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Smart Cities Wie das Stadtleben auf den Kopf gestellt wird

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Eine zweite Komponente des Stadtlebens, auf die sich das Internet auswirkt, sind die urbanen Arbeitsräume, zum Großteil Büros. „Warum gehen so viele Menschen zum Arbeiten ins Büro, wo wir doch in einer digitalen Ära leben, in der vieles von Zuhause oder einem anderen Ort aus erledigt werden kann“, fragt Carlo Ratti, Seine Antwort lautet, dass es nach wie vor gute Gründe gibt, ins Büro zu gehen, aber dass dies nicht dieselben sind, die im 20. Jahrhundert der Nutzung von Büros zugrunde lagen. In den Anfängen der Bürotätigkeit bestand ihr Zweck darin, mechanische Aufgaben an langen Reihen von Schreibtischen auszuführen, wo alle Beschäftigten dasselbe taten.

Es gibt nach wie vor Unternehmen, in denen solche Arbeiten ausgeführt werden müssen, aber es gibt andere, wo diese von Computern oder verstärkt auch von künstlicher Intelligenz oder Robotern übernommen werden. „In diesen Fällen ist der einzige Grund für den Gang ins Büro die Interaktion mit anderen Menschen in einem physischen Raum. Wir können zwar online über das Internet mit Skype oder per Videokonferenz interagieren, aber das betrifft in der Regel feste Gruppen von Personen, die auf einen bestimmten Zweck fokussiert sind.

Bei einer persönlichen Interaktion gibt es eine größere Bandbreite: Man kommt mit mehr Menschen in Kontakt und kann neue Ideen austauschen, was Einfluss auf Karriere oder Arbeitsleistung hat.“

Carlo Ratti bezeichnet diesen Austausch als „schicksalhafte Interaktion“, aber es bedarf unterschiedlicher Arbeitsräume, um Kreativität und Zusammenarbeit zu fördern. Der Arbeitsraumanbieter WeWork hat es sich bereits zur Aufgabe gemacht, Bürogebäude in „schöne, kooperative Arbeitsräume“ zu verwandeln. Nach der letzten Kapitalbeschaffung ist das Unternehmen jetzt mit rund 20 Milliarden US-Dollar bewertet.

Mehr Interaktion in Großraumbüros

Cerdà, Stadtplaner aus dem 19. Jahrhundert, der das moderne Barcelona gestaltete, träumte davon, Echtzeitinformationen über die Nutzung der Stadt zu haben, damit sie besser genutzt werden könnte. Genau diesen Vorteil haben wir jetzt auf dem Campus des MIT, dem ersten städtischen Bereich in den USA, der vollständig mit WLAN ausgestattet ist, und wir können sehen, wie jeder Raum auf dem Campus über die Zeit genutzt wird. Wir können uns auch darüber Gedanken machen, wie der Raum anders genutzt werden könnte, wo sich die Arbeitsformen verändern. Carlo Rattis Architekturbüro beschäftigt sich mit der Neugestaltung von Großraumbüros in Europa und den USA, mit dem Ziel, die Interaktion zu fördern. Eines dieser Projekte war der Hauptsitz der Agnelli Stiftung in Turin, der besser in seine Umgebung integriert werden sollte und wo die Interaktion zwischen den Menschen erhöht werden sollte. Begonnen hatte alles vor über 100 Jahren in einer Villa, die Mitte des 20. Jahrhunderts erweitert und zu einem Komplex abgeschlossener Bürozonen umgebaut wurde.

„Basierend auf unseren Erkenntnissen vom MIT-Campus beschlossen wir, das Gebäude stärker zur Stadt hin zu öffnen, indem wir einen vorspringenden Glaskörper entwarfen, in dem ein Café untergebracht ist und der als einladendes Element für Passanten in der näheren Umgebung fungiert. Wir öffneten das Gebäude auch zwischen den Stockwerken und zwischen Räumen auf denselben Stockwerken, damit die Menschen einfacher miteinander sprechen können. Wir öffneten es auch stärker zur Natur hin, mit Plätzen zum Arbeiten und für Besprechungen im Garten – es gibt dort jetzt sogar einen Obstgarten. Durch nahtlose Integration digitaler Technologien im physischen Raum können wir die Beziehungen zwischen den Menschen verbessern und festigen“, sagt Carlo Ratti.

Eine der zentralen Ideen, die das Projekt der Agnelli Stiftung prägten, war die nahtlose Integration digitaler Technologien im physischen Raum, damit wir die Beziehungen zwischen den Menschen und mit dem Gebäude, das sie nutzen, verbessern und festigen und letztendlich Interaktion und Kreativität fördern können. Das nennen wir „Büro 3.0“. Eine Vision, die die Grenzen des Raumkonzepts aus der Zeit vor dem Internet und die entfremdende Isolierung der Telearbeit überwindet.“

In dem Gebäude kann jeder seine Arbeitsumgebung durch Interaktion mit dem Building Management System (BMS) individuell einrichten. Mithilfe einer Smartphone-App können die Nutzer einchecken, mit Kollegen interagieren, Sitzungsräume buchen und sich ihre Umgebung mit einem Höchstmaß an Personalisierung individuell einrichten. Kurzum: energiesparende menschliche Interaktion und ein angenehmeres Arbeitsumfeld.

„Bedingt durch das Internet werden auch andere Gebäudeformen von dem Umbruch betroffen sein“, so Carlo Ratti. „In den USA machen bereits Einkaufszentren dicht, weil die Konkurrenz durch Online-Händler zu stark geworden ist – den Prognosen zufolge werden in den kommenden Jahren 25 Prozent schließen müssen. Das Zusammenwachsen der digitalen und der physischen Welt verändert unser Leben, und wenn sich das Leben verändert, müssen sich auch die Städte verändern.“

Über Carlo Ratti:

Carlo Ratti ist gelernter Architekt und Ingenieur. Er unterrichtet am Massachusetts Institute of Technology in Boston, wo er das Senseable City Lab leitet. Zudem ist er Gründungspartner von Carlo Ratti Associati, einem internationalen Design- und Innovationsbüro in Turin. Er ist auch Mitglied im „Global Agenda Council for Urban Management“ des Weltwirtschaftsforums.

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