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Tipp vom Vermögensverwalter Small Caps, Versorger, China: Wo sich Bewertungslücken schließen

Von in GlobalLesedauer: 5 Minuten
Blick auf die nächtliche Uferpromenade des Huangpu-Flusses in Shanghai
Nächtliches Shanghai: Seit die Fed die Zinsen senkt, hat auch die chinesische Zentralbank größeren Spielraum für eine lockerere Geldpolitik. | Foto: Imago Images /Depositphotos

Die positiven Entwicklungen am US-Aktienmarkt der letzten 18 Monate wurden stark von der Sonderkonjunktur im Bereich der künstlichen Intelligenz getrieben. Dies führte zu einem konzentrierten Gewinnwachstum und Kursgewinnen bei nur einigen wenigen Titeln. In den jüngsten drei Monaten konnten jedoch auch zurückgebliebene und ungeliebte Sektoren von Kursgewinnen profitieren.

Als Beispiel seien die Versorger genannt, die traditionell einen hohen Fremdkapitalanteil in ihrer Bilanz halten. Sie erfreuen sich bei vielen Investoren großer Beliebtheit aufgrund ihres planbaren Geschäftsmodells und der typischerweise relativ hohen Ausschüttungsrendite. Auch wenn ihr Geschäftsmodell wenig zyklisch ausfällt, so ist es ihr Finanzierungsbedarf nicht: Der Sektor hat traditionell hohe Fremdkapitalquoten und somit eine ausgeprägte Zinssensitivität. Das hat im Jahr 2023 für erheblichen Gegenwind gesorgt (der ETF XLU, der alle im S&P 500 befindlichen Versorgungsunternehmen beinhaltet, beendete 2023 mit einem Minus von circa 7,2 Prozent).

Neue Allzeithochs bei S&P 500 und Dax

Für das laufende Jahr konnte das Segment maßgeblich vom Einpreisen massiver Zinssenkungen seitens der Fed sowie einem starken Narrativ der hohen Stromnachfrage durch neue KI-Datenzentren profitieren (XLU liegt YTD circa 28 Prozent im Plus).

Trotz negativer Saisonalität im Monat September, erreichten der Index der größten börsennotierten US-Unternehmen, S&P 500, sowie der deutsche Leitindex Dax neue Allzeithochs. Dabei konnten insbesondere die Sektoren der Versorger und diskretionärer Konsum relevante Performancebeiträge leisten. Auch die zuvor unbeliebten chinesischen Aktienindizes erlebten eine schnelle Erholung, nachdem die PBOC und die chinesische Regierung mehrere weitreichende Stimulus- und Liquiditätsmaßnahmen ergriffen hatten.

Dem Markt scheint das zu gefallen. Laut einer Umfrage globaler Fondsmanager der Bank of America waren noch Anfang September die beliebtesten Positionierungen „Long US-Technologie Aktien“ und „Short China Aktien“.

In diesem Zusammenhang ergibt sich ein erheblicher Bedarf, die verkauften Aktien wieder einzudecken, was erratische Kurssteigerungen weiter verschärfte. Im Ergebnis fanden zunächst volatile Aufwärtsbewegungen statt. Es bleibt noch abzuwarten, ob diese eine dauerhafte beziehungsweise nachhaltige Trendwende bedeuten.

Zinssenkungen und strukturelle Herausforderungen: Balanceakt für China

In der vergangenen Woche trug insbesondere die People’s Bank of China mit der Ankündigung mehrerer stimulierender Maßnahmen dazu bei, dass chinesische Aktien und solche mit großem Umsatzanteil in China (deutsche Autos, europäische Luxusartikelhersteller, Sportartikelhersteller, japanische Aktien) stark beflügelt wurden.

Vorher betonte die chinesische Administration immer wieder, dass sie etwas gegen die strukturellen Probleme des Landes (Jugendarbeitslosigkeit, anhaltender Verfall der Immobilienpreise, Deflation und die Zurückhaltung des Konsumenten) unternehmen wolle. Mehrere Versuche der verbalen Intervention zeigten jedoch wenig Wirkung. Weder der Markt noch die zugrundeliegenden Fundamentaldaten zeigten, dass die bisherige Strategie der Administration aufging.

