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Vermögensverwalter Guido vom Schemm Sind Aktien von Banken wieder ein Investment wert?

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In ganz Europa kämpfen kleine Unternehmen darum, im Verlauf der Pandemie zu überleben. Ihr Überleben ist der Schlüssel für die Banken der Eurozone, die zusammen über zwei Billionen Euro ausgeliehen haben – 40 Prozent der gesamten Geschäftskreditbücher der Kreditgeber. Außerdem existieren noch Altlasten aus dem letzten Jahrzehnt, diese Problemkredite stehen immer noch im Feuer. Jetzt kommen die neuen notleidenden Kredite der Corona-Krise hinzu.

Zahlreiche Geldhäuser kämpfen darum, in einem Umfeld mit negativen Zinssätzen Geld zu verdienen. Die Aufsichtsbehörden befürchten, dass eine neue – und möglicherweise größere – Welle von Ausfällen die Banken dazu bringen könnte, Verluste zu erleiden. Diese neuen notleidenden Kredite in der Eurozone können ein Volumen von bis zu 1,4 Billionen Euro erreichen, wenn die Wirtschaft stärker als erwartet schrumpfen sollte.

Europas Banken leiden seit Jahren unter einer starken Regulierung. Eine deutliche Steigerung der Mindestkapitalanforderungen und das Meldewesen, dessen Umfang sich nach der Finanzkrise verdreifacht hat, erfordern mehr Eigenkapital und binden wichtige Ressourcen. Es wäre sinnvoll, wenn Europa besser und effizienter zusammenarbeiten würde.

Eine stärkere Integration des EU-Finanzbinnenmarktes würde nicht nur zu besseren Angeboten für Verbraucher und Unternehmen führen, sondern auch den Banken enormen Rückenwind verschaffen. Auf 95 Milliarden Euro könnten sich die Kostenvorteile im europäischen Bankensektor jährlich belaufen, so die Berechnungen der Beratungsgesellschaft Copenhagen Economics.

Fintechs als Konkurrenz

Die Digitalisierung schreitet in großen Schritten voran. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend nochmals deutlich beschleunigt. Deutlich zum Nachteil der traditionellen Banken. Sogenannte Fintechs erobern zügig Marktanteile im Finanzsektor. Der Begriff Fintech steht für „financial technology“ und wird im Deutschen mit Finanztechnologien übersetzt. Es geht dabei um innovative Lösungen, welche die Abwicklungen des Finanzgeschäfts digitalisieren.

Junge, aufstrebende  Fintechs starten Angriff auf die komplette Wertschöpfungskette der traditionellen Banken. Sie sind mutiger, schneller und innovativer als ihre großen Schwestern. Fintechs sind agil, haben immer den Kunden im Blick und bauen ihr Geschäftsmodell rund um die Faktoren Convenience und Innovation auf. Hinzu kommen ehemalige Fintechs, die inzwischen ausgewachsene Unicorns sind. Hierzu zählen beispielsweise N26 oder Paypal. Diese Unternehmen erfreuen sich großer Beliebtheit bei jungen Erwachsenen, da sie viele Funktionen abdecken, für die früher die Bank die erste Anlaufstelle war.

Neben Fintechs sind insbesondere Direktbanken die großen Gewinner der Corona-Krise. Denn diese agieren unabhängig von Filialöffnungszeiten, und Bankgeschäfte können – passend zum derzeit vorhandenen Wunsch nach Kontaktreduzierung – von zu Hause abgeschlossen werden. Zudem sind Direktbanken oftmals deutlich günstiger.

Als größte Herausforderung für die klassischen Banken gelten jedoch die großen Technologieunternehmen wie Google, Apple, Facebook, Tencent, Alibaba oder Amazon. Zahlreiche Branchenkenner vermuten, dass die Bezahlfunktionen wie Google Pay, Alipay oder Apple Pay nur der erste Schritt in den Finanzmarkt sind.

Banken vor Herausforderungen

Darüber hinaus dürfte die Kooperation zwischen ING und Amazon nur ein Zwischenschritt sein, bevor das Team von Jeff Bezos eigene Kredite an ihre Händler anbietet. Ebenfalls sehr gespannt schaut die Finanzbranche auf das Libra-Projekt von Facebook, auch wenn es noch einige Hürden zu überwinden gilt.

Viele Finanzhäuser stehen ergo vor einer wackeligen Zukunft. Bankenaufsicht, Notenbanken und die Politik werden alles versuchen (müssen), um den Supergau zu vermeiden. Wir sind der Meinung, dass Bankaktien aus den oben genannten Gründen zukünftig mit mehr Gegenwind rechnen müssen. Somit kommt ein „Investment“ in Bankaktien für Langfrist-Anleger nicht in Frage. Bei der Aktienauswahl sollten Anleger besonders auf die Branchenauswahl achten, denn die Corona-Krise hat teilweise zu Veränderungen geführt, häufig jedoch bestehende Trends untermauert oder sogar beschleunigt.


Über den Autor: 
Guido vom Schemm ist geschäftsführender Gesellschafter der Vermögensverwaltung GVS Financial Solutions aus dem hessischen Dreieich. Der Betriebswirt war unter anderem als Aktienanalyst bei der Cominvest / Cominvest Asia und als Vorstandassistent sowie mehrere Jahre als leitender Direktor einer großen Wertpapierspezialisteneinheit der Commerzbank tätig, bevor er sich 2011 selbstständig machte. 

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