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Von Lesedauer: 9 Minuten
Solarzellen und Elektroautos
Solarzellen und Elektroautos: Die Energiewende sorgt für eine steigende Silbernachfrage durch neue Anwendungsbereiche. | Foto: Benita Rathjen mit Canva-KI

Nicht nur der Goldpreis steigt von Rekord zu Rekord. Auch der sogenannte kleine Bruder Silber profitiert von einer steigenden Nachfrage. Beide Edelmetalle werden weltweit in großem Umfang für Schmuck verwendet, aber auch seit Jahrhunderten als Geldanlage sowie Wertaufbewahrungsmittel geschätzt und als Tauschmittel genutzt.    

Silber wird als Industriemodell in Bereichen wie Photovoltaik, dem Bau von Elektroautos und bei dem Einsatz von künstlicher Intelligenz zudem immer bedeutsamer. Die neuen Anwendungszwecke führen zu tiefgreifenden Verschiebungen im Silbermarkt – und könnten langfristig auch den Preis beeinflussen.

Die zahlreichen Anwendungszwecke von Silber 

Seine vielfältigen Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten machen Silber zu einem außergewöhnlichen Metall. Es ist dehnbar und formbar ohne zu brechen und lässt sich leicht bearbeiten. Außerdem ist es eines der Metalle, die am stärksten glänzen und reflektieren. Deshalb ist es ein bevorzugtes Material für den Schmucksektor – 8 Prozent der Silbernachfrage entfielen 2022 allein darauf.

Als einer der besten Stromleiter der Welt wird Silber auch als Industriemetall, zum Beispiel in Schaltkreisen, Kabeln und elektrischen Schaltern, verwendet. Aufgrund seiner flexiblen Formbarkeit ist es zudem für die kleinsten elektronischen Bauteile, etwa in Smartphones und Computern, unverzichtbar.

Auch die meisten Autos enthalten Silber. Dank seiner hohen elektrischen Leitfähigkeit und Haltbarkeit ist Silber die ideale Substanz für die Beschichtung elektrischer Kontakte. Durch das Auftragen von Silberfarbe auf nicht-metallische Oberflächen werden diese zu elektrischen Leitern, sodass keine Drähte mehr benötigt werden. Papierdünne Antennen von Elektronikchips bestehen aus Silberpulver. Aufgrund dieser einzigartigen Eigenschaften ist es schwierig, Silber durch ein anderes Metall zu ersetzen.

Weniger bekannt ist die Verwendung von Silber in der Pharmazie und Biotechnologie, obwohl diese Anwendungen weit verbreitet sind. Denn Silber hat die Eigenschaft, in Bakterienzellen einzudringen – ohne gesunde Zellen zu schädigen – um damit zu verhindern, dass eine Mikrobe sich vermehrt. Silberionen können also als Biozid eingesetzt werden. Dies wird immer wichtiger, da der übermäßige Einsatz von Antibiotika zu zahlreichen bakteriellen Resistenzen führt.

Eingeschränkte Produktion

In seiner reinsten Form kommt Silber manchmal in der Erdkruste vor. Häufiger wird es aber als Nebenprodukt aus Minen gewonnen, in denen auch andere Metalle wie Gold, Kupfer oder Blei abgebaut werden, von denen es getrennt werden muss. Mehr als 70 Prozent des geförderten Silbers stammt aus solchen Minen.

Silberproduktion nach Ursprung 2023
Silberproduktion nach Ursprung 2023

2023 belief sich das weltweite Silberangebot auf 29.000 Tonnen, davon 23.800 Tonnen aus der Primärproduktion, also gefördertes Silber. Dazu kamen etwas mehr als 5.000 Tonnen, die im Laufe des Jahres recycelt wurden.

Was die geografische Aufteilung betrifft, so war Mexiko mit etwa 23,5 Prozent der weltweiten Primärproduktion im Jahr 2023 der wichtigste Silberproduzent, gefolgt von China und Peru mit Anteilen von jeweils zwischen 12 und 14 Prozent. Ansonsten ist die Produktion ziemlich weit verstreut. Die Silberreserven belaufen sich weltweit auf 530.000 Tonnen, was gerade einmal der Produktion von 20 Jahren entspricht.

Wie bei vielen anderen Metallen gibt es auch bei der Silberproduktion trotz der schnell steigenden Nachfrage ernsthafte Schwierigkeiten: Soziale Unruhen, Streiks und Unzufriedenheit mit den lokalen Regierungen haben den Bergbau mancherorts zum Erliegen gebracht. Und die Betriebs- und Finanzierungskosten sind gestiegen, weil eine geringere Erzkonzentration zu Produktionsrückgängen in einigen Minen geführt hat. Diese Faktoren haben bewirkt, dass die primäre Silberproduktion im Jahr 2023 um ein Prozent zurückgegangen ist.

