Allianz-Studie Das erhöht Unfallrisiko um 50 Prozent

Moderne Technik lenkt Fahrer stärker ab als je zuvor. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Allianz.
Immer mehr Menschen gehen dazu über, am Steuer Textnachrichten zu lesen und zu schreiben. Laut einer aktuellen Allianz-Studie hat sich der Anteil an Autofahrern, die während der Fahrt Textnachrichten schreiben oder lesen, zwischen 2016 und 2022 von 15 auf 24 Prozent um fast zwei Drittel erhöht.
„Diese Entwicklung ist besorgniserregend und gefährlich“, sagt Christoph Lauterwasser, Leiter des Allianz Zentrum für Technik (AZT). Denn wer am Steuer Nachrichten schreibt, hat laut Studie ein mehr als 50 Prozent erhöhtes Unfallrisiko.
44 bis 56 Prozent höheres Risiko durch Bordcomputer
2016 verfügte nur ein Drittel aller Autofahrer über ein Fahrzeug mit einem zentralen Sichtfelddisplay zur Bedienung von Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komfortfunktionen (Bordcomputer), so die Studie weiter. Mittlerweile ist dieser Anteil auf fast 50 Prozent gestiegen.
Rund die Hälfte der befragten Personen, deren Auto mit einem Bordcomputer ausgestattet ist, bestätigten in der Allianz-Studie, durch die Bedienung des Bordcomputers abgelenkt zu werden. Das Unfallrisiko erhöht sich dadurch um 44 Prozent.
Autoradio über Bordcomputer verdoppelt Unfallrisiko
Einige Funktionen sind dabei laut Studie besonders riskant. Wer beispielsweise eine Fahrerassistenzfunktion wie den Spurhalteassistenten zu fahrfremden Aktivitäten missbraucht und dabei beide Hände für längere Zeit vom Lenkrad nimmt, erhöht sein Unfallrisiko um 56 Prozent. Wird das Autoradio über den Bordcomputer bedient, verdoppelt sich das Risiko annähernd (89 Prozent).
Immer mehr Menschen nutzen das Handy zudem auch zum Spielen, Musikauswählen, Bilderanschauen, Websurfen oder ähnlichem. Bei der Befragung 2016 taten dies nur 6 Prozent, im Jahr 2022 bekannte sich bereits jeder Fünfte (22 Prozent) dazu.
„Ablenkung ist die am meisten unterschätzte Unfallursache“
2021 wurde erstmals in die polizeiliche Unfallaufnahme die Kategorie „Ablenkung“ integriert. Bei Unfällen, in denen Ablenkung eine Rolle spielte, verletzten sich 2021 laut Statistischem Bundesamt 8233 Menschen, 117 starben. Das sind knapp 5 Prozent aller Getöteten (2562).
„Ablenkung ist die am meisten unterschätzte Unfallursache auf unseren Straßen“, sagt Jörg Kubitzki, Sicherheitsforscher im Allianz Zentrum für Technik (AZT) und Autor der Allianz-Studie.
Auch die Unfallzahlen für die ersten zehn Monate 2022 geben Anlass zur Sorge. So stieg die Zahl aller Ablenkungsunfälle mit Personenschaden gegenüber dem Vorjahreszeitraum um ein Viertel (23,5 Prozent).
Fast jeder 3. Unter-25-Jährige abgelenkt
Besonders ablenkungsgefährdet sind dabei vor allem junge Autofahrer im Alter von 18 bis 24 Jahren. 30 Prozent der Autofahrer dieser Altersgruppe geben an, während der Fahrt mit dem Smartphone in der Hand zu telefonieren. Ältere tun dies deutlich seltener: Insgesamt liegt der Anteil derjenigen, die während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung telefonieren, bei 16 Prozent.
Vier von zehn Unter-25-Jährigen tippen und lesen beim Fahren elektronische Nachrichten mit dem Handy.
Fahrerüberwachung stößt auf Ablehnung
Der Großteil der Fahrzeuglenker steht einer elektronischen Überwachung des Fahrers allerdings skeptisch gegenüber. So stimmen lediglich 39 Prozent der Befragten einer Kamera- oder Infrarotabtastung von Augen, Gesicht oder Kopf zu, bei der die Technik anonymisiert nur Ablenkung erkennt.
Die Ablenkung am Steuer erfahre immer noch nicht die soziale Ächtung, die zum Beispiel dem Autofahren im alkoholisierten Zustand entgegengebracht werde, erklären die Studienautoren. Im Gegenteil: Heutzutage empfinden immer mehr Autofahrer die Nutzung technischer Funktionen, die nicht der Fahrzeugführung dienen, als selbstverständlich. Und ihre Verfügbarkeit sowie ihre Komplexität steigen immer weiter an.
„Das ist fatal“
„Sich beim Autofahren mit dem Smartphone zu befassen, gehört mittlerweile zur Normalität“, sagt Lucie Bakker, Schadenvorständin der Allianz Versicherung. Den Fahrern sei die Gefahr zwar bekannt, gibt die Kfz-Versicherungsexpertin zu. Sie würden diese Einsicht aber nicht auf ihren Fahralltag übertragen. „Das ist fatal“, so Bakker.
Eine weitere häufig unterschätzte Gefahr sind Autofahrer, die während der Fahrt kurz einnicken. Wie vielen das bereits passiert ist, erfährst du hier.
>> Was Versicherte bei Autounfällen im Ausland wissen müssen, erfährst du hier.