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Raus aus der AO: „Bestandsübertragung nicht möglich“

Heimspiel für Michaela Ferling: Auf der diesjährigen MMM Messe der Fonds Finanz in München sprach die Münchner Rechtsanwältin über rechtliche Grundlagen, die angehende Makler bei ihrem Wechsel vom Ausschließlichkeitsvertrieb in die freie Maklerschaft kennen sollten. Und über Haftungsfallen, die dabei drohen können.
Es gibt viele Gründe, warum gebundene Versicherungsvermittler in die Maklerschaft wechseln wollen: Es ändert sich etwas im Unternehmen, der Arbeitgeber steckt kaum mehr erfüllbare Ziele, oder die Provisionen erweisen sich als unbefriedigend und die Kosten wachsen über den Kopf. Manch ein Vermittler möchte auch schlicht frei entscheiden können, welche Produkte von welchen Gesellschaften er seinen Kunden empfehlen möchte.
Die Anwältin der Kanzlei Ferling Rechtsanwälte nannte drei Arten, wie Makler ihren Vertrag mit der Ausschließlichkeitsorganisation (AO) beenden können: Durch ordentliche Kündigung, durch außerordentliche Kündigung und durch einen Aufhebungsvertrag.
Bei der ordentlichen Kündigung gelten die im Vertrag festgelegten Kündigungsfristen, die meist zwischen sechs und zwölf Monaten liegen. „Sie brauchen diese Zeit auch, um sich auf die neue Tätigkeit vorzubereiten“, so Ferling. Für die außerordentliche, fristlose Kündigung braucht es laut der Rechtsexpertin immer einen schwerwiegenden Grund. Außerdem muss vorher immer eine Abmahnung erfolgen. Die einzige Ausnahme stellt ein strafrechtlicher Tatbestand dar: Habe das Unternehmen gegen das Strafgesetzbuch verstoßen, kann der Vermittler sofort und ohne eine Abmahnung kündigen.
Beim Aufhebungsvertrag empfiehlt die Anwältin, immer auf den Inhalt und die genauen Formulierungen zu schauen, da diese oft Nachteile für den scheidenden Makler enthielten.
Die Herausgabepflicht
Wird der Vermittler nach der Kündigung freigestellt, muss er seinem Noch-Arbeitgeber alle Unterlagen sofort zurückgeben. Ansonsten beginnt die Herausgabepflicht mit dem Ende der aktiven Tätigkeit für die AO. Die Herausgabepflicht gilt dabei sowohl für alle Papierdokumente als auch für alle Dateien. Das betrifft insbesondere die Kundendaten. Denn wirbt der Vermittler als freier Makler erfolgreich und im großen Stil Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers ab, kommt schnell der Verdacht auf, dass er Dokumente zurückgehalten habe. Und das könnte strafrechtlich relevant sein, nämlich dann, wenn der Vermittler mit den zu Unrecht einbehaltenen Dokumenten weiterarbeitet. Steht nur der Verdacht im Raum, dass der Vermittler Daten zurückbehalten hat, ohne sie bislang benutzt zu haben, kann sein Ex-Unternehmen zivilrechtlich klagen.
Eine häufig gestellte Frage ist laut Ferling, wie man die Kunden rechtssicher auf den bevorstehenden Wechsel in die freie Maklerschaft ansprechen kann, solange man noch bei der AO angestellt ist. „Lieber Kunde, ich werde ab dem 1.7. als freier Makler tätig sein, wechsele doch zu mir, damit ich dich weiter betreuen kann“, sei eine unzulässige Formulierung, warnt die Anwältin. Man dürfe allerdings den Kunden vorbereiten, versteckte Hinweise geben. „Der Vermittler könnte zum Beispiel andeuten, dass ihm in näherer Zukunft berufliche Veränderungen bevorstehen“, so Ferling.