Dieser Produktionsrückgang ist nichts Neues. Die Erträge sind seit mehr als zehn Jahren rückläufig. Auch für 2024 wird ein weiterer Rückgang der Primärsilberproduktion um ein Prozent erwartet. Die Ursache dafür liegt vor allem in der sinkenden Ausbeute im Bergbau.

Jährlicher Silber-Vorrat
Jährlicher Silber-Vorrat

In Kombination mit dem finanziellen Druck, der auf den Bergbauunternehmen lastet, und den derzeitigen Silbermarktpreisen verhindern die genannten Schwierigkeiten neue Investitionen in diesem Sektor. Das wiederum schließt eine erhebliche Steigerung des Angebots in den kommenden Jahren aus – zumal es inzwischen durchschnittlich 17 Jahre dauert, bis eine neue Mine eröffnet wird.

Dem schwächelnden Angebot steht eine weltweite Nachfrage von 33.000 Tonnen im Jahr 2023 gegenüber. Somit gab es bereits das dritte Jahr in Folge ein erhebliches Angebotsdefizit, das fast 15 Prozent der weltweiten Nachfrage entspricht.

Ein Grund dafür, dass der Markt dieses Defizit auffangen konnte, ohne einen Preisanstieg auszulösen, sind die beträchtlichen Silbervorräte. Ende 2023 beliefen sich die offiziell bekannten Bestände auf 1.229,9 Millionen Unzen beziehungsweise 38.036 Tonnen Silber. Ein Teil dieser Bestände wurde angezapft, um den Nachfrageüberschuss zu decken. 

Das Defizit wird sich allerdings zukünftig weiter verstärken, da Silber durch die Energiewende in weiteren Bereichen verwendet wird.

Neue Anwendungen durch Energiewende

Silber spielt eine entscheidende Rolle im Photovoltaik-Sektor, einem boomenden Markt, der eine der wichtigsten Quellen für die CO2-freie Stromerzeugung ist. Silberpulver wird als Paste auf Siliziumscheiben aufgetragen, um ein Solarpaneel herzustellen. Wenn das Sonnenlicht auf das Paneel trifft, werden Elektronen freigesetzt und das Silber leitet den Strom zur sofortigen Nutzung oder zur Speicherung weiter. Die Silbernachfrage in dieser Branche steigt stark an: Von weniger als 5 Prozent im Jahr 2014 überstieg ihr Anteil an der weltweiten Nachfrage 2023 bereits 15 Prozent. 2024 werden voraussichtlich fast 20 Prozent der Nachfrage aus der Photovoltaikbranche stammen.

Die derzeit vorherrschende Solarzellentechnologie – die Zelle mit passiviertem Emitter und Rückseitenkontakt (PERC) – wird von zwei effizienteren Technologien verdrängt. Topcon-Solarzellen (Tunnel Oxide Passivated Contact) verbrauchen 13 Milligramm Silber pro Watt, Heterojunction-Zellen sogar 22 Milligramm, während die derzeitigen PERC-Zellen nur 10 Milligramm benötigen. Dementsprechend wird der Silberbedarf in dieser Branche erheblich steigen, da die beiden neuen Technologien den Markt in den nächsten zwei Jahren dominieren dürften.

Einige Hersteller versuchen zwar, Silber für die Herstellung von Solarzellen durch andere Metalle, wie zum Beispiel Kupfer, zu ersetzen. Dabei stoßen sie derzeit aber auf zwei Hindernisse: Erstens liegen die Leistungen dieser Paneele weit unter denen der silberhaltigen Paneele, und zweitens ist die Nachfrage nach Kupfer aufgrund der Elektrifizierung und Digitalisierung der Wirtschaft sowie aufgrund von Produktionsengpässen sogar noch deutlich höher. Diese beiden Faktoren schränken die Möglichkeiten für eine Substitution in großem Maßstab ein.

Neben der Photovoltaik ist ein weiterer Markt für Silber im Entstehen, der bereits von beträchtlicher Größe ist und ein starkes Wachstum erwarten lässt: Elektrofahrzeuge. Silber ist zwar bereits jetzt in den meisten modernen Batteriekategorien zu finden: von Taschenlampen bis hin zu den Batterien der Apollo-Mondlandefähre aus den 1960er Jahren. Doch der Boom von Elektrobatterien im Verkehrssektor führt nun zu einem erheblichen Anstieg der Silbernachfrage. Ein E-Fahrzeug enthält 25 bis 50 Gramm Silber im Vergleich zu 18 bis 34 Gramm in einem Auto mit Verbrennungsmotor. Die Anwendung im E-Auto ist dabei äußerst vielfältig: In Form von Silberpaste zwischen den Batteriezellen wird es zur Stromleitung verwendet. Es wird auch in Schweißnähten, Leistungsschaltern oder auch stromleitenden Komponenten an Ladestationen eingesetzt.

