„Wiederanhebung möglich" So reagiert Allianz auf Urteil zum gesenkten Rentenfaktor bei Fondspolicen
Im Streit um die zweimalige Absenkung des Rentenfaktor ihrer Fondspolice erlitt die Allianz im Juli eine Niederlage vor dem Amtsgericht Reinbek. Der Kunde sei durch das Vorgehen unangemessen benachteiligt worden, entschieden die Amtsrichter.
Der Fall
Der Rentenfaktor legt fest, wie viel Geld der Kunde pro 10.000 Euro eingespartem Kapital erhält. Bei Vertragsschluss lag dieser Wert bei 35,76 Euro. Im April 2017 teilte die Allianz ihrem Kunden mit, dass der Rentenfaktor auf 30,44 gesenkt werde. Vier Jahre später, im Januar 2021, senkte der Versicherer den Rentenfaktors nochmals auf 27,93 ab. Als Grund nannte die Allianz beide Male die Absenkung des Höchstrechnungszinses durch die Bundesregierung.
Rechtswidrig ist ein solches Vorgehen nicht: Gemäß Paragraf 163 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) darf der Anbieter den Rentenfaktor ändern, wenn sich eine der Rechnungsgrundlagen in einem unvorhersehbaren Maß verändert und ein von der Finanzaufsicht Bafin bestellter unabhängiger Treuhänder die Anpassung überprüft und bestätigt. Im Fall der Allianz trafen diese beiden Voraussetzungen zu.
Der Kunde klagte trotzdem gegen die Absenkungen – mit Erfolg. Die Vertragsbedingungen, die eine Absenkung des Rentenfaktors unter bestimmten Voraussetzungen vorsahen, würden den Kunden unangemessen benachteiligen und seien daher unwirksam, entschied das Amtsgericht Reinbek. Denn die Klausel regelt nur die Herabsenkung des Rentenfaktors, nicht aber die Erhöhung.
Rechtsprechung nicht einheitlich
Die Absenkung der garantierten Rentenfaktoren in der Niedrigzinsphase beschäftigt bereits seit längerer Zeit die Gerichte. Dabei fällen die Gerichte bei ähnlichen Sachverhalten unterschiedliche Urteile. So gab das Landgericht Köln im vergangenen Jahr einem Riester-Sparer Recht, der gegen die Rentenfaktorsenkung durch die Zurich Versicherung klagte. Die Zurich senkte 2017 den Rentenfaktor mehrerer Lebensversicherungsprodukte um 18 bis 25 Prozent.
Hallo, Herr Kaiser!
Das Landgericht (LG) Stuttgart hingegen sah die Sache anders. In ihrem Urteil vom 10. Juli 2023 (Aktenzeichen: 53 O 214/22), entschieden die Landesrichter zugunsten der Allianz. Sie sahen die Möglichkeit, die künftige Rente durch Zuzahlungen zu erhöhen, als ausreichende Kompensation für den gesenkten Rentenfaktor an.
Allianz Leben teile die Rechtsauffassung des LG Stuttgart, erklärte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage von DAS INVESTMENT. Gegen das Urteil des Amtsgerichts Reinbek legte der Versicherer nach eigenen Angaben Berufung ein.
Allianz Leben habe bei sämtlichen Produktgestaltungen die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr sorgfältig geprüft, so die Sprecherin. Die strittige Rentenfaktorsenkung stelle eine ausgewogene Regelung dar, die auch die Interessen der Versicherten berücksichtige. Auch die Aussage, dass die Klausel lediglich die Senkung der künftigen Rente regele, trifft nach Auffassung der Allianz-Vertreterin nicht zu: „Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach einer Anpassung des Rentenfaktors auch eine Wiederanhebung des Rentenfaktors möglich“.
Garantiezusagen nicht betroffen
Des Weiteren greife die Anpassung des Rentenfaktors zur Berechnung der Rente nicht in Garantiezusagen von Allianz Leben ein, so die Allianz-Sprecherin weiter. „Allianz Leben steht zu allen vertraglichen Zusagen und Garantien“.
Neben Allianz und Zurich haben unter anderem auch Axa, R+V und VHV in der Vergangenheit den Rentenfaktor gesenkt, erklärt die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Stoll & Sauer, die auch das Reinsbeker Urteil erstritten hat. Ein weiteres anhängiges Verfahren soll nach Angaben der Kanzlei im November am Berliner Landgericht verhandelt werden.
Kunden, die eine Senkung des Rentenfaktors definitiv ausschließen möchten, können unterdessen eine Police mit dem sogenannten hart garantierten Rentenfaktor wählen. Hierbei verzichtet der Versicherer darauf, Paragraf 163 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) anzuwenden. Doch das Angebot ist überschaubar. „Aktuell bietet nur noch die Alte Leipziger einen hart garantierten Rentenfaktor“, stellte Jürgen Thomsen, Analyst für Produkte zur Altersvorsorge bei Franke und Bornberg, 2022 in einer Fondspolicen-Studie fest, für die er Kennzahlen für 55 Tarife von 25 Gesellschaften berücksichtigte.