Abschläge und „Rente mit 63“ So will Wirtschaftsweiser Werding Frührente verhindern

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will in den kommenden Wochen sein neues Rentenpaket auf den Weg bringen, das unter anderem die viel diskutierte Aktienrente umfasst. Das werde aber nicht reichen, um das Rentensystem zu retten, meint Martin Werding. In einem Interview mit T-Online fordert der Wirtschaftsweise und Rentenexperte einschneidendere Reformen.
600 Milliarden Euro nötig um Rentenniveau zu halten
Die Pläne des Finanzministers Christian Lindner (FDP) für die Einführung einer aktienbasierten gesetzlichen Rente, der sogenannten Aktienrente, gehen Werding nicht weit genug. Die 10 Milliarden Euro, die Lindner für die Aktienrente zur Verfügung stellen will, seien „eine mickrige Summe“, die „unsere Probleme nicht lösen“ könne. Um ohne zusätzliche Anhebung der Beitragssätze das aktuelle Rentenniveau konstant halten zu können, bräuchte es nach Einschätzung des Wirtschaftsweisen „eher rund 40 Milliarden Euro Einzahlung pro Jahr, über 15 Jahre also 600 Milliarden“.
Wenn die Politik das aktuelle Rentenniveau halten will, ohne 600 Milliarden Euro an Steuergeldern dafür auszugeben, sollte sie an den anderen Stellschrauben drehen, rät Werding. Dazu zählt er zuallererst das Renteneintrittsalter. „Wenn die Lebenserwartung weiter steigt – und das wird sie voraussichtlich –, muss auch das Renteneintrittsalter weiter angehoben werden“, sagt er. Das müsse nicht sofort sein, räumt Werding ein. Er schlägt vor, nach 2031, wenn die bereits beschlossene Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre voll in Kraft ist, weiterzumachen.
1990 Geborene sollen bis 69 Jahren arbeiten
„Wir müssen das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln“, sagt der Wirtschaftsweise. Seinen Berechnungen zufolge müsste für jedes Jahr, um das die Lebenserwartung statistisch gesehen steigt, das Renteneintrittsalter um einen Monat angehoben werden. Damit könnten Menschen, die um 1990 herum geboren wurden und die Mitte der 2050er-Jahre ins Rentenalter kommen, erst mit 69 Jahren aufhören zu arbeiten.
Allerdings gehen jetzt schon immer mehr Menschen in Frührente. Um diesen Trend aufzuhalten, schlägt Werding eine deutliche Anhebung der Abschläge für Frührentner vor. Dies würde Anreize fürs längere Arbeiten setzen. „In Deutschland liegen die Abschläge bei 3,6 Prozent je Jahr eines früheren Renteneintritts“, moniert der Wirtschaftsweise. In „Ländern, die genauer rechnen“, betragen sie eher 5 oder 6 Prozent. Daran sollte sich auch die Bundesrepublik orientieren, meint er.
Auch mit der erst vor wenigen Jahren eingeführten „Rente mit 63“ geht Werding hart ins Gericht. „Die ‚Rente mit 63‘ war ein Fehler und muss abgeschafft werden“, sagt er. Deutschland könne sich diese Regelung nicht mehr leisten. Zudem seien die Begünstigten auch keine Härtefälle. Man könne zwar die Menschen, die jetzt schon im Ruhestand sind, nicht zwingen weiterzuarbeiten, erklärt der Wirtschaftsweise. Aber die Neuzutritte über diese Regel will er unterbinden.