Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp
So gefährlich ist die EZB-Politik wirklich
Heinz-Werner Rapp ist Vorstand von Feri sowie Gründer und Leiter des Feri Cognitive Finance Institute. Foto: Feri
Euro-Krise, Energieknappheit, Inflation: Die Wirtschaft steht ordentlich unter Druck. Was die Europäische Zentralbank damit zu tun hat, erklärt Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des Feri Cognitive Finance Institute.
Europa leidet unter Rekordinflation und massiv steigenden Energiepreisen. Das Tanken ist teuer wie nie, anstehende Heizkostenabrechnungen werden zum finanziellen Drahtseilakt. Ausgehend von Russland und seinem Alleinherrscher Wladimir Putin droht inzwischen ein massiver Erdgasschock, der Europa in eine schwere Rezession stürzen könnte. Das ist der offen sichtbare Teil einer komplexen Gesamtproblematik, die Europa derzeit massiv unter Druck setzt. Die zugehörige, scheinbar einfache Erklärung liefert die Politik mit einem simplen Narrativ: Schuld an der gesamten Misere ist der Kriegsgewinnler Putin, der durch Drehen am Öl- oder Gashahn weltweit die Inflationsraten nach oben treibt. Dieses schlichte...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Europa leidet unter Rekordinflation und massiv steigenden Energiepreisen. Das Tanken ist teuer wie nie, anstehende Heizkostenabrechnungen werden zum finanziellen Drahtseilakt. Ausgehend von Russland und seinem Alleinherrscher Wladimir Putin droht inzwischen ein massiver Erdgasschock, der Europa in eine schwere Rezession stürzen könnte. Das ist der offen sichtbare Teil einer komplexen Gesamtproblematik, die Europa derzeit massiv unter Druck setzt. Die zugehörige, scheinbar einfache Erklärung liefert die Politik mit einem simplen Narrativ: Schuld an der gesamten Misere ist der Kriegsgewinnler Putin, der durch Drehen am Öl- oder Gashahn weltweit die Inflationsraten nach oben treibt. Dieses schlichte Narrativ klingt zwar für viele Bürger plausibel, ist aber gleich aus mehreren Gründen falsch oder zumindest grob irreführend.
Zusatzsteuer für Bürger
Viele der Probleme, mit denen sich Europa heute konfrontiert sieht, sind hausgemacht. Deren Wurzeln reichen oftmals weit in die Zeit vor dem Ukraine-Krieg zurück, und viele dieser Wurzeln liegen unmittelbar bei der EZB. Ausdrücklich soll an dieser Stelle nicht das politische Versagen verschiedener Bundesregierungen thematisiert werden, das Deutschland und seine Wirtschaft in eine fatale Abhängigkeit von russischem Erdgas gebracht hat. Dieses Versäumnis ist schlimm genug, muss aber an anderer Stelle erörtert werden. Hier steht vielmehr der finanzielle „Dreifachschocker“ im Vordergrund, den die expansive – und zunehmend fahrlässige – Geldpolitik der EZB ausgelöst hat. Dieser dreifache Schock hat sich inzwischen zu einer veritablen „Zusatzsteuer“ ausgewachsen und geht einher mit massiven Vermögensverlusten vieler Bürger.
Worin genau bestehen diese drei Schocks, die ein Durchschnittsbürger heute – zusätzlich zu erhöhten Benzin- und Gaspreisen – auszuhalten hat?
1. Die langjährige Negativzins-Politik der EZB
Negative Zinsen sind nach Ansicht vieler Experten „geldpolitischer Blödsinn“. Sie untergraben die gesamtwirtschaftliche Lenkungswirkung des Zinses und konterkarieren eine rationale Allokation knapper Ressourcen. Zudem entfalten Negativ-Zinsen sehr gefährliche sozial- und verteilungspolitische Effekte. Sie induzieren – und alimentieren – die sorglose Aufnahme von Schulden, was in vielen Sektoren irrationale Fehlentwicklungen auslöst. Letztlich wird die Entstehung spekulativer Vermögensblasen begünstigt – oftmals stark konzentriert im Immobiliensektor. In der Tat zeigen die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland seit rund zehn Jahren – also seit Beginn der Tiefzinsphase der EZB – einen Aufwärtstrend, der signifikant über dem Anstieg der verfügbaren Einkommen in dieser Zeit liegt (Abbildung 1).
Mit anderen Worten: Relativ zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben sich Immobilien sehr deutlich aufgewertet – bis zu einem Niveau, bei dem selbst die Bundesbank vor den Risiken einer Immobilienblase warnt. Zusätzlich sind im gleichen Zeitraum auch die Mieten stark angestiegen. Beide Effekte sind zwar erfreulich für Immobilienbesitzer, aber sehr viel weniger erfreulich für Durchschnittsbürger, die sich zu heutigen Preisen weder den Bau, den Kauf oder auch nur das Anmieten einer Wohnimmobilie leisten können.
Über den Autor