Volkswirt Johannes Mayr
So will die Ampelkoalition die Rente sichern

Johannes Mayr ist Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz
In den kommenden Jahren gehen viele Babyboomer in den Ruhestand. Wie sollen Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung das stemmen? Johannes Mayr, Volkswirt bei Eyb & Wallwitz, skizziert die Pläne der Ampelkoalition.
Die Ampelkoalition nimmt Form an. SPD, Grüne und FDP haben sich in ihrem Sondierungspapier auf die zentralen Eckpunkte für die kommende Legislatur verständigt. Vor allem die Weichenstellungen in der Klimapolitik sowie die gesellschaftspolitischen Vorhaben werden kommentiert.
Weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen die Pläne im Bereich des Rentensystems. Zu Unrecht. Denn hier drückt der Schuh fiskalisch besonders stark. Das Sondierungspapier skizziert den Aufbau eines kapitalmarktgedeckten Anteils am gesetzlichen Rentensystem. Die akuten Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rente mindert dies zwar kaum. Langfristig könnte es aber eine zentrale Weichenstellung sein mit erheblichen...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
Da diese Artikel nur für Finanzprofis gedacht sind, bitten wir dich, dich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Die Ampelkoalition nimmt Form an. SPD, Grüne und FDP haben sich in ihrem Sondierungspapier auf die zentralen Eckpunkte für die kommende Legislatur verständigt. Vor allem die Weichenstellungen in der Klimapolitik sowie die gesellschaftspolitischen Vorhaben werden kommentiert.
Weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen die Pläne im Bereich des Rentensystems. Zu Unrecht. Denn hier drückt der Schuh fiskalisch besonders stark. Das Sondierungspapier skizziert den Aufbau eines kapitalmarktgedeckten Anteils am gesetzlichen Rentensystem. Die akuten Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rente mindert dies zwar kaum. Langfristig könnte es aber eine zentrale Weichenstellung sein mit erheblichen Folgen für die Gesellschaft wie auch für die Anleger. Kann dies neuen Rückenwind für den Aktienmarkt bringen? Und wie stark und in welche Richtung könnte dieser blasen?
Gesetzliche Rente vor dem Kollaps
Ökonomen warnen seit Jahren vor einem sich zuspitzenden Problem im gesetzlichen Rentensystem in Deutschland. Denn das etablierte Umlageverfahren kommt in den kommenden Jahren durch die demografischen Trends stark unter Druck. Auftretende Lücken in der Finanzierung müssen über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden. Und hier zeigen aktuelle Projektionen die Dimension des Problems.
Bereits 2020 flossen mehr als 20 Prozent des Bundeshaushalts in die gesetzliche Rente. Dieser Anteil würde bei den aktuellen Rentenregelungen bis 2040 auf 50 Prozent und bis 2050 auf 60 Prozent steigen. Der Spielraum für andere Sozialausgaben und für Zukunftsinvestitionen wäre stark eingeschränkt. Eine grundlegende Reform des Rentensystems scheint also unausweichlich.
Der Ruf nach einer Ablösung des bestehenden Umlageverfahrens durch eine kapitalgedeckte staatliche Rente wird deshalb wieder lauter. Historisch wäre eine Umstellung nicht ungewöhnlich. In den Anfängen des deutschen Rentensystems stand die Kapitaldeckung im Zentrum. Im Rahmen der von Bismarck 1889 eingeführten Invaliditäts- und Altersversicherung erwarben Arbeiter einen Anspruch auf Altersrente mit Vollendung des 70. Lebensjahres. Die Beiträge in den Kapitalstock waren so berechnet, dass die Rentenzahlungen und die anfallenden Kosten für 10 Jahre gedeckt waren und zudem Rücklagen gebildet werden konnten.
Ein erheblicher Zuschuss aus dem Reichshaushalt füllte die Finanzierungslücken. Die erste große Krise kam mit der Hyperinflation der frühen 1920er Jahre. Denn die Rentenansprüche und -zahlungen waren real quasi wertlos geworden. Zur Stabilisierung des Rentensystems wurde 1924 deshalb erstmals befristet ein Umlageverfahren eingeführt. Nach einem zwischenzeitlich erneuten Wechsel zur Kapitaldeckung und zahlreichen Reformen wurde dann 1957 die Umstellung auf ein reines Umlageverfahren begonnen, auch um die Funktion der Rente als Lohnersatzleistung inklusive entsprechender Dynamisierung finanzieren zu können.
Über den Autor