschwächte und gesellschaftlich destabilisierte Türkei nicht mehr willens sein, diesen Flüchtlingen weiterhin Unterschlupf zu gewähren, könnte eine erneute Wanderung nach Europa einsetzen.

Darüber hinaus könnte sich eine wirtschaftlich in die Enge getriebene Türkei neue Partner suchen. Russland etwa hat schon immer ein strategisches Interesse am Bosporus gehabt, welches nach der Vereinnahmung der Krim noch gewachsen ist. Und auch China bietet die Türkei als Verbindungsstück zur neuen Seidenstraße eine Möglichkeit, auch räumlich nah an den Rivalen Europäische Union (EU) heranzurücken.

Selbst wenn wir zu dem Schluss kommen, dass die ökonomischen Auswirkungen einer Türkeikrise beherrschbar sind, hat Europa dennoch ein erhebliches strategisches Interesse an einer stabilen türkischen Wirtschaft. Wirtschaftliches Entgegenkommen seitens der EU halten wir daher für wahrscheinlicher als ein formales Eingreifen des IWF oder das selbstbestimmte Umschwenken auf einen drastischen Konsolidierungskurs.

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