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EU-Taxonomie „Sie müssen nicht mehr Geld ausgeben“

Silke Stremlau ist als Vorständin für die nachhaltige Kapitalanlage der Hannoverschen Kassen verantwortlich.
Silke Stremlau ist als Vorständin für die nachhaltige Kapitalanlage der Hannoverschen Kassen verantwortlich. | Foto: Hannoversche Kassen

DAS INVESTMENT: Am Silvesterabend wurden Regeln für nachhaltige Investitionen in Europa vorgestellt, die sowohl Erdgas als auch Atomkraft als grüne Energien einstufen. Viele Umweltaktivisten sehen darin einen „Supergau für das Klima“. Zu Recht?

Silke Stremlau: Ja. Ich werte das auch als eine fatale Entscheidung der EU-Kommission und eher politisch geprägt als an wissenschaftlichen Kriterien orientiert. Es ist ja unbestritten, dass Gas und in manchen Ländern auch Atomenergie als „Brückentechnologie“ noch einige Jahre fungieren können. Aber bei der Taxonomie sollte es um wirklich nachhaltige Wirtschaftszweige ohne erhebliche Umweltschäden gehen, die einen langen Investitionszeitraum abdecken, und da scheiden für mich Gas und Atom definitiv aus. Dies sehen auch die Experten so, die die Taxonomie entwickelt haben.

Was erwarten Sie nun von der Bundesregierung?

Ein deutliches Eintreten für eine wirklich zukunftsfähige Taxonomie. Olaf Scholz und Christian Lindner sollten den Franzosen deutlich machen, dass diese ihre Atomkraftwerke weiter betreiben können, aber sie sollen sie nicht mit dem Etikett „nachhaltig“ labeln. Allerdings glaube ich, es ist zu spät, diese Kuh vom Eis zu holen. Das wäre ein Gesichtsverlust für Macron, und das werden alle verhindern wollen. Es ist ein Paradebeispiel für öffentlich eskalierte Konflikte, die nicht vorher abgeräumt werden.

Derzeit dreht sich beim Thema umweltfreundliche, soziale und ethische Unternehmensführung, für die die Abkürzung ESG steht, alles um den Klimaschutz. Wann rechnen Sie mit konkreten Vorgaben für soziale und ethische Aspekte? 

Das Gremium Platform on Sustainable Finance, das der Europäischen Kommission zuarbeitet, hat bereits Vorschläge für eine soziale Taxonomie unterbreitet. Mitgliedern der Arbeitsgruppe zur sozialen Taxonomie zufolge wird es aber noch dauern, bis ein finaler Kriterienkatalog als Gesetz vorliegt. Das wird eher 2023 werden. Aber die Zeit drängt, da schon in Teilen Gelder aus dem sozialen Bereich abgezogen werden, um sie in Taxonomie-konforme Umweltbereiche zu investieren.

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Auf dem Klimagipfel in Glasgow wurde das Ziel festgelegt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Welche Rolle kommt der Versicherungswirtschaft beim Erreichen dieses Ziels zu?

Die Versicherungswirtschaft ist ein mächtiger Kapitalanleger mit einem Langzeithorizont – dieser Hebel darf noch mehr als bisher genutzt werden.

Zum 1. Januar trat der erste Teil der EU-Taxonomieverordnung in Kraft, der die beiden Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel definiert. Was ändert sich damit für Versicherer und Pensionskassen? 

Zum einen sind Versicherer und Pensionskassen durch die Offenlegungsverordnung zu mehr Transparenz in ihren vorvertraglichen Informationen und sonstigen Berichten verpflichtet. Sie müssen darlegen, ob und wie sie ESG-Kriterien bei der Kapitalanlage berücksichtigen oder ob die Vergütung des Vorstands an Nachhaltigkeitszielen orientiert ist. Rückversicherer und Nicht-Lebensversicherer müssen darüber hinaus neben ihren Investitionen auch ihre Versicherungsaktivitäten bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit überprüfen. Da geht es zum Beispiel darum, ob die Versicherung Anreize für ökologisches Verhalten der Versicherungsnehmer bietet oder ob sie moderne Klima-Szenario-Modelle verwendet.

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