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Aktualisiert am 23.11.2022 - 11:35 Uhrin FondsLesedauer: 5 Minuten

Wie beim Rodeo So stehen jetzt die Chancen und Risiken bei Anleihen

Bulle und Reiter
Bulle und Reiter: An den Börsen geht es 2022 zu wie beim Rodeo. | Foto: Pexels

Anleihe-Investor zu sein, ist heutzutage nicht leicht. Die vergangenen Jahre waren geprägt von niedrigen Renditen und kaum vorhandenen Aufschlägen für Risikopapiere. Jetzt ändern sich die Fundamentaldaten. Insbesondere zieht die Inflation an. Die Notenbanken setzen vieles daran, sie zu drücken. Im September etwa hob die EZB den Leitzins um 75 Basispunkte an – so stark wie nie zuvor. Und dabei wird es mit Sicherheit nicht bleiben. Immerhin liegt die Inflation im Euro-Raum schon bei 9,1 Prozent. Eigentlich strebt die Notenbank einen Wert von 2 Prozent an.

Nach dem jüngsten EZB-Entscheid stieg die Rendite für eine zehnjährige Bundesanleihe von 1,58 auf 1,69 Prozent. Eine zweijährige Bundesanleihe, die eigentlich weniger stark auf Zinsänderungen reagiert, legte zwischenzeitlich sogar von 1,11 auf 1,28 Prozent zu. In den USA sieht die Lage ähnlich aus. Die Fed hatte schon früher ihre Geldpolitik deutlich gestrafft und dürfte ebenfalls noch mehrfach nachziehen. Erstmals seit einer Generation ist der globale Anleihemarkt in einen Bärenmarkt gerutscht. Das heißt, der Bloomberg-Index für globale Staatsanleihen und Unternehmensanleihen guter Qualität hat seit seinem letzten Hoch mindestens 20 Prozent verloren.

 

Das ändert die Lage an den Märkten völlig, meint Robert Tipp, Anleihechef bei PGIM Fixed Income. „Die Renditen für Anleihen und Aktien waren im ersten Halbjahr so schlecht wie seit den 1970er-Jahren nicht mehr, als Inflation und Unsicherheit ähnlich hoch waren“, sagt er. Fondsmanager müssen nun also einiges im Blick behalten.

An der grundlegenden Mechanik ändert sich zunächst wenig: Wenn die Zinssätze steigen, können sie neu ausgegebene Anleihen mit einem höheren Zinssatz kaufen, während zuvor ausgegebene Anleihen mit niedrigeren Renditen weniger wert sind. Fondsmanager, die eine einmal gekauftes Papier bis zur Fälligkeit halten, müssen sich über zwischenzeitliche Kursverluste keine großen Gedanken machen. Sie erhalten dann den Nennwert zurück und können den Erlös in Anleihen mit einem höheren Zinssatz stecken, was zu besseren Renditen in der Zukunft führt. 

 

 

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Gleichwohl gilt es, das Zusammenspiel mit anderen Anlageklassen fein einzustellen, sagt Amy Arnott, Wertpapier-Analystin bei Morningstar. Aus ihrer Sicht spielen Schuldpapiere nach wie vor eine wichtige Rolle beim Risikomanagement. „Die Stärke von Anleihen liegt zum Teil darin, dass sie sich grundlegend von Aktien unterscheiden. Anleihe-Investoren erhalten regelmäßige Zinszahlungen als Gegenleistung dafür, dass sie dem Emittenten Geld leihen. Aktien hingegen können zwar Dividenden ausschütten, aber die Zahlungen an die Aktionäre sind optional“, erläutert sie.

Zudem biete der Anleihemarkt im Vergleich zum Aktienmarkt sehr viel mehr Optionen, ergänzt Brian Kloss, Portfoliomanager bei Brandywine Global. Schließlich sei dieser weitaus größer und umfangreicher. Jetzt sei es wichtig, die besonderen Merkmale und Risiken der verschiedenen festverzinslichen Anlageklassen zu erkennen und zu nutzen, sagt Kloss. „Papiere ohne Investment-Grade-Rating, wie hochverzinsliche Unternehmensanleihen und variabel verzinsliche Bankkredite, sind historisch gesehen negativ mit US-Staatsanleihen korreliert.“ Ihre Wertentwicklung hänge weitgehend von den gesamtwirtschaftlichen Aussichten und dem Umfeld der Unternehmensgewinne und nicht von den Zinssätzen ab. Andererseits seien Anleihen höherer Qualität tendenziell am anfälligsten für Zinsschwankungen. „Hier wirken sich steigende Zinsen relativ stark auf die Preise und Bewertungen aus.“

 

 

Patentrezepte gibt es folglich auch in dieser Marktphase nicht. Doch eines zumindest liegt nahe: Fondsmanager sollten nun so manche liebgewonnene Formel genau unter die Lupe nehmen. Dazu gehört auch die Vermögensallokation 60 Prozent in Aktien und 40 Prozent in Anleihen. In den vergangenen Jahren ging sie auf. Aktien brachten Wertzuwachs und Anleihen sorgten für Stabilität. Nach einer Analyse von Goldman Sachs holte ein 60/40-Depot aus großen US-Aktien und Anleihen mit guter Bonität zwischen 2011 und 2021 eine inflationsbereinigte Rendite von 9 Prozent pro Jahr heraus. 2022 stehen bislang jedoch Verluste von 15 Prozent zu Buche. Das ist das schwächste Ergebnis seit 2008.

Konstantin Veit hat dazu eine klare Meinung. Der Portfoliomanager bei Pimco sieht angesichts der aktuellen Marktlage die Zeit für kurzlaufende Anleihen gekommen. „Die Volatilität spricht zudem für eine Konzentration auf aktives Management und die Aussicht auf Rezession für eine Konzentration auf Qualität“, ergänzt er. Im Blick hat Veit dabei vor allem die Zinsstrukturkurve, die Sie auch in unserem Chart sehen. Die Zinsschere zwischen den zehn- und zweijährigen Bundesanleihen schließt sich von Monat zu Monat. In den USA ist man schon ein Stück weiter. Seit Juli gibt es hier für die kurzlaufenden Papiere mehr Zinsen als für die langlaufenden. Ein starkes Warnzeichen, denn seit 50 Jahren folgt auf eine inverse Zinsstruktur immer eine Rezession. Insbesondere Hochzinsanleihen sind in diesem Szenario gefährdet, weil es dann zu Zahlungsausfällen kommen kann. 

Zinsdifferenz zwischen 2- und 10-jähriger Bundesanleihe
Zinsdifferenz zwischen 2- und 10-jähriger Bundesanleihe © tagesgeldvergleich.net

Qualität aktiv managen – wirklich neu hört sich das nicht an. Doch Veit holt aus: „Wir werden kürzere und volatilere Zyklen mit stärkeren Unterschieden zwischen den Ländern erleben.“ Short-Duration-Strategien können aus seiner Sicht helfen, in diesem Umfeld ein Maximum an Wertzuwachs herauszuholen. „Mit einer Kombination aus Indizes, die kurzlaufende Anleihen abbilden, lässt sich derzeit eine Rendite von 1,6 Prozent bis zur Fälligkeit erzielen, bei einem bescheidenen Durationsrisiko von einem Jahr.“ Wie Veit und seine Kollegen mit diesem Ansatz durch das aktuelle Gewirr aus Krisen und Geldpolitik fahren werden, müssen die kommenden Monate zeigen. Sicher scheint in diesen Tagen nur: Aktives Fondsmanagement ist nicht bloß nützlich, sondern unerlässlich.

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