Volkswirt Johannes Mayr
So funktioniert der digitale Euro

Johannes Mayr ist Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz
Im Juli hat die Europäische Zentralbank den Startschuss für den digitalen Euros gegeben. Johannes Mayr, Volkswirt bei Eyb & Wallwitz, erklärt, wie er aussehen könnte und was ihn vom Buchgeld unterscheidet.
Gleichzeitig könnte das lange Ende durch eine Umgehung des Bankensystems in diesen Phasen weniger stark beeinflusst werden. Auch der Einfluss der Geldpolitik auf den Devisenmarkt könnte sich verändern. So dürften die Währungen profitieren, deren digitale Konzepte die größte Attraktivität und Offenheit gegenüber einer Nutzung durch ausländische Akteure aufweisen. Die Nutzung von starken Währunge...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Gleichzeitig könnte das lange Ende durch eine Umgehung des Bankensystems in diesen Phasen weniger stark beeinflusst werden. Auch der Einfluss der Geldpolitik auf den Devisenmarkt könnte sich verändern. So dürften die Währungen profitieren, deren digitale Konzepte die größte Attraktivität und Offenheit gegenüber einer Nutzung durch ausländische Akteure aufweisen. Die Nutzung von starken Währungen als sicherer Hafen in Krisenzeiten könnte noch weiter zunehmen.
Der höhere Gestaltungsspielraum der Notenbanken hat allerdings einen Preis. Denn die Öffnung ihrer Bilanzen für Einlagen von Haushalten und Unternehmen (und die damit verbundene Notwendigkeit der Wiederanlage) verstärkt ihre Rolle in der Allokation von Kapital. Aus Gründen der Effizienz ist diese Rolle bisher klar den Geschäftsbanken zugeschrieben. Für den Bankensektor könnten die Effekte dabei erheblich ausfallen. Denn ein breiterer Zugang zu risikofreien Einlagen bei der Notenbank für Haushalte und Unternehmen könnte dem Geschäftsmodell der Fristentransformation, also der Vereinnahmung der Zinsmarge zwischen angenommenen kurzfristigen Einlagen und ausgereichten längerfristigen Krediten, weitgehend die Grundlage entziehen.
Grundsätzlich erodiert mit abnehmenden Einlagen die Funding-Basis der Geschäftsbanken bzw. verteuert sich strukturell, da marktbasiertes Fremdkapital in der Regel höhere Kosten mit sich bringt. Die Notenbank müsste dann den Rückgang von günstigen Einlagen durch eine verstärkte Refinanzierung der Banken ersetzen und/oder die höheren Funding-Kosten durch eine expansivere Geldpolitik ausgleichen. Zudem erhöht sich in Stressphasen das Risiko einer Einlagenflucht (Bank run). Hierauf muss die EZB eine Antwort finden.
Erfolg hängt auch von aktueller Geldpolitik ab
Die EZB hat bereits signalisiert, eine Obergrenze von 3.000 Euro pro Kopf für die Einlagen bei der Notenbank in Erwägung zu ziehen. Dies wäre vergleichbar den Obergrenzen für Bargeldtransaktionen, die in vielen Euro-Ländern bestehen und würde mit Blick auf die Tauschmittelfunktion vor allem für Unternehmen einen limitierenden Faktor darstellen. Für Haushalte würde eine solche Obergrenze dagegen vor allem die Geldfunktion der Wertaufbewahrung infrage stellen. Unterschiedliche oder variable Obergrenzen sind grundsätzlich zwar vorstellbar, scheinen mit Blick auf die sehr heterogene Wirtschaftswelt allerdings komplex, wenig zweckmäßig und rechtlich angreifbar.
Auch mit Blick auf die Konkurrenz von privaten Geldalternativen könnte sich die EZB deshalb am Ende gezwungen sehen, auf diese Beschränkungen zu verzichten. Das Risiko eines zu starken Ablaufens der Einlagen bei Banken in Krisenzeiten müsste dann über andere Wege begrenzt werden. Hier bietet eine Staffelung der Zinssätze auf den digitalen Euro einen möglichen Ausweg. Alternativ könnten die Einlagensicherungssysteme der Banken gestärkt werden, wodurch das Motiv des Werterhalts auch in Krisenphasen weniger in Richtung des digitalen Euro ausschlagen würde. Geldpolitik und Regulierung müssten hierfür aber Hand in Hand arbeiten. Banken wären zwar auch dann über höhere Kosten negativ betroffen. Das Risiko in Krisenphasen wäre aber begrenzt.
Noch sind also viele Details offen. Der Erfolg des Projektes hängt am Ende davon ab, inwieweit die EZB bereit ist Risiken und Nachteile für das Bankensystem in Kauf zu nehmen, um die Attraktivität für Unternehmen und Haushalte zu stärken. Ein zentraler Faktor im Wettstreit mit privaten Wettbewerbern, insbesondere den Kryptowährungen, ist der Erfolg der aktuellen Geldpolitik. Nur wenn der Geldpolitik der Ausstieg aus den Krisenmaßnahmen ohne große Unfälle gelingt, genießt auch der digitale Euro einen Vertrauensvorschuss. Denn klar ist, der Wettstreit der Währungen hat gerade erst begonnen. Und für die EZB wie auch andere Notenbanken könnte am Ende gelten: „Alles oder nichts“.
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