Ein E-Fahrzeug enthält annähernd doppelt so viel Silber wie ein Verbrenner.
Ein E-Fahrzeug enthält annähernd doppelt so viel Silber wie ein Verbrenner.

Der Silberverbrauch in den neuen Märkten Photovoltaik und E-Mobilität machte im Jahr 2023 bereits 26 Prozent der weltweiten Nachfrage aus – vor 20 Jahren lag er noch bei null. 

Der Anteil der Silberproduktion, der vom Photovoltaik-Sektor verbraucht wird, wächst schnell. Während er 2023 noch 19 Prozent des weltweiten Angebots ausmachte, wird er 2024 voraussichtlich mehr als 23 Prozent einnehmen. Zusammen mit der Nachfrage der EV-Industrie werden diese neuen Anwendungen in diesem Jahr voraussichtlich fast 40 Prozent des weltweiten Angebots ausmachen. Und das Wachstum in diesen beiden Segmenten steht erst am Anfang. Allein im Solarsektor wird das Rekordvolumen an Installationen aus dem Jahr 2023 verdoppelt werden müssen, um die globale Erwärmung einzudämmen – und zwar bis 2030.

KI und Silber

Last but not least wird Silber auch auf dem Feld der künstlichen Intelligenz (KI) eingesetzt. So wird zum Beispiel im Verkehrssektor die Nachfrage nach Sensoren und Kameras für autonome Fahrzeuge stark zunehmen. Diese werden große Mengen an Silber verbrauchen, insbesondere in Halbleitern, Steuerungen, Sicherungen, Schaltern, Steuergeräten, Infrarotradaren, Lidars und Bewegungssensoren.

 

Zusätzlich zu den Endanwendungen, die mehr Silber benötigen werden, bedeutet auch der KI-bedingte Anstieg des Energiebedarfs einen höheren Silberverbrauch. Denn KI-Rechenzentren benötigen riesige Mengen an Energie, um alle Daten zu verarbeiten. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat vor kurzem prognostiziert, dass sich der Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2026 verdoppeln könnte – das entspräche dem Stromverbrauch von ganz Japan. Die bestehenden Stromnetze müssen erweitert werden, um diese zusätzlichen Kapazitäten aufnehmen zu können. Dementsprechend wird die Silbernachfrage die Nachfrage nach Komponenten für Energieverteilungs- und Übertragungssysteme wie elektrische Kontakte in Schaltern, Transformatoren, Relais und Kondensatoren, ankurbeln. 

Kurz zusammengefasst: Für 2024 wird mit einer Zunahme der weltweiten Silbernachfrage um etwa 2 Prozent gerechnet. Dies ist zum Teil auf eine Stabilisierung der Schmuck- und Investitionsverwendung zurückzuführen, vor allem aber auf einen steilen Anstieg der industriellen Nachfrage (+ 9 Prozent), der wiederum durch den Photovoltaik-Boom bedingt ist. 2024 wird daher voraussichtlich das vierte Jahr in Folge mit einem Defizit auf dem Markt sein.

Wie erwähnt, ist die Silberproduktion weltweit unelastisch, und selbst umfangreiche Investitionen in die Exploration und Förderung würden angesichts der langen Vorlaufzeiten für die Eröffnung von Minen nicht ausreichen, um das Angebot kurzfristig zu erhöhen. Daher beginnt nun wohl eine Phase struktureller Ungleichgewichte zwischen Silberangebot und -nachfrage, was zu starken Spannungen auf dem physischen Markt und damit auch den Preisen führen könnte.

Die Silbervorräte werden in gewissem Maße dazu beitragen, diese wiederkehrenden Defizite aufzufangen, aber die Vorräte sind nicht unerschöpflich und werden mit der Zeit aufgebraucht – zumal nicht alle Bestände zur Verfügung gestellt und genutzt werden können. Zum Teil handelt es sich um strategische staatliche Bestände oder um Sicherheiten auf den Märkten für Silberderivate.


Über den Autor

Benjamin Louvet ist seit Oktober 2015 bei Ofi Invest Asset Management als Head of Commodities tätig. Zuvor war er stellvertretender Geschäftsführer des Vermögensverwalters Prim Finance, das er 2002 gründete und bei der er Leiter des Front Office und des Researchs war. 

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