Antrag auf BU-Versicherung Sind auch Leiden ohne Krankheitswert anzugeben?

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Das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden) hat sich kürzlich mit folgender Frage beschäftigt: Muss ein Versicherungsnehmer im Antragsformular auch Beeinträchtigungen angeben, die noch keinen Krankheitswert haben? Dabei ging es um solche Leiden, die nicht offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen.
Die klagende Versicherungsnehmerin hatte bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigke...
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Das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden) hat sich kürzlich mit folgender Frage beschäftigt: Muss ein Versicherungsnehmer im Antragsformular auch Beeinträchtigungen angeben, die noch keinen Krankheitswert haben? Dabei ging es um solche Leiden, die nicht offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen.
Die klagende Versicherungsnehmerin hatte bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen und wollte daraus Leistungen geltend machte. Der Versicherer lehnte es jedoch ab, zu zahlen. Er focht darüber hinaus den Versicherungsvertrag an: Die Klägerin habe die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt. Die Versicherungsnehmerin ist mittlerweile auch wieder voll berufsfähig.
Zuvor hatte das Landgericht Dresden die Klägerin angehört und die Klage abgewiesen. Das Gericht fand es berechtigt, dass der Versicherer den Vertrag im Vorfeld des Prozesses angefochten hatte, weil er sich arglistig getäuscht fühlte. Gegen diese Entscheidung ging die Versicherungsnehmerin nun in Berufung.
Die Entscheidung des OLG Dresden
Das OLG Dresden wies die Berufung der Versicherungsnehmerin ab: Das Landgericht habe zu Recht befunden und zutreffend begründet, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen habe – auch weil die beklagte Versicherung den Vertrag wirksam angefochten habe. Die Versicherungsnehmerin habe nämlich mehrere der Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet. Der Versicherer kann nach Paragraf 22 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) in Verbindung mit den Paragrafen 123 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) den Vertrag anfechten, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung sei, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kenne, sie dem Versicherer jedoch wissentlich verschweige und dabei billigend in Kauf nehme, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet, so das Gericht.
Der Senat führte weiter aus: Der künftige Versicherungsnehmer muss die Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend beantworten. Er darf sich bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigung verschweigen. Nach Auffassung des OLG Dresden sind daher auch solche Beeinträchtigungen anzugeben, die noch keinen Krankheitswert haben. Denn die Bewertung die Gesundheitsbeeinträchtigung sei Sache des Versicherers. Die Offenbarungspflicht ende erst bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder schnell wieder vergehen, so das OLG Dresden.
Es müssten stets alle Gesamtumstände berücksichtigt werden. Erst dann lasse sich beurteilen, ob im Einzelfall eine Gesundheitsstörung vorliege, die der Versicherungsnehmer bei Antragstellung angeben muss oder ob es sich um eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung handele. Entscheidend sei das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers vermittelten.
Indizien weisen auf Arglist hin
Darüber hinaus heißt es vom OLG Dresden: Versicherte beantworteten die Fragen nach ihrem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen erfahrungsgemäß nicht nur deshalb unrichtig, weil sie den Willen des Versicherers beeinflussen wollten. Arglist und ein Arglistvorsatz ließen sich aber anhand von Indizien ermitteln. Dabei spielten die konkreten Umstände eine Rolle – insbesondere die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, der Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen und die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung.
Hinweise auf Arglist lägen vor, wenn der Versicherungsnehmer Umstände stark verharmlose oder schwere beziehungsweise chronische Erkrankungen verschweige. Wenn feststehe, dass der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss objektiv falsche Angaben gemacht habe, treffe ihn zudem eine sekundäre Darlegungslast. Der Versicherte müsse dann nachvollziehbar vortragen, wie es zu den Falschangaben gekommen sei, beschied das OLG Dresden.
Legt man diesen Maßstab zugrunde, so hat die Klägerin bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen ihre Offenbarungspflicht arglistig verletzt.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Dresden kann im Ergebnis überzeugen. Sie zeigt deutlich, dass die Offenbarungspflicht eines Versicherungsnehmers wesentlicher Schwerpunkt des Prüfungsverfahrens bei Berufsunfähigkeit ist. Fehler im Antragsverfahren ziehen sich durch das gesamte Leistungsprüfungsverfahren. Bei Berufsunfähigkeit ist es stets ratsam, sich juristische Unterstützung suchen.
Zwar ist das Urteil rechtlich nur wenig überraschend. Dennoch sollten Versicherungsvermittler es kennen – gerade weil sie die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag häufig mit den Kunden gemeinsam ausfüllen. Wenn Angaben hier bagatellisiert werden, kann das sowohl dem Vermittler als auch dem Versicherten später auf die Füße fallen.
LG Dresden, Beschluss vom 29. April 2021 - Aktenzeichen 4 U 2453/20
Über den Autor:
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht & Gewerblichen Rechtsschutz & IT-Recht. Er ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Die Hamburger Kanzlei veranstaltet kostenlose digitale Vermittler-Treffs, auf denen Fälle besprochen und Tipps für die Vermittler-Praxis gegeben werden.