Manchmal helfen AO den Ex-Vermittlern sogar ungewollt, ihre Kunden mitzunehmen. Sie verschicken nach der Kündigung des Vermittlers Schreiben an dessen Kunden, um diese über den Wechsel des Betreuers zu informieren. „Das ist ein Einfallstor für die Kontaktaufnahme zum alten Vermittler“, sagt die Rechtsexpertin. Ruft der Kunde seinen alten Vermittler an und fragt, wo dieser hingegangen sei, dürfe der Vermittler ihm anbieten, ihn weiter zu betreuen. Er darf ihn in diesem Fall dazu auffordern, ihm seine Unterlagen zu schicken und die Maklervollmacht zu unterschreiben. Allerdings sei es unerlässlich, im Erstkontaktformular festzuhalten, dass der Kunde von sich aus den Kontakt aufgenommen hat.
Außerdem darf ein ausgeschiedener Vertreter laut einem BGH-Urteil vom 28. Januar 1993 (Aktenzeichen: I ZR 294/90) Kundenadressen verwerten, die in seinem Gedächtnis geblieben sind. Wie groß ein Gedächtnis sein darf, präzisiert der BGH allerdings nicht. „Es macht keinen großen Unterschied, ob 50 oder 500 Kunden nach dem Weggang zum frischgebackenen Makler wechseln“, betont Ferling. Sobald Vermittler es sauber dokumentierten, hätten sie gute Chancen, damit durchzukommen.
Den Umstieg finanzieren
Wer von der Ausschließlichkeit in die freie Maklerschaft wechselt, muss den Umstieg finanzieren. Schließlich fließen in der ersten Zeit noch keine Provisionen. Nach Paragraph 89b Handelsgesetzbuch (HGB) muss das Unternehmen seinem Handelsvertreter im Fall der Beendigung seines Vertragsverhältnisses einen Ausgleich zahlen, der bis zu einer Jahresprovision betragen kann. „Dieser Ausgleichsanspruch gilt aber nicht bei der Eigenkündigung“, gibt Ferling zu bedenken.
Eine weitere Einkommensquelle können laut Ferling Vorschusszahlungen sein. „Der Zeitpunkt der Kündigung ist in der Regel ein entscheidender Aspekt“, sagt die Rechtsanwältin.
Bei der Rechtsform ihres Maklerunternehmens können Vermittler zwischen Einzelunternehmen, GmbH, GmbH & Co. KG und UG (haftungsbeschränkt) entscheiden. Für welche Form sich Vermittler entscheiden, hängt laut Ferling unter anderem vom Gründungsaufwand, laufenden Kosten, Vergütungsmöglichkeiten und den Interessen der Beteiligten ab. Auch ein Haftungsdach macht laut der Expertin Sinn – so haften Vermittler im Fall der Fälle nicht mit ihrem Privatvermögen.
Bestandsübertragung nicht möglich
Von Bestandsübertragungen rät die Expertin nachdrücklich ab. Damit würden Vermittler nämlich gegen Übertragungssperren beziehungsweise Neugeschäftssperren ihres alten Arbeitgebers verstoßen. Im Sachversicherungsbereich können Vermittler ihren Kunden stattdessen Umdeckungskonzepte mit Besitzstandsgarantie anbieten. Dadurch verschlechtere sich der Kunde nicht, sondern bekomme in den meisten Fällen sogar noch bessere Konditionen. In der Personenversicherung gehe das hingegen nicht. Da sollten die Vermittler eine sogenannte „Trauerzeit“ von 18 Monaten einhalten. Danach könnten sie den Kunden bessere Konditionen anbieten. Nehmen die Kunden an, interessiere das nach dieser Zeit meist niemanden mehr.
Es komme zudem vor, dass die AO während der Kündigungsfrist die Provisionen einfriert. „Das ist nicht rechtens und stellt eine Kündigungserschwernis dar“, so die Expertin.
Über die Referentin
Rechtsanwältin Michaela Ferling hat die Münchner Kanzlei Ferling Rechtsanwälte gegründet. Sie hat sich auf Vertriebsrecht, gewerblichen Rechtsschutz und Versicherungsrecht spezialisiert.