LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in UnternehmenLesedauer: 9 Minuten

„Neuer Wirecard-Skandal wäre möglich“ So bewerten Finanzprofis die neuen Dax-Regeln

Seite 2 / 3

Ebenso wird die Anpassung darin scheitern, die deutsche Wirtschaft besser im Dax zu symbolisieren. Denn große Teile der Volkswirtschaft werden nicht an der Börse gehandelt. Die deutsche Struktur ist geprägt von mittelständischen Unternehmen ohne den Status einer Aktiengesellschaft. Besonders deutlich wird das, wenn man die Marktkapitalisierung mit dem Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) vergleicht. Während Deutschland laut Statista 2019 noch 3,5 Prozent am globalen BIP ausmachte, ist der Anteil am globalen Aktienindex mit ca 2,4 Prozent spürbar geringer. Die Performance oder das Risikoprofil des Dax werden durch die Anpassung nicht verändert. Denn wenige, besonders zyklische Sektoren bestimmen den Dax und werden dies auch nach der Indexänderung weiterhin tun. Insbesondere die Autoindustrie, Chemie- und Pharmaunternehmen sind ausschlaggebend. SAP sorgt durch seine hohe Gewichtung von mehr als zehn Prozent für einen technologischen Einfluss auf die Indexrendite. Durch diese Konstellation wird der Index auch weiterhin besonders krisenanfällig sein und in Rezessionsphasen mehr verlieren als globale Indizes.

Aus unserer Sicht ist der populistische Druck auf Politik und Indexanbieter in Deutschland derzeit besonders hoch, sichtbar in dem Untersuchungsausschuss des Bundestags oder der Indexerweiterung. Die eigentlichen Konstruktionsprobleme werden hierdurch jedoch nicht behoben. Die klassischen Anlegerfehler sind weiterhin die Hürden, die Investoren beim Erreichen ihrer Ziele im Weg stehen. Der Dax als Performanceindex ist hochvolatil und stellt einen schweren Weg für Anleger dar, die langfristigen Ziele zu erreichen. Diese grundsätzlichen Probleme werden auch durch die neueste Anpassung nicht behoben.

Silke Schlünsen, Leiterin Corporate Broking bei der US-Investmentbank Stifel

Die Börse geht mit den angestrebten Änderungen einen Schritt in die richtige Richtung. Ein größerer Schritt wäre dennoch wünschenswert gewesen, um mehr Kontinuität in der Zusammensetzung des Index zu bekommen. Dieses Ziel wird mit den bevorstehenden Änderungen kaum erreicht werden. Häufige Wechsel zwischen den Indizes sind weiterhin vorprogrammiert. Auch wird der Dax kaum attraktiver für Investoren.

Was wir brauchen, ist eine grundlegende Reform der Dax-Familie. Im Zentrum sollte ein einziger, großer Leitindex nach dem Vorbild des S&P 500 stehen. Der Tec Dax als ergänzendes Segment, in dem junge technologieorientierte Wachstumsunternehmen gelistet sind, ist dann auch weiterhin sinnvoll, sollte aber ebenfalls größer werden.

Ein neuer, großer Dax wäre für heimische Anleger ebenso wie für Investoren aus aller Welt eine attraktive Möglichkeit, um breit in die deutsche Wirtschaft zu investieren. Vor allem viele globale Investoren wollen keinen reinen Blue Chip-Index, sondern einen diversifizierten Index, der auch die kleinen und mittelgroßen börsennotierten Champions umfasst. Für die kleineren Firmen wäre ein neu konzipierter Index zudem eine gute Möglichkeit, besseren Zugang zu Kapital zu erhalten.

Marc Decker, Leiter Asset Management bei Merck Finck

Eine Dax-Reform war spätestens seit dem Wirecard-Skandal überfällig. Es ist gut, dass die Deutsche Börse diese Reform auf den Weg gebracht hat. Viele Schritte gehen in die richtige Richtung, bleiben aber halbherzig.

Als wesentliche Schwäche des Dax wird in erster Linie genannt, dass er kein repräsentatives Abbild der Leistungsstärke der deutschen Wirtschaft darstellt. Tatsächlich gibt es jedoch viel größere Schwächen, die sich durch die Reform der Indexregeln nur bedingt lösen lassen: zum einen die unterentwickelte Aktienkultur und zum anderen die relativ geringe Marktkapitalisierung deutscher Konzerne. Der überschaubare Börsenwert der Dax-Konzerne macht den Index in Verbindung mit der Begrenzung auf 30 Werte im internationalen Vergleich zu einem Leichtgewicht.

Die Deutsche Börse tut deswegen grundsätzlich gut daran, den Index zu vergrößern. Einen substanziellen Unterschied werden die zehn zusätzlichen Unternehmen jedoch am Ende kaum machen können. Zugleich ergeben sich für die anderen Indizes wie den MDax und den SDax negative Kaskadeneffekte, weil sie ihre Top-Unternehmen an die nächsthöhere Liga abgeben müssen. Um diese Probleme zu lösen, hätte es eine grundlegende Reform der Indexwelt gebraucht.

Tipps der Redaktion