Tech-Riesen prägen seit Monaten die Börsenberichterstattung. Kleinere Unternehmen hingegen fristen ein Schattendasein – und das spiegelt sich in den Bewertungen wider. Der traditionell höhere Preis, den Anleger für Small Caps in Kauf nehmen mussten, besteht heute kaum noch. Pascal Kielkopf, Kapitalmarktanalyst beim Multi Family Office HQ Trust, hat untersucht, woran das liegt.

Kielkopf analysierte dafür, wie die Bewertungsniveaus von Small Caps im Vergleich zu Large Caps ausfallen – gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der jeweiligen MSCI-Indizes. Dazu setzt er die KGVs der Small-Cap-Benchmarks ins Verhältnis zu ihren großkapitalisierten Pendants.

Ein aktuelles Beispiel: Der globale Aktienindex MSCI ACWI kommt derzeit auf ein KGV von 23,2, während der Nebenwerteindex MSCI ACWI Small Cap bei 25,0 liegt. Small Caps werden damit rund 10 Prozent höher bewertet, was einem relativen Verhältnis von 1,1 entspricht.

HQ-Trust-Analyse
Bildquelle: HQ Trust

>>> Grafik vergrößern

Nebenwerte historisch teurer – aus gutem Grund

Höhere Bewertungen für kleinere Unternehmen sind kein Zufall: Sie wachsen in der Regel schneller, können flexibler auf Marktveränderungen reagieren und ziehen häufiger das Interesse potenzieller Käufer auf sich.

Konzerne wie Apple oder Nvidia waren einst kaum bekannte Start-ups, bevor sie durch Innovation und Skaleneffekte zu globalen Marktführern aufstiegen. Diese Chance, von Beginn an bei künftigen Erfolgsgeschichten investiert zu sein, lässt viele Anleger bereitwillig einen Aufpreis zahlen.

Tech-Dominanz und Zinswende belasten Nebenwerte

Aktuell stellt sich allerdings ein anderes Bild dar: „Relativ zu den Large Caps sind Small-Cap-Aktien derzeit sehr günstig bewertet“, erklärt Kielkopf. Neben kleinen Aktien aus Europa und Japan seien auch US-Small-Caps im Vergleich zu den Großkonzernen günstig. In allen drei Regionen sei der Bewertungsaufschlag im Moment sehr gering.

Der Grund für die Entwicklung liege in den vergangenen Jahren. „Getrieben durch die Tech-Dominanz und die Fähigkeit, die gestiegenen Zinsen besser verkraften zu können, konnten die Large Caps in den letzten Jahren outperformen, wodurch sich der Bewertungsaufschlag verkleinert hat“, so der Kapitalmarktanalyst.

Emerging Markets als Ausnahme 

Lediglich die Schwellenländer tanzen aus der Reihe: Dort hatten es die großen Unternehmen laut Experte in den letzten Jahren wegen zunehmender Regulierung und staatlicher Eingriffe schwer: „Kleinere Werte, die oft lokale Konsum- und Nischengeschäfte abdecken, waren durch diese Faktoren deutlich weniger belastet.“

Entsprechend habe sich der Bewertungsaufschlag in den Schwellenländern zuletzt sogar eher noch ausgeweitet: „Das Verhältnis liegt hier bei 1,6. Small Caps sind hier also deutlich teurer als Large Caps bewertet.“

Geduld und aktives Management gefragt

Was bedeutet die aktuelle Situation für Investoren? Christian Subbe, CIO von HQ Trust, ordnet ein: „Unabhängig von der Bewertung sind Nebenwerte in einem diversifizierten Portfolio immer eine sinnvolle Beimischung zu den Large Caps.“

Der aktuelle Bewertungsabschlag könne ein überzeugender Anlass sein, Small Caps ins Portfolio aufzunehmen – gerade auch für Anleger, die angesichts der hohen Bewertungen der Large Caps Bedenken haben. „Der relative Vergleich ist für sich genommen zwar noch kein kurzfristiges Kaufsignal. Gerade für langfristig orientierte Anleger kann er aber ein Hinweis sein, dass der Markt hier Chancen übersieht“, so Subbe.

Die Vergangenheit zeige allerdings, dass Anleger eventuell Geduld brauchen. Sie könnten also nicht unmittelbar eine bessere Performance als der breite Markt erwarten.

Zudem sieht Subbe in diesem Bereich gute Chancen für aktives Management: „Das gilt insbesondere für die USA, wo viele Small Caps von eher schwacher Qualität sind. Hier kommt es auf die Auswahl der richtigen Unternehmen an.“