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Von in MeinungenLesedauer: 5 Minuten
Celine Nadolny neben den Flaggen der skandinavischen Länder
Celine Nadolny: „Der Blick gen Norden zeigt: Gute Führung braucht keine zusätzliche Kaffeeküche oder Feelgood-Manager. Es braucht einen Haltungswandel.“ | Foto: Celine Nadolny, Canva
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Als ich zuletzt für mehrere Monate in Finnland, Norwegen und Dänemark unterwegs war – lebend, arbeitend und mit zahlreichen Unternehmern im Gespräch – fiel mir immer wieder dasselbe auf: Es ist nicht das kostenlose Kantinenessen, die kürzere Arbeitszeit oder das berühmte „Hygge“-Gefühl, das diese Länder auszeichnet. Es ist ihre Art, wie Menschen geführt werden.

Denn während in Deutschland Mitarbeiterführung oft mit Kontrolle, Verantwortung mit Druck und Leistung mit Präsenz gleichgesetzt wird, setzt man in Skandinavien auf ganz andere Werte: Vertrauen, Augenhöhe und Eigenverantwortung.

Warum deutsche Führungskultur oft nicht mehr zeitgemäß ist

In vielen deutschen Unternehmen ist die Führungskultur tief in der Industriegeschichte verwurzelt. Effizienz, Genauigkeit und klare Strukturen prägten über Jahrzehnte hinweg das Verständnis von guter Führung. Das mag in der Ära der Fließbänder funktioniert haben – heute, in einer Welt voller Wissensarbeit, Selbstorganisation und dezentraler Teams, stoßen diese Prinzipien jedoch an ihre Grenzen.

Hierarchien und Statusdenken

Ich habe selbst erlebt, wie in Deutschland häufig Wert auf Titel gelegt wird: Dr. XY führt ein Team, hat ein eigenes Büro und ist alleiniger Entscheidungsträger. In Skandinavien dagegen war ich oft überrascht, wenn ich mit CEOs in der Kaffeeküche stand, die sich einfach „Per“ oder „Sanna“ nannten und keinen sichtbaren Statusvorsprung gegenüber ihren Angestellten demonstrierten.

Misstrauen als Default

Ob es die Stechuhr, die zig Kontrollinstanzen oder das „Ich überprüfe das nochmal“-Denken ist – das Grundgefühl in vielen deutschen Büros scheint zu sein: Vertrauen muss man sich erarbeiten. In Norwegen sagte mir ein Unternehmer: „Wir starten mit 100 Prozent Vertrauen. Was die Mitarbeiter damit machen, liegt an ihnen.“ Dieser Perspektivwechsel verändert alles – vor allem die Motivation.

Fehlerkultur? Eher Fehlervermeidungskultur

Fehler gelten in Deutschland häufig als Makel. Wer einen macht, muss mit Rechtfertigungen, Nacharbeit oder Scham rechnen. In Dänemark dagegen hörte ich oft: „Fehler zeigen uns, dass wir uns weiterentwickeln.“ Das schafft Raum für echte Innovation – denn niemand hat Angst davor, auch mal falsch zu liegen.

Wie Skandinavier führen – und was wir davon lernen können

Skandinavische Länder gehören regelmäßig zu den Top-Platzierten in internationalen Rankings zu Arbeitszufriedenheit, Innovationskraft und Gleichstellung. Ein zentraler Grund dafür: die Art der Führung.