Der Wendepunkt kam, als die Fed den Zinssenkungszyklus einleitete und den Leitzins um gleich 50 Basispunkte senkte. Zuvor lief die PBOC Gefahr, durch eine aggressive Stimulierung der Wirtschaft ihre Währung stark zu schwächen, solange die Federal Reserve eine neutrale oder restriktive Geldpolitik verfolgte. Dies hätte zu einer weiteren Abwertung des Yuan führen können – eine riskante Strategie. Da die US-Inflation (inklusive Echtzeit-Mietpreisen) aktuell bereits unter zwei Prozent liegt und die Fed weitere Zinssenkungen plant, sollte die PBOC genügend Spielraum haben, um mit Zinssenkungen und Liquiditätszuführungen die heimische Wirtschaft zu stärken.

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Investitionsstrategien: Von China-Proxies bis hin zu Nebenwerten in Europa

Der Markt zeigte uns bereits in der vergangenen Woche, wer von einem solchen Szenario profitiert: chinesische Einzelaktien (wie die Technologie-Schwergewichte Tencent, Alibaba, Baidu), europäischer Luxus (LVMH, Richemont, Hermes, Prada, Kering) und europäische Autobauer mit einem großen Umsatzanteil in China (Porsche, Volkswagen, BMW, Mercedes).

Wer sich vor den rechtlichen Risiken chinesischer ADRs (American Depository Receipt) scheut und keine Direktinvestments vornehmen möchte, kann über europäische China-Proxies wie Luxusartikelhersteller oder Autobauer sicherlich an einer potenziell anhaltenden Rally und verbesserten Konsumentenstimmung in China partizipieren. Das rechtliche Risiko für einen europäischen Anleger, der in einen chinesischen ADR investiert, besteht darin, dass er nicht direkt in das Unternehmen, sondern in ein Zertifikat investiert. Dieses ist anfälliger für regulatorische Änderungen, politische Spannungen und mangelnde Transparenz sowohl in den USA als auch in China.

Sollte dieser Aufschwung von Dauer sein und der chinesische Konsument anhaltende Besserung zeigen, macht es sicherlich Sinn, auch über Effekte zweiter und dritter Ordnung nachzudenken. Ein Beispiel: Sollte sich die Auftragslage europäischer Autobauer und Industrie merklich verbessern, da mehr Aufträge aus dem fernen Osten kommen, profitieren dann auch europäische (aktuell relativ sehr günstig) bewertete Nebenwerte, wie Zulieferer oder Softwaredienstleister? Eine Frage, die erst in den kommenden Wochen beantwortet werden wird.

Jedoch hat die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass tendenziell größere Bewertungslücken, wie zum Beispiel von chinesischen Aktien, amerikanischen Small Caps, Versorgungsdienstleistern, lange anhalten, nur um dann tendenziell sehr schnell und volatil geschlossen zu werden. Beispielsweise erlebte der Russell 2000 Index einen schnellen Ausbruch im Juli dieses Jahres. Binnen drei Wochen legte der Index um 11,6 Prozent zu – um dann in eine längerfristige Seitwärtskonsolidierung hineinzulaufen. Ähnlich stieg der Hang Seng Index in den letzten zwei Wochen um rund 20 Prozent.

Diese Volatilität verführt dazu, auf kurzfristige Bewegungen zu setzen, oftmals nachdem die schnellen Gewinne bereits gemacht wurden. Als bankenunabhängiger Vermögensverwalter mit einem klaren Fokus auf langfristig resiliente Qualitätsunternehmen verstehen wir es als unsere Aufgabe, in eben solche Unternehmen zu investieren und auch mal eine anhaltende Phase der Underperformance in einzelnen Segmenten auszuhalten.

Wer sich als langfristiger Investor versteht, sollte vom hektischen, nachrichtengetriebenen Handeln absehen und sich auf das Wesentliche fokussieren: die erfolgreiche, geschäftliche Entwicklung hochqualitativer Unternehmen.


 

Andreas Heinrich
Andreas Heinrich © Hansen & Heinrich Aktiengesellschaft

Über den Autor:

Andreas Heinrich leitet das Portfoliomanagement beim Vermögensverwalter Hansen & Heinrich in Berlin.

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