Hier einige Aspekte, die ich selbst vor Ort beobachtet und als wertvoll empfunden habe:

1. Führung als Dienstleistung – nicht als Statussymbol

Führung bedeutet in Finnland nicht, die Richtung vorzugeben, sondern Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Führungskräfte sehen sich als „Service Leader“, die ihre Teams befähigen. Ich erinnere mich an einen dänischen Startup-Gründer, der sagte: „Wenn ich alles weiß und entscheide, ist mein Team überflüssig. Dann habe ich etwas falsch gemacht.“

2. Gleichwürdigkeit statt Gleichmacherei

Die skandinavische Kultur strebt nicht nach Uniformität, sondern nach Gleichwürdigkeit – einem Begriff, den vor allem der dänische Familientherapeut Jesper Juul geprägt hat. In Unternehmen bedeutet das: Jeder Mensch ist gleich wertvoll – egal ob Praktikantin oder CTO. Das äußert sich in offenen Gesprächsrunden, partizipativen Entscheidungsprozessen und ehrlichem Interesse an anderen Meinungen.

3. Arbeit als Teil des Lebens – nicht das ganze Leben

In Norwegen ist es völlig normal, das Büro um 16 Uhr zu verlassen – ohne schlechtes Gewissen. Arbeit ist dort ein Teil des Lebens, nicht das Zentrum. Diese Haltung überträgt sich auf die Führung: Wer seine Mitarbeiter als ganze Menschen sieht, berücksichtigt ihre Lebensrealitäten. Flexible Arbeitszeiten, Elternfreundlichkeit, Homeoffice – nicht als Bonus, sondern als Normalität.

4. Vertrauen als Managementprinzip

In allen drei Ländern war das Vertrauen in die Eigenverantwortung der Mitarbeiter für mich eines der zentralsten Elemente. Das äußert sich nicht nur in der Abwesenheit von Mikromanagement, sondern auch in der Bereitschaft, Aufgaben ergebnisoffen zu übergeben – nicht alles muss dokumentiert, berichtet, abgesichert sein.

 

Was deutsche Unternehmen konkret tun können

Der Blick gen Norden zeigt: Gute Führung braucht keine zusätzliche Kaffeeküche oder Feelgood-Manager. Es braucht einen Haltungswandel. Hier sind vier konkrete Impulse, die deutsche Führungskräfte aus Skandinavien übernehmen könnten:

1. Vertrauensvorschuss geben

Beginne mit 100 Prozent Vertrauen – und nicht bei null. Das verändert die Dynamik im Team grundlegend. Mitarbeiter wachsen mit der Verantwortung, die man ihnen gibt.

2. Fehler entstigmatisieren

Sprechen Sie über Fehler – offen und ohne Scham. Führen Sie Retrospektiven ein, bei denen der Fokus nicht auf Schuld, sondern auf Lernen liegt.

3. Entscheidungen gemeinsam treffen

Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in wichtige Entscheidungen ein. Das erhöht nicht nur die Akzeptanz, sondern führt oft zu besseren Ergebnissen, weil Sie auf kollektives Wissen zugreifen.

4. Führung neu denken

Fragen Sie sich regelmäßig: Bin ich noch eine Führungskraft – oder ein Kontrollelement? Werden Sie mehr zum Coach, Mentor und Unterstützer.

 

Kontrolle loslassen – Vertrauen zulassen

Was ich aus Skandinavien mitgenommen habe? Dass Führung menschlicher, mutiger und wirkungsvoller sein kann, wenn wir Kontrolle loslassen und Vertrauen zulassen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Es ist ein Zeichen von Stärke.

Vielleicht sind wir in Deutschland noch nicht ganz so weit. Aber wir könnten es sein – wenn wir bereit sind, von denen zu lernen, die Mitarbeiterführung nicht als Machtinstrument, sondern als Beziehungsgestaltung verstehen.

Über Celine Nadolny

Celine Nadolny, Jahrgang 1997, ist Inhaberin von Book of Finance. Sie hat über 900 Fach- und Sachbücher gelesen und daraus mehr als 500 Rezensionen veröffentlicht. Für ihre Arbeit wurde sie unter anderem in die Forbes 30 under 30 aufgenommen, vom St. Gallen Symposium als Leader of Tomorrow ausgezeichnet und erhielt den Red Fox Award als Expertin des Jahres.